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Freunde das Land. Im übrigen soll mich das alles wenig kümmern, wenn ich in ein paar Tagen meinen Dampfpflug zwischen die Finger bekomme. Dann sollen die Herren Amerikaner schon die Augen aufmachen.«

      »Na, na!« machte der Oberst, in dessen Seele der Stolz des werdenden Yankees mit dem Ärger, in Amerika zu sein, in fortwährendem Kampfe lag. Wir hatten, wie es die Unsitte des Landes will, halb deutsch, halb englisch gesprochen und kaum bemerkt, daß sich auch am Nachbartisch jemand niedergelassen und zu frühstücken begonnen hatte: ein älterer, gutmütig aussehender Herr mit einem furchtbaren Knotenstock.

      »Na, na!« sagte auch der neue Gast, sichtlich bestrebt, deutsch zu sprechen, fuhr aber dann sogleich auf englisch fort: »Entschuldigen Sie mich, Gentlemen; ich bin Mister Lawrences Bruder; Mister Lawrence, Magnoliaplantage, Plagueminegrafschaft, Louisiana – Sie kennen ihn?« –

      Wir kannten nichts von all dem, glaubten ihm aber aufs Wort. Der Mann hatte ein so ehrliches, zutrauliches Aussehen, nahm seinen Knotenstock, ein wunderbares Naturerzeugnis, zwischen die Knie, stützte sein Kinn darauf und sah uns freundlich an.

      »Dampfpflüge!« fuhr er nach einer Pause fort, »Dampfpflüge – das interessiert mich. Wir haben in diesem großen Land Dampfpflüge in Menge. In Vicksburg läuft einer seit drei Jahren – in Cincinnati – in Chikago –«

      »Mein lieber Herr!« sagte ich etwas erregt, denn er hatte mich an einer wunden Stelle berührt, »das geht nicht! Ich bin noch nicht lange in Ihrem großen und ruhmgekrönten Land, aber eins weiß ich: den amerikanischen Dampfpflug, von dem mir jedermann erzählt, hat noch niemand gesehen. Haben Sie ihn schon gesehen?«

      »In Baltimore ist einer,« fuhr Herrn Lawrences Bruder ausweichend, aber eifrig fort, »in Saint Louis hat erst vor wenig Wochen ein außerordentlich talentvoller Milchhändler einen Pflug erfunden, der mit dem Wind segelt. Warten Sie ein wenig; sehen Sie, hier!« – Er zog aus seinem geräumigen Rock ein großes, blaues Heft hervor, nachdem er sechs kleine Tüten, die mit Zuckerproben gefüllt waren, auf den Tisch gelegt hatte. Das blaue Heft enthielt zahllose, in kreuz und quer eingeklebte Zeitungsausschnitte, unter denen er eifrig nach dem gewünschten segelnden Pflug suchte.

      »Haben Sie ihn gesehen?« fragte ich hartnäckig. »Nein? – Nun will ich Ihnen erzählen, wie es mir in diesem großen und erleuchteten Land damit ging. Auf der Überfahrt von Liverpool nach Boston sagte mir die ganze Schiffsgesellschaft, soweit sie amerikanisch war, daß es bei ihnen von Dampfpflügen wimmeln müsse. Ein Herr aus Boston meinte, in seiner Vaterstadt seien allein drei, wahrscheinlich in vollem Gang, denn er erinnere sich, schon als Schuljunge davon gehört zu haben. Ich hielt mich zwei Tage auf, um sie zu finden. Niemand wußte etwas davon. Aber in Philadelphia sei ein blühendes Geschäft, das sie fabriziere. Ich interessiere mich ein wenig dafür; es ist mein Handwerk. Ich gehe also nach Philadelphia und finde mit Müh' und Not die Adresse eines Herrn in New York, der einmal mit einem englischen Geschäft korrespondiert habe, um sich einen kommen zu lassen. Es wurde nichts daraus wegen des hohen Eingangszolls. Aber in Cincinnati sei ein Mister Fox; der mache amerikanische Dampfpflüge, hauptsächlich fürs Präriepflügen, höre ich in der Metropole der Welt. Ich gehe nach Cincinnati. Mister Fox war tot. In einem Schuppen fand ich eine alte Straßenlokomotive, die seiner armen Schwester gehörte und aussah, als ob sie Noah gebaut hätte. Pflüge wolle ich sehen? Nein, das sei nicht zum Pflügen; das sei ein Lastwagen mit Dampfbetrieb, erklärte mir die Schwester. Aber in Chikago: dort werden für die Maisfelder von Illinois Hunderte von Dampfpflügen gebaut. Ich war auf dem Weg nach dem Süden, aber ich ließ mich's nicht verdrießen: ich gehe nach Chikago. Die Firma Thompson & Smith, von der ich in Cincinnati gehört hatte, war bankrott. Einen Dampfpflug habe sie nie gebaut. Dagegen habe allerdings Mister Thompson einen erfunden, der zehn Morgen in drei Minuten aufbreche. Nur der Bankrott sei ungeschickterweise dazwischen gekommen, die epochemachende Erfindung auszuführen. Jetzt sei er in Kalifornien, um das Geschäft fortzusetzen. Dort werde eigentlich nur noch mit amerikanischen Dampfpflügen gearbeitet. So werde es in Louisiana wahrscheinlich auch sein, namentlich in New Orleans, seitdem die Sklavenarbeit aufgehört habe. Hier bin ich jetzt, Mister Lawrence,« schloß ich, ganz warm von meinem Bericht, »und Sie schicken mich nach Vicksburg. Bei Gott, es ist ein großes Land, Ihr Amerika! Aber die Geschichte von seinen Dampfpflügen fängt an, etwas monoton zu werden.«

      Lawrence tat, als ob er mir nicht zugehört hätte, und suchte eifrig in seinem blauen Heft.

      »Sehen Sie hier!« rief er triumphierend. »Vicksburg, den 2. November 1866 – na nu! Das ist eigentlich etwas andres, aber nicht weniger interessant, und zeigt Ihnen, was unsre Erfinder leisten. Ein Land mit solchen geistigen Kräften ist nicht umzubringen, darauf können Sie wetten! Hören Sie zu. ›Vicksburg, den 2. November. Wir vernehmen mit Vergnügen, daß es einem unsrer Mitbürger, einem genialen jungen Erfinder, Mr. Hodgekiß, nach langem Studium und kostspieligen Versuchen gelungen ist, einen Dampfneger zu konstruieren. Derselbe kann bereits Holz sägen, Maiskolben raspeln und Zuckerrohr kauen. In der gegenwärtigen verzweifelten Lage unsers Südens ist diese Erfindung von der höchsten Bedeutung. Der Neger ist gegen ein Eintrittsgeld von 5 °Cents zu New York, 218 Fultonstreet, zu sehen. Der geniale Erfinder ist nunmehr eifrig damit beschäftigt, auch ein Dampfmaultier anzufertigen, teilt uns jedoch in der liebenswürdigsten Weise mit, daß dies eine sehr viel schwierigere Aufgabe sei als die von ihm bereits glücklich gelöste. Es wird dies jedermann, auch der Nicht-Techniker, begreifen, wenn man bedenkt, daß ein Maultier gewöhnlich vier artikulierte Beine in Bewegung setzen muß, während der Neger nur zweibeinig ist. Mr. Hodgekiß ist übrigens noch nicht zweiundzwanzig Jahre alt und im Begriff, sich mit der reizenden Miß Evelin Sharp aus Warrenton zu verheiraten. Er geht mit dem Plane um, auf Grund seiner Erfindungen eine Dampfneger- und – maultier-Aktiengesellschaft mit beschränkter Haftpflicht zu gründen, worauf wir Kapitalisten und Freunde der Regeneration des Südens besonders aufmerksam machen.‹«

      »Wieviel Aktien haben Sie genommen?« fragte Oberst von Schmettkow Herrn Lawrence, der sich siegreich umsah.

      »Vorläufig noch keine«, sagte Lawrence, ohne eine Miene zu verziehen. »Mein Bruder befindet sich augenblicklich im Norden und will sich den Neger erst ansehen. Das ist jetzt nicht mehr so einfach als früher. Sie wissen, mein Bruder ist ein vortrefflicher Geschäftsmann und läßt sich nicht leicht einseifen. Man muß sich mit den Yankees in acht nehmen. Auch in der guten alten Zeit haben wir keine Neger gekauft, ohne sie anzusehen. Und wenn Sie uns Ihren Dampfpflug zeigen, wer weiß, dann läßt mein Bruder am Ende den Dampfneger fahren und läuft Ihnen nach. Es sollte mich freuen, Mister – Mister – wie heißen Sie?«

      Ich befriedigte seine Neugierde.

      Wir schüttelten uns heftig die Hände, während ich mich zum Fortgehen anschickte. »Mister Lawrences Bruder« gefiel mir, obgleich mir noch nicht ganz klar war, was ich aus ihm machen sollte. Jedenfalls war er ein lebender Beweis der Zuträglichkeit des Klimas von Louisiana, über das man mir in der Ferne viel Böses gesagt hatte. Sein breites Gesicht lachte harmlos, seine Äuglein blinzelten listig hinter den roten Wangen und unter den struppigen weißen Augenbrauen. Ein kindlicher Glaube an die unbegrenzten Möglichkeiten des menschlichen Fortschritts schien der leitende Gedanke, die Poesie seines Lebens zu sein und ihn häufig, nach Art der Poesie, in etwas nebelhafte Regionen zu entführen. Wenn jedoch von Dollars die Rede war, hatte er plötzlich festen Grund unter den Füßen. Er hoffte, mich wieder zu sehen. Wenn mein Dampfpflug ankäme, wolle er der erste sein, der seinen Ruhm in der Crescent City verkündige. Und seinen Bruder wolle er mitbringen! »Sie wissen, wir haben dreitausend Acker Land in Zucker. Das ist kein Kinderspiel ein Jahr nach dem Krieg, wenn alles die Arme hängen läßt und die verfluchten Reisesäckler1 dem Süden den letzten Blutstropfen aussaugen. – General Longstreet, sagten Sie? Sie gehen zu General Longstreet? Das ist ein Mann, wie er sein soll, Mister Eyth, unser bester Soldat und heute der ehrlichste Baumwollmakler in ganz Louisiana. Ich werde Sie begleiten. Es ist mir eine Ehre, Sie zu General Longstreet zu begleiten.«

      »Passen Sie auf!« flüsterte mir Schmettkow zu, der sich's zur Lebensaufgabe gemacht zu haben schien, mich vor den üblichen Gefahren des Landes zu schützen.

      Dann gingen wir in die glühende Helle der Kanalstraße hinaus.

      2. Eine Generalversammlung

      Die

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Carpet-baggers – politische Intriganten, die nach der Sklavenbefreiung aus den Nordstaaten in die Südstaaten reisten, um dort im Trüben zu fischen.