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die Wohnung umgebende Fenz überklettert hatten, näherten sie sich dem Gebäude, dessen Thür, nach Art all der andern fensterlosen Blockhäuser, offen stand, um Licht und Luft zu gleicher Zeit einzulassen, und betraten den inneren Raum, vor dessen breiten Kamin sie eine, dem Auge Sechingens wenigstens, sehr sonderbar erscheinende Gruppe versammelt fanden.

      Es waren zwei Frauen und drei Kinder, die in malerischen Stellungen das Feuer umsaßen und umlagerten, und durch den Eintritt der Fremden in ihren verschiedenen Beschäftigungen weiter nicht gestört wurden, als daß die eine der Frauen, wahrscheinlich die Wirthin, mit ihrem Sessel ein wenig zur Seite rückte und sagte:

      »Nehmt einen Stuhl!«

      Nun wäre das zwar an und für sich schon eine recht freundliche Einladung gewesen, denn das Feuer flackerte mächtig und erwärmend mit rother Zunge die schwarz geräucherte Esse empor, wenn – nur ein Stuhl dagewesen wäre, vergebens schaute sich aber der Deutsche nach einem derartigen Möbel in dem kleinen Raume um, lehnte daher vor allen Dingen die Büchsflinte in die Ecke, legte die Jagdtasche daneben, welchem Beispiel der Indianer ohne weitere besondere Einladung folgte, und trat dann in den für sie freigemachten Raum an die linke Kaminecke.

      »Nehmt den Stuhl!« sagte die Frau zum zweiten Male, und winkte dabei mit dem Kopf nach der gegenüber liegenden Ecke, aber kein Gegenstand, der auch nur die entferntere Familienähnlichkeit mit einem derartigen Hausgeräth gehabt, oder zu solchem hätte benutzt werden können, zeigte sich dem Auge; die Ecke war, ein schmales, langes Bret was darin lehnte ausgenommen, leer. Bob schien jedoch mit den Gelegenheiten der Wohnung und ihren Gebräuchen schon etwas besser bekannt, oder ein gewisser Instinkt mußte ihn leiten, denn kaum hatte er sich seiner nassen Decke entledigt, als er eben jenes Bret vorholte, dieses dann, dicht neben dem Kamin, zwischen zweien der die Wand bildenden Stämme hindurch, und auswendig unter den, zu diesem Zweck in einen Pfirsichbaum geschlagenen Pflock schob, und dem Deutschen mit der Hand zuwinkte, darauf Platz zu nehmen, was dieser denn auch nach einigen, etwas ängstlichen Versuchen zwar, befolgte, während Bob neben ihm stehen blieb und sich wie ein am Spieße steckender Braten, langsam vor der Gluth im Kreise herumdrehte, um seinem ganzen Körper einen gleichen Antheil von Wärme zukommen zu lassen. Bald stieg von ihren nassen Kleidern der feuchte Dampf wie eine Wolke zur Decke hinauf und drängte sich dort, durch aufgehangene Schinken und Speckseiten, in's Freie.

      Die Beschäftigung der beiden Frauen zog jetzt, als das erste frostige Schütteln vorüber war, was Jeden erfaßt, der naß und kalt zu einem erwärmenden Feuer tritt, Sechingens neugierige Blicke auf sich. Die Herrin des Hauses saß nämlich auf einem kleinen Sessel, dem Feuer gerade gegenüber, hatte zwei Karden oder Wollkämme in der Hand, mit welchen sie die klargezupfte Baumwolle spinngerecht in lange Streifen rollte und nur dann und wann ihre Arbeit unterbrach, um eine kleine, kurze Pfeife aus dem Mund zu nehmen und den Kopf derselben, diese am Stiel fassend, durch die glühende Asche zu ziehen, wonach sie die dadurch herausgehobene kleine Kohle in die Höhe hielt, und in langen Zügen den verlöschten Tabak wieder zu entzünden suchte. In ihrem ganzen Wesen lag aber eine gewisse Reinlichkeit und Ordnung, die, mit dem freundlichen, offenen Gesicht der Matrone, einen höchst wohlthuenden Eindruck auf den jungen Deutschen machte, denn er war durch seine letzte Wanderung besonders empfänglich für alles Das geworden, was Behaglichkeit und häuslichen Sinn verrieth. Sie war sehr einfach, aber höchst sauber in selbstgewebte Stoffe gekleidet, und die größte Ordnung schien auch in dem kleinen, wenn gleich ärmlich ausgestatteten Raume zu herrschen, den sie bewohnte.

      Keineswegs so günstig sprach ihn die Erscheinung der zweiten Gestalt an, deren Haar, nach Art der irländischen Frauen, in einem breiten Scheitel von dem rechten nach dem linken Ohr, quer über die Stirn hinüber gelegt war, und die durch ihre, nichts weniger als reinliche Kleidung auf eine um so auffallendere Art gegen die neben ihr sitzende Amerikanerin abstach. Ihr Anzug bestand aus grell buntem Kattun, der seine besten Tage schon gesehen hatte, und dessen große Pfauenaugen wehmüthig nach einer Stange Seife hinüber zu blinzen schienen, die auf einem kleinen Bretchen in der rechten Ecke des Zimmers ruhte. Sie kreuzte den einen Fuß über den andern und stützte sich mit dem linken Arm auf das rechte Knie, mit dem rechten Ellenbogen wieder auf den linken Arm, und paffte, ohne die eben Angekommenen weiter viel zu beachten, den Rauch aus ihrer kurzen Pfeife nach Herzenslust in den Kamin hinein.

      Desto aufmerksamer wurden aber dafür die beiden feuchten Gäste von den drei Kindern beobachtet, deren ganzes, verwildertes, unsauberes Aussehen sie als der Irländerin (denn eine solche war der Gast) zugehörig bezeichnet hätten, wäre nicht diese stille Vermuthung Sechingens noch durch den unwiderlegbaren Beweis eines eben solchen Stückes Kattun, als Madame zum Kleid verwandt, bestärkt worden, das in verschiedenen spitzwinkeligen und dreieckigen Stücken die Kehrseite des jüngsten Kindes zusammenhielt.

      Mit weit aufgerissenen Augen und Sprech- oder Schreiwerkzeugen starrten diese, nicht den Indianer, – denn dergleichen hatten sie schon genug gesehen, – sondern den, ihrer Meinung nach, viel wunderbarer bekleideten Deutschen an, und nur durch verschiedene Ermahnungen der Wirthin des Hauses – denn die eigene Mutter schien sich wenig oder gar nicht um sie zu kümmern – konnten sie zurückgehalten werden, sich immer wieder auf's Neue zwischen den Fremden und das diesem so höchst wohlthuende Feuer zu drängen.

      Auf Sechingens Bitte um etwas Warmes zu essen und zu trinken, ließ die Amerikanerin jedoch augenblicklich mit freundlichem Eifer ihre beiden Beschäftigungen, Rauchen und Karden, im Stich und es dauerte gar nicht lange, bis ein Paar heiße Tassen Kaffee, nebst gebratenem Speck und schnell gebackenem Maisbrod auf dem rohen, aber blank gescheuerten Holztisch dampften, zu dem sich auch die Zwei nicht lange nöthigen ließen, sondern mit wahrem Heißhunger über die so lang und schmerzlich entbehrten Lebensmittel herfielen.

      Sechingens verwöhnter Gaumen möchte freilich, unter anderen Verhältnissen, mit den vorgesetzten Gerichten schwerlich zufrieden gewesen sein; er befand sich aber gegenwärtig nicht in der Laune, lange zu betrachten und zu kosten, was er aß, so er nur überhaupt etwas zu verzehren hatte, und bald waren Teller und Schüssel leer und blank.

      Während der Mahlzeit hatten die Frauen sich nicht weiter um die hungrigen Gäste bekümmert, als daß die Wirthin ihnen noch zweimal die schnell geleerten Tassen mit dem heißen, erquickenden Trank füllte; da sie aber jetzt gesättigt vom Tische aufstanden und wieder an's Feuer traten, fingen sie an, die mit Schnüren und Troddeln besetzte Pikesche des Deutschen zu bewundern, der, ihnen darin gern gefällig, sich von allen Seiten genau betrachten und die Arbeit daran untersuchen ließ.

      Nun hatte aber Sechingen durch diese Aufmerksamkeit die moralische Überzeugung gewonnen, daß die beiden Damen von dem zierlichen Kleidungsstück ganz entzückt seien, und frug daher die Irländerin mit freundlicher Stimme, ob sie vielleicht im Sinne habe, ihrem Ehegemahl eine dieser ähnliche anzufertigen; die Frau rief aber verwundert:

      »Meinem Manne, Sir? Gott segne Euch, für eine erwachsene Person eine solche Jacke? nein, aber ein hübsches Röckchen für das Jüngste gäb' es.«

      Sechingen biß sich auf die Lippen und sah von der Seite den Indianer an; dieser schien jedoch in der Bemerkung nichts Auffallendes gefunden oder sie gar nicht beachtet zu haben, sondern nahm, als Zeichen des Aufbruchs, die Büchse wieder zur Hand, und nickte dem Deutschen zu.

      »Was sind wir Ihnen für Ihre Güte schuldig?« frug also Sechingen jetzt, da es ihm nach dieser Äußerung nicht mehr so recht wohnlich bei den Leuten war.

      »Oh ich weiß nicht« – entgegnete die Amerikanerin, »das Wenige, was ich Euch vorsetzen konnte, war gern gegeben und keiner Bezahlung werth. Wohnten wir hier an der Straße, dann wär' es etwas anderes, man kann nicht alle Reisende umsonst beherbergen, wenn man selbst arm ist und sich seine Lebensmittel schwer verdienen und erziehen muß, so aber mag's gehen. Wir sitzen hier mitten im Wald, und in Alabama, von wo wir herkommen, ist es auch nur an wenigen Stellen Sitte, daß man Bezahlung von Reisenden nimmt, also geht mit Gott, Ihr seid Nichts schuldig.«

      Herzlich dankte ihr Sechingen, nicht allein für die gegebene Stärkung, sondern auch für die freundlichen Worte, und bedeutend gekräftigt und erfrischt, obgleich immer noch sehr durch die nassen Kleider belästigt, folgte der Deutsche seinem rothen Führer einen schmalen Pfad entlang, der sich von hier aus am Fuße einer jetzt erreichten niederen Hügelreihe hinwand und die Wanderer wenigstens dem niederen Sumpflande entzog,

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