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nicht hinderte, oder gar würgte.

      Was aber jetzt, nachdem dies geschehen war, thun? – wie die Bestie, da der Zweck erfüllt war, wieder loswerden? denn war es nicht möglich daß sie, in so gereiztem Zustand freigegeben, anstatt zu fliehen sich gerade gegen ihre Feinde wenden, und dort Unheil anrichten konnte, ja am Ende gar, um sie nur wieder los zu werden, doch noch getödtet werden mußte? Das Klingeln der Glocke beunruhigte den Gefangenen dabei immer mehr, seine Anstrengungen wurden wüthender, je mehr die Kräfte des armen Jägers nachließen. Zwar sprangen von vielen Seiten die Männer mit Stricken herbei und Einer machte sogar eine Schlinge, den Wolf daran zu hängen und ihm die Kehle zuzuschnüren bis er betäubt wäre und hinaus in den Wald geschafft werden könnte – das aber schienen viel zu gefährliche Experimente, denn geschah dem Thier dadurch ein Schaden, so war die ganze Anstrengung vergebens gewesen. Da rief Betsy, die in Todesangst um den Geliebten, die Hände fest gegen die Schläfe gepreßt, daneben gestanden und dem ganzen wirren Treiben zugeschaut, den tausend verworrenen Vorschlägen, wie sie gemacht und verworfen wurden, in namenloser Furcht gelauscht hatte, plötzlich aus:

      »Trag ihn in den Garten, Ben, wo der Fluß die Biegung macht – dort ist die Uferbank eingestürzt, und da hinabgeworfen, kann er nur an's gegenüberliegende Ufer schwimmen!«

      »Bei Gott das Mädchen hat Recht!« rief der alte Sutton, und Ben schritt schon um's Haus herum dem bezeichneten Orte zu. Die Fenz, die ihn noch von dem Garten trennte, wurde augenblicklich eingerissen, und wenige Secunden später stand der Wolfsjäger an dem schroffen Ufer das unten der vorbeischäumende kleine Bergstrom bespülte – Betsy hatte seinen Arm ergriffen und ihn geführt, daß er nicht etwa einen Schritt zu weit vorgehe und selber mit hinabstürze.

      »Jetzt Ben! rief sie ihm zu, als sie ihn plötzlich zurückhielt, jetzt laß los!«

      »Gott sei Dank!« murmelte Ben und während er noch die Arme öffnete glitt der dunkle Körper am nachgebenden Sande hinab und schlug plätschernd in die unten über ihm zusammenbrechende Fluth.

      Jetzt kamen auch mehre mit rasch herbeigeholten Lichtern herbei und bei dem matten ungewissen Schein derselben konnten sie erkennen wie der schwarze Körper des befreiten Wolfes rasch und mit heftigem Stöhnen durch die Fluth strich. Als er aber drüben an's Ufer stieg klingelte die wackere Glocke laut und hell – er hatte sich schütteln wollen, erschrak jedoch so über den fremden Laut daß er rasch die Uferbank hinansprang, und noch eine lange Strecke durch den Wald hörten sie das gleichmäßige Anschlagen der Schelle, wie der Wolf in dem, diesen Thieren eigenen langen Galopp mit flüchtigen Sätzen nicht mehr den Feinden, die hatte er kaum gefürchtet, nein, diesem unerträglichen scharfen Lärm unter seiner Kehle, zu entfliehen suchte.

      »Hahahaha!« brach endlich Ben, der jetzt lachend seine halb erstarrten Arme schwenkte, das athemlose Schweigen mit dem die Männer den immer mehr verschwimmenden Tönen der Glocke gelauscht hatten – »er hat sie – beim ewigen Gott, er hat sie – so – das soll mir der Mr. Metcamp einmal nachmachen!«

      Metcamp? ja wo war denn Metcamp die ganze Zeit eigentlich – das weiß der Himmel, am Washita hat ihn wenigstens kein sterbliches Auge mehr gesehen, sein Fenstersprung konnte nicht bezweifelt werden, denn Zeugen gab es dafür genug, und vom Fenster aus ließ sich die Spur noch weit hinaus in den Wald, aber immer dem Arkansas zu, verfolgen, sein ganzes Gepäck aber, ja selbst seinen Hut ließ er, ohne auch nur einmal darum zu schreiben, in der Ansiedlung zurück und Ben hatte gewiß recht als er meinte – »den habe nur sein böses Gewissen aus den Bergen getrieben.«

      Und was wurde aus Betsy? –

      Ich will dem Leser die weitläufige Auseinandersetzung ersparen und ihm nur mit kurzen Worten einzelne Thatsachen mittheilen aus denen seine Einbildungskraft dann leicht den weitern Verfolg der Sache, viel besser als ich ihm das selber klar machen könnte, herausfinden wird.

      Mr. Metcamp war wirklich flüchtigen Fußes förmlich davon gelaufen, der Brief aber, den er zu der Zeit am Washita erhalten hatte, mußte jedenfalls gefälscht gewesen sein, denn noch in demselben Monat hörten sie von einem Reisenden daß Metcamps Onkel, etwa vier Wochen vorher ehe dieser zum Washita gegangen, total bankerott gemacht habe und der vermeintliche Erbe noch schlimmer als ein Bettler sei, da er sogar rasend in Schulden stecke. Die reiche Farmerstochter hatte er dabei leicht zu gewinnen geglaubt, und auch natürlich alles Mögliche gethan, seinem, ihm allerdings gefährlichen Nebenbuhler den Besitz des Mädchens unmöglich zu machen.

      Daß er es gewesen der damals den gefangenen Wolf befreit, ließ sich ebenfalls immer weniger verkennen, wenigstens sprach man die Ansicht kurze Zeit darauf ganz offen in der Ansiedlung aus; und daß sich der alte Sutton nach alle dem Vorangegangenen schämte, den beabsichtigten Schwiegersohn aus der Stadt auch nur noch einmal zu erwähnen, versteht sich wohl von selbst.

      Es sind jetzt seit der Zeit zehn volle Jahre verflossen, und Farmer Sutton schläft in seinem eigenen Garten still und ruhig unter dem grünen blumigen Rasen, Ben Holik aber hat das unstäte Jägerleben aufgegeben, ist ein ordentlicher Farmer worden und lebt mit seinem lieben Weib, seiner Betsy, und den drei Jungen und zwei Mädchen die sie ihm in ihrer neunjährigen Ehe geboren, so glücklich und zufrieden, wie nur ein Mensch in der weiten Gotteswelt leben kann. Seine Heerden haben sich dabei ungemein vermehrt, denn die Wölfe trieb der mit der Glocke Behangene richtig hinaus aus der ganzen Nachbarschaft, und seine Felder hat er ebenfalls um viele fruchtbare Aecker erweitert; dort aber, wo er den Wolf damals lebendig gefangen, baute er sich auf der luftigen Bergkuppe ein kleines Haus und nannte es, zum Gedächtniß jenes glücklichen Abends – die Wolfsglocke.

       Die Ahnung.

      Nach einer wahren Begebenheit

      Draußen über die Haide tobte und wetterte der Sturm, heulte durch die blattlosen Baumwipfel der Eichen, und zischte und flüsterte in den dichten Nadeln des benachbarten Schwarzholzes. Der Mond war hinter schweren Wolken verschwunden, trüb und düster lag die Nacht auf der Erde und der Orkan, der sich von den Geistern der Luft die tollen Weisen aufspielen ließ, raste mit der Windsbraut über den weiten Plan, durch Bergesschlucht und einsames Thal, und über die starren, drohenden Felsenkämme der trotzig ihm die Stirn bietenden Gebirgsrücken hin.

      So, draußen im Freien – aber fast noch tolleres Spiel trieb er um die Wohnungen der schüchtern zusammengedrängten Menschen. Hui! – wie das um die Giebel pfiff und splitterte, wie die Windfahne auf dem alten Pastorhause kreischte und knarrte, daß selbst der hoch und altergrau daneben aufstarrende Schornstein den Lärmen endlich satt bekam, und bald links in den dunkeln Hof, bald rechts in den feuchten Garten hinunter sah, als ob er nur noch nicht recht wisse, in welchen von beiden er zuerst kopfüber hinein springen solle. Wie's an den alten morschen Fensterrahmen riß und klapperte, und seine Kraft an den breitästigen Birn- und Aepfelbäumen versuchte, die schon so lange Jahre dem Sturme getrotzt und sich jetzt, bei den erneuten Angriffen, nur noch immer fester und hartnäckiger mit den weitgespreizten Wurzeln in die Erde hineinklammerten.

      Viele viele Stunden lang trieb er's so, und vergebens hatten die wetterschwangeren Wolken schon oft versucht, sich in einzelnen Fluthengüssen zu erleichtern, wie es wohl ein bedrängtes Schiff thut, das seinen Ballast über Bord wirft, die leewärts drohende Küste zu verlassen; der wachsende Orkan schleuderte ihnen stets neue wasserschwere Nebelberge entgegen, und jagte die zürnenden wild und toll durch einander in entsetzlicher Fröhlichkeit.

      Bei solchem Wetter, wo die Natur in ihrer ganzen großartigen Furchtbarkeit ersteht, drängen sich die armen schwachen Menschenkinder am liebsten in freundlicher Traulichkeit zusammen, und von sicheren Wänden geschützt, unter Dach und Fach, dem brausenden Nord wie dem kalten Regen entzogen, lauschen sie nur manchmal in ängstlicher Stille zum Fenster hinüber, wenn der Sturm einen neuen Akord in seine dröhnende Aeolsharfe greift, und das feste Gebäude vielleicht vor dem markdurchschauernden Ton bis in seine innerste Tiefe hinein erbeben macht.

      So still und traulich war's auch im kleinen behaglichen Studirzimmerchen des wackern Pastor Barrenkamp, der mit seiner Frau, dem Schulmeister, einem Universitätsfreund des Pastors, und dem Rittergutsverwalter, einem alten wettergebräunten Oekonomen, um den schweren eichenen Tisch saß und bei einer guten Tasse Warmbier das Unwetter draußen so wenig als möglich zu beachten schien. Nur manchmal, wenn der Wind die Backen ein bischen gar zu voll genommen

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