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mit Fäusten auf sie einzuschlagen.“

      „Ja, der drischt wundervoll,“ sagte Bulba und trat zurück. „Bei Gott, das hat er fein raus,“ fuhr er fort, indem er sich etwas verschnaufte, „es wäre beinahe besser gewesen, ihn nicht erst in Versuchung zu bringen. Das gibt mal einen prachtvollen Kosaken. Ausgezeichnet, mein Junge, und jetzt wollen wir uns endlich ein paar ordentliche Küsse geben.“ Und Vater und Sohn küßten sich. „Brav, mein Junge! Prügle nur jeden so durch, wie eben mich! Laß dir nichts gefallen. Aber Dein Anzug ist wirklich ein bißchen komisch. Was baumelt denn da herunter? – Na und du? Was stehst du da und läßt die Arme hängen?“ wandte er sich an den Jüngeren. „Warum drischst du nicht auch auf mich los, du Hundsfott?“

      „Das ist wieder ein echter Einfall von dir,“ sagte die Mutter und umarmte den Jüngeren. „Wie einem nur so etwas in den Kopf kommen kann! Das eigene Kind soll seinen Vater prügeln! Ja, als ob jetzt Zeit dazu wäre, wo das arme Kind eben einen so weiten Weg zurückgelegt hat und noch ganz müde ist – (das Kind war über zwanzig Jahre alt und genau einen Klafter groß) – Es müßte sich jetzt ausruhen und etwas essen. Und du zwingst ihn, sich mit dir herumzuschlagen.“

      „Na, du bist mir der Rechte, das sehe ich schon,“ sagte Bulba. „Höre nicht auf ihre Reden, mein Junge, sie ist ein Weib und versteht nichts davon. Solch eine Verzärtelung! Das weite Feld und ein gutes Pferd – das ist eure Erholung! Hm, seht ihr diesen Säbel? Das ist eure rechte Mutter! Das ist alles Schund, was man euch in die Köpfe gestopft hat: die Akademien, die Bücher, die Fibeln, die Philosophie und dieser ganze gelehrte Kram – ich pfeife auf das alles!“ (Hier bediente sich Bulba eines Wortes, das sich nicht gut drucken läßt.)

      „Na, es ist schon das beste, ich bringe euch nächste Woche gleich zu den Saporoger Kosaken. Das ist eine Wissenschaft, das ist die wahre Wissenschaft und die richtige Schule für euch. Dort werdet ihr erst zu Verstande kommen!“

      „Was, nur eine Woche sollen sie hier bleiben?“ jammerte die alte, dürre Mutter mit Tränen in den Augen, „die Armen sollen sich nicht einmal ein bißchen erholen können, nicht das Vaterhaus kennen lernen, und ich werde mich nicht einmal richtig satt sehen können an ihnen!“

      „Genug, genug, hör auf zu heulen, Alte! Der Kosak ist nicht dazu da, sich mit Weibern herumzuplacken. Du möchtest sie dir wohl am liebsten unter den Rock stecken? und auf ihnen herumsitzen wie auf Hühnereiern! Schnell, schnell, geh und deck den Tisch und bring uns, was da ist. Plätzchen, Honigkuchen, Mohnstritzel und ähnliche Kindereien kannst du dir schenken! Schaff lieber einen ganzen Hammel heran und eine Ziege, und vierzigjährigen Meth dazu. Und recht viel Schnaps, aber keinen mit allerlei Unfug, mit allerhand Zusätzen, Rosinen und ähnlichen Geschichten, sondern einen unverfälschten, prickelnden, schäumenden Schnaps, der einen brennt wie toll.“

      Und Bulba führte seine Söhne in die gute Stube, aus der bei ihrem Eintritt zwei hübsche Dienstmädchen mit goldfarbenen Halsbändern herausliefen, die gerade die Zimmer aufräumten. Anscheinend waren sie über die Ankunft ihrer jungen Herren, denen man nicht gerade übertriebene Freundlichkeit nachsagte, erschrocken, oder sie wollten nach Weiberart, aufschreien, den fremden Männern entfliehen und sich lange schamhaft mit dem Ärmel die Augen verdecken. Die Stube war im Geschmack jener Zeit ausgestattet, an die sich nur noch in den Balladen und Volksliedern, wie sie früher in der Ukraine vor versammeltem Volk von blinden Greisen zu den stillen Klängen der Bandura gesungen wurden, eine lebendige Erinnerung erhalten hatte im Geschmack jener kampflustigen, rauhen Zeit, da in der Ukraine die Gefechte und Schlachten gegen die Union begannen. Alles war sauber und mit farbigem Ton bestrichen. An den Wänden hingen Säbel, Peitschen, Vogel- und Fischnetze, Waffen, ein schön gearbeitetes Pulverhorn, ein goldener Zaum und Zügel mit silbernen Beschlägen. Die Fenster dieser Stube waren klein, mit runden, trüben Scheiben, wie man sie wohl in alten Kirchen antrifft, und durch die man nur hindurch schauen kann, wenn man die eine bewegliche Scheibe hinwegschiebt. Fenster und Türen hatten rote Vorhänge. In den Ecken standen Krüge, große und kleine Flaschen aus grünem und blauen Glase, ziselierte silberne Becher, vergoldete Tassen von mannigfaltigster Arbeit: venezianische, türkische und tscherkessische, die auf mancherlei Wegen, aus dritter und vierter Hand, wie es in jenen tollen Zeiten üblich war, in die Stube des alten Bulba gelangt waren. Stühle aus Birkenholz standen ringsum an den Wänden, in der Vorderecke unter den Heiligenbildern ein ungeheurer Tisch, ferner ein breiter Ofen mit Stufen, Vorsprüngen und bunten farbigen Kacheln – das alles war unsern beiden tapfern Jünglingen wohlbekannt, die alljährlich während der Ferien nach Hause wanderten – wobei sie ihre Füße gebrauchen mußten, weil sie noch keine Pferde hatten, und da es zu jener Zeit noch nicht Sitte war, daß Schüler ritten. Sie hatten noch lange, flatternde Mähnen, an denen sie jeder waffentragende Kosak packen durfte. Erst nach ihrer Entlassung aus der Schule hatte ihnen Bulba ein paar junge Hengste aus seiner Herde geschickt.

      Zur Feier der Ankunft seiner Söhne ließ Bulba alle anwesenden Hauptleute und Regimentskommandeure versammeln, und als zwei von ihnen sowie der Unterhetman Dmitro Towkatsch, sein alter Kampfgenosse, erschienen, stellte er ihnen sofort seine Söhne vor und sagte: „Seht euch mal die tapfren Jungens an! Ich will sie bald nach der Sjetsch schicken.“ Die Gäste beglückwünschten Bulba und die beiden jungen Leute, und versicherten ihnen, daß das wohlgetan wäre, es gäbe für einen jungen Mann überhaupt keine bessere Schule als die Saporoger Sjetsch.

      „Nun Brüder, nehmt alle am Tisch Platz. Da, wo es jedem am bequemsten ist. Und jetzt, meine Jungens, wollen wir vor allen Dingen einen Schnaps trinken,“ sagte Bulba. „Gott segne euch! Bleibt gesund, Kinder. Dein Wohl Ostap und deins Andrij. Gott gebe, daß ihr in der Schlacht immer Sieger bleibt, daß ihr alle Heiden, die Türken und die Tataren vernichtet, und wenn die Polen unsern Glauben antasten wollen, so gebt es auch ihnen ordentlich! Gib mal dein Glas her! He, der Schnaps ist gut? Wie heißt eigentlich Schnaps auf lateinisch? Ja, ja, das waren alles Dummköpfe, die Lateiner, die wußten nicht einmal, daß es Schnaps auf der Erde gibt. Wie hieß doch der, der lateinische Verse geschrieben hat. Ich kann nicht viel lesen und schreiben, und weiß es darum nicht mehr recht … Horaz, hieß er nicht Horaz?“

      „Sieh mal einer den Vater an,“ dachte der ältere Bruder Ostap, „der alte Mops weiß alles und verstellt sich so.“

      „Ich mein’, der Archimandrit hat euch nicht einmal Schnaps zu riechen gegeben,“ fuhr Taraß fort, „aber gesteht mal Jungens, man hat euch doch den Rücken und alles, was ein Kosak sonst noch hat, tüchtig mit Birken- und frischen Kirschenruten bestrichen? Oder hat’s wohl gar Peitschenhiebe gegeben, da ihr mir schon gar zu klug zu sein scheint. Man hat euch wohl nicht nur Sonnabends, sondern auch am Mittwoch und Donnerstag damit regaliert?“

      „Laß das doch, Vater“, sagte Ostap kaltblütig, „was geschehen ist, ist geschehen.“

      „Mag’s doch jetzt mal einer versuchen!“ sagte Andrij, „er soll nur kommen, und uns anrühren; wenn mir so ein Tatarenkerl in den Weg käme, der sollte schon erfahren, was ein Kosakensäbel für ein Ding ist.“

      „Brav, Söhnchen, brav, bei Gott. Wenn die Sache so steht, so fahre ich selbst mit euch. Bei Gott, das tu ich. Was zum Teufel, soll ich denn hier sitzen und warten? Soll ich etwa Buchweizen säen, nach den Schafen und Schweinen schauen, den Hauswirt spielen oder gar mit meinem Weib schön tun? Der Teufel soll sie holen, ich bin ein Kosak und mache solche Dinge nicht! Was macht’s, daß es jetzt keinen Krieg gibt! Ich gehe mit euch zu den Saporogern – ich will mich dort ein wenig austoben. Bei Gott, ich fahre mit.“

      Und der alte Bulba regte sich immer mehr und mehr auf, und geriet endlich vollkommen in Zorn, stand auf, stampfte mit dem Fuß und nahm eine energische Haltung an. „Morgen geht’s los. Wozu sollen wir es aufschieben! Welchen Feind können wir denn hier abfangen? Was soll mir diese Hütte? Wozu brauchen wir das alles? Wozu sind diese Töpfe?“ Und bei diesen Worten nahm er die Töpfe und Flaschen, warf sie auf den Boden und zertrümmerte sie. Die arme alte Frau, die an dies Benehmen ihres Mannes schon gewöhnt war, saß auf der Bank und sah traurig vor sich hin. Sie wagte nichts zu sagen: als sie jedoch von dem schrecklichen Entschluß ihres Mannes hörte, konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten; sie sah ihre Kinder an, von denen sie sich so schnell trennen sollte – und niemand hätte wohl die ganze stumme verhaltene Kraft ihres Kummers beschreiben können, der, wie es schien, in ihren

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