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Baumwollballen, Stockfische, Seidenkleider, Guß- und Schmiedeeisen, alles, was die Barre passiert, wird im Namen des allmächtigen Gottes für das erklärt, was es meist nicht ist. Die ganze Union ist entlang ihrer zwölftausend Meilen langen Grenze von einem Schnellfeuer von Meineiden beschützt, die jahraus jahrein ununterbrochen, außer am Sabbat, gen Himmel knallen. Das verlangt die Konstitution dieses großen und erleuchteten Landes und gehört zum Segen des Schutzzolls. Sie sehen, wir sind ein religiöses und gesetzliebendes Volk, seitdem wir wieder zur glorreichen, unteilbaren Republik gehören und ein Rudel Schwarzer unsre Gesetze macht. Auch uns, den alten Herren von Louisiana, wird es nicht immer ganz leicht, im neuen Fahrwasser zu schwimmen, das kann ich Ihnen unter der Hand versichern.«

      Major Owen trat ein, ein noch junger, hübscher Mann, dem man übrigens die Strapazen einer harten Zeit deutlich ansah, und bei dem unter der höflich lächelnden Oberfläche häufiger als bei Longstreet der verhaltene Grimm, die kochende Bitterkeit gegen die Verhältnisse durchbrach, in denen wir lebten. Der kurze Gruß der beiden zeigte deutlich die soldatischen Beziehungen der kaum vergangenen Zeit und zugleich von seiten des jüngeren Mannes eine fast schwärmerische Verehrung für den älteren. Man weiß in langen Friedenszeiten so viel von der Verrohung zu erzählen, die der Krieg mit sich bringt. Mitten im Kampf und oft genug nach demselben sieht man nicht selten auch Blüten und Früchte andrer Art.

      Nein, es sei nichts mit den 1500 Dollars, berichtete der Major. Der Zolldirektor, ein regelrechter Reisesackpolitiker aus dem Norden, bestehe auf dem vollen Zoll von 4200 Dollars in Gold, wenn ich nicht vielleicht bereit sei, andre Überredungskünste in Bewegung zu setzen.

      »Wieviel?« fragte ich. Diese Form der Frage begann mir schon geläufiger zu werden.

      »Ich denke, mit 500 Dollars ließe sich der Gußeisenzoll erreichen«, sagte der Major nachdenklich. »Das wären noch immer 2200 Dollars in Ihre Tasche. Aber bei Jupiter! das müssen Sie selbst regeln, Herr Eyth. Ich habe die Spitzbubengeschichte satt.«

      »Und ich bin für eine solche Verhandlung noch nicht lange genug in Ihrem großen und erleuchteten Lande gewesen!« rief ich in einer Aufwallung moralischer Entrüstung, die beide Herren höchlich belustigte.

      »Aber Sie kommen doch aus der Türkei oder aus Ägypten«, meinte Longstreet nach einer Pause.

      »Wohl wahr, und ich überlege selbst gelegentlich, worin eigentlich der Unterschied liegt. Das tröstliche Wort Bakschisch erklärt ihn vielleicht teilweise. Dort, einem schmunzelnden Effendi gegenüber, hat man das Gefühl, als sei dies alles, wie es der Schöpfer gewollt hat, als habe man es mit einer andern Gattung von Säugetieren zu tun, die nun einmal nicht leben können, wenn sie nicht geschmiert werden. Hier, im Verkehr mit Herren in schwarzen Sonntagshosen, mit einem Gesicht ernst und ehrenfest und wie aus Holz geschnitzt, finde ich den richtigen Ton noch nicht.«

      »Das wird kommen, Herr Eyth,« meinte Longstreet, »ich fürchte, das wird rasch genug kommen. Eine im Grunde aufrichtige Natur wie Sie findet sich bei uns bald zurecht. Man muß uns nur verstehen. Sie haben noch keinen Begriff davon, mit welcher Ehrlichkeit unsre Spitzbuben zu Werke gehen. Lesen Sie die Verhandlungen, in denen der große Boß des Tammanyrings, Mister Tweed, in New York seit ein paar Wochen glänzt. Sie kommen gerade zur rechten Zeit hierher. Wir wissen das alles schon seit fünf Jahren: für Sie ist es eine gute Anfangslektion. Bitte, beachten Sie die Ehrlichkeit, mit der der Mann seine fünfzig Millionen aus dem Steuerbeutel der New Yorker gestohlen hat. Keine Intriguen wie in der alten, verrotteten Welt, aus der Sie kommen, keine Heimlichkeiten, keine Hintertreppengemeinheiten. Alles offen und geradeaus, was man auf beiden Seiten des Wassers ›fair play‹ nennt. ›Ich greife in die Stadtkasse und hole mir eine Million heraus – ungezählt. Sie, Mister Schatzmeister, drücken die Augen zu und erhalten hierfür dreimalhunderttausend Dollars. Abgemacht?‹ sagt der eine. – ›Abgemacht!‹ sagt der andre. Das war die Formel für alle Geschäfte des großen Mannes, der New York bis gestern regierte. Möglich, daß er jetzt ins Zuchthaus wandert. Alle zwölf Jahre schüttelt sich das unglaublich faule Volk der wirklich achtbaren Leute, und das Geschmeiß fällt ab. Wahrscheinlicher ist aber, daß er das Geschäft nach einigen Monaten wieder aufnimmt. Ein andrer, wenn nicht er, tut es sicher.«

      Ich erzählte, was ich mit Olcott in Washington vereinbart hatte.

      »Sehr schön,« sagte Longstreet, »für einen Anfang sogar recht brav gemacht! – Olcott? – Olcott? – Ich erinnere mich des Namens. – Major, wissen Sie, wo wir einem Olcott begegnet sind?«

      »Wenn es der Artilleriehauptmann ist, der uns bei Chattanooga gegenüberstand,« sagte Owen, »so ist es wenigstens ein braver Soldat. Der Mann stand bei seinen zerschossenen Kanonen, bis der letzte Artillerist am Boden lag. James Olcott. Ich ließ mir den Namen von ein paar Gefangenen sagen, die zu seiner Batterie gehört hatten. Er selber entwischte uns schließlich doch.«

      »James Olcott!« rief ich erfreut, »das stimmt! Da glauben Sie wohl auch, daß ich an den richtigen Mann geraten bin, der unsre Sache ehrlich vertreten wird?«

      »Was das betrifft,« meinte Longstreet gedehnt, »warten wir's ab! Bei Chattanooga hätte ich dem Mann mein Vermögen samt Weib und Kind anvertraut, in Washington würde ich keinen roten Cent an ihn wagen. Für den Augenblick hilft uns Ihr Freund jedenfalls nichts. Sie müssen sich entscheiden: entweder bleibt der Pflug unter Zollverschluß, bis der Kongreß zu einer Entscheidung kommt – das mag sechs Wochen dauern oder sechs Monate oder sechs Jahre, kein Mensch kann es wissen – oder Sie entschließen sich, die 4200 Dollars zu zahlen. Einen dritten Ausweg sehe ich nicht, wenn Sie dem Zolldirektor keinen Privatbesuch machen mögen. Was wollen Sie tun?«

      »Aber so viel Geld habe ich nicht hier«, bemerkte ich sorgenvoll.

      »Natürlich, doch das ist einfach!« tröstete Longstreet. »Ein Wechsel auf Ihre Freunde in London regelt die Sache in drei Minuten.«

      Kapitän Owens rosiges Gesicht sah zu der sich leise öffnenden Tür herein:

      »Kann Sie Mister Lawrence sprechen, General? Der Bruder des Mister Lawrence von der Magnoliaplantage. Es betrifft den Dampfpflug.«

      »Sicherlich!« rief Longstreet fröhlich. »Wie geht es Ihnen, Mister Lawrence?« Mister Lawrence stand nämlich schon mitten im Zimmer, den Hut auf dem Hinterkopf, beide Hände auf dem Knotenstock, die stämmigen Beinchen ausgespreizt wie eine kleine Kopie des Kolosses von Rhodos, und lächelte uns der Reihe nach verständnisvoll an.

      »Wie geht es Ihnen, General?« rief er eifrig. »Ich bin Mister Lawrences Bruder von Magnoliaplantage, Plagueminegrafschaft; Sie wissen, General? Ein guter Südländer in der Zeit der Sezession. Aber wir müssen mit den Wölfen heulen und schließlich auch dampfpflügen, wenn unsre farbigen Herren es wünschen. Übrigens bin ich im Ausschuß der Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana und habe Ihnen einen Vorschlag zu machen.«

      »Was, sind Sie noch nicht bankrott?« fragte Longstreet verwundert.

      »Die Landwirtschaftsgesellschaft? Noch nicht, im Gegenteil! Wir haben bloß kein Geld. Aber hier, dieser Gentleman aus der Alten Welt hat mir eine Idee eingegeben, aus der sich etwas machen läßt. Wir haben unsern Ausstellungspark vor der Stadt, einen prächtigen Platz. Die Herren Owen kennen ihn; Rennbahn, Tribüne, alles. Wir machen den nötigen Lärm, dafür lassen Sie mich sorgen. Herr Eyth läßt dort seinen Dampfpflug laufen, und die ganze Welt strömt zusammen, das Weltwunder anzustaunen. Überall hört man vom Dampfpflug; kein Mensch hat das Ding je gesehen. Das muß ziehen. Die Landwirtschaftsgesellschaft nimmt das Eintrittsgeld; Sie, General, haben die Ehre, den Süden zum zweitenmal zu retten; das heißt« – Lawrence wurde sichtlich verlegen – »das heißt zum erstenmal, und Mister Eyth verkauft ungezählte Apparate an die Yankees, die unsre Plantagen in Besitz genommen haben und nicht wissen, was sie jetzt weiter tun sollen.«

      »Und die Kosten?« fragte ich nicht ganz ohne Bedenken, obgleich Lawrences Plan wie ein Lichtstrahl in das zweifelhafte Dunkel fiel, in dem ich bis jetzt gelebt hatte. Denn auch ich wußte kaum, wie ich weiterkommen sollte. »Es kostet ein rundes Sümmchen, Herr Lawrence, den großen Apparat, sagen wir, eine Woche lang auf Ihrem Ausstellungsplatz in Gang zu erhalten.«

      »Ganz einfach!« sprudelte mein neuer Freund. »Die Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana schreibt einen glänzenden Preis für den besten

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