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es schien, als wolle es sich bald aufklären und Heuwetter werden.

      — — Der Per Hansen fühlte, als der Nachbar näher kam, so deutlich: der hätte gerade jetzt nicht kommen sollen — nein, nicht gerade jetzt! Und es fehlte die gewohnte Unbefangenheit, als er ihn begrüßte:

      »Bist schon so früh unterwegs?«

      »Ja, auch du bist zeitig auf den Beinen, sehe ich. Dacht‘ es mir schon und wollte noch mit dir reden. Du willst sie also suchen?«

      Der Per Hansen sah vor sich hin und antwortete erst nach einer Weile:

      »Einer muß doch wohl reiten. — Es ist das beste, du eilst dich mit der Mahd, daß wir sie hinter uns bringen. Ich versteh mich halt wenig auf solches Gerät.«

      »Ich weiß, du bist geschwinder auf solcher Fahrt als ich; drum ist‘s vielleicht das beste, es geschieht nach deinen Worten. — Weißt du, was die Sörrina mir gestern abend erzählte?«

      Der Per Hansen antwortete nicht, war just nicht aufgelegt zum Rätselraten. Er sah den Nachbar an, sein Denken aber kreiste um die Hütte. — Sie hörte sie wohl sprechen? Ob sie nicht herauskam?

      »Ja, siehst du, die Sörrina hat die Kuh im Verdacht, seit gestern morgen stiertoll zu sein!«

      Der Per Hansen kam mit einem gewaltigen Ruck zur Wirklichkeit zurück: »Nein, was du nicht sagst, Hans Olsen!«

      »Ja, das also erzählte mir die Sörrina! Die Kuh ist doch nicht etwa darauf verfallen, nach Filmore zurückzutraben und die andern mitzunehmen? — Das war‘s, was mir heute nacht so beiläufig einfiel, und ich meint‘ halt, ich müsse es sogleich mit dir bereden.«

      Ja, das war denn doch eine verständigere Lösung als dem Sam sein Gefasel! Der Per Hansen hatte plötzlich alles Herzeleid vergessen, er lachte geradezu bubenhaft ausgelassen.

      »Ho ho! Die ist also ins Dorf, deine Kuh, und hat die andern mit in Versuchung und Sünde gelockt!«

      »Ja, wer weiß?«

      »Ho, da sagst du etwas Gescheites!« Der Per Hansen band das Pferd los und sprang rasch in den Sattel: »Jaja, ich mußt‘ heut nacht an die Trönder denken, und jetzt reite ich dorthin. — Es ist ungewiß, wann du mich wiedersiehst; schau derweil für mich nach dem Rechten.« Er hielt noch einen Augenblick, warf einen Blick auf die Hütte und sagte leise: »Schick unbedingt heut abend die Sörrina her; und eil dich mit der Mahd, — es klärt bald auf!«

      Er ritt ans Haus, um die Türseite herum, hielt einen Augenblick, räusperte sich, lauschte und ritt dann seines Weges.

      An das Ostfenster preßte sich ein Frauengesicht, rotgeweint, und sah ihn in dem blaugrauen Tag immer kleiner werden, zuletzt verschwinden. Ihr kam es so vor, als sinke er immer tiefer in den Boden; das Blaugraue hob sich und überspülte ihn.

      Bald wußten alle, daß der Per Hansen auf der Suche nach den Kühen war, und wußten sich dabei zu beruhigen. Sein Pony ging leicht und war ausdauernd; den andern wäre der Ritt jetzt wenig gelegen gewesen; sie wollten abwarten, wie es mit ihm ablief.

      Nicht etwa so zu verstehen, als hätte sich Tönset‘n etwas von Per Hansens Vorhaben versprochen. Er hatte die ganze Nacht vergrübelt, die Kjersti ausgefragt, wie die Kühe sich beim Kommen der Indianer verhalten hätten, und war des Morgens aufgestanden in der unerschütterlichen Überzeugung, daß der Sam des Rätsels Lösung gefunden habe. Für Tönset‘n gab es nur die Frage, wie sie ohne Blutvergießen und Krieg zu den Tieren gelangten. Als er hörte, der Per Hansen sei zu den Tröndern geritten, war er außer sich. Daß der Hans Olsen auch davon nicht abgeraten hatte! Ja, er war geradezu zornig auf den Per Hansen. Der war also gar nicht der mutige Kerl, für den er sich ausgab! Begriff der denn nicht, daß er die Verantwortung für das Finden der Kühe trug? Er war mit dem Raubgesindel gut Freund geworden, hatte sie verhätschelt, statt sie dahin zurückzujagen, wo sie hergekommen waren; hatte sogar Geschenke von ihnen angenommen! Was vertrödelte er die Zeit mit Schmausen bei den Tröndern am Sioux? Die Kühe mußten sie zurück haben und zwar sofort!

      — — Tönset‘n hielt mit seiner üblen Laune nicht hinter dem Berge.

      Die Mißstimmung drückte übrigens alle; jeder tat seine Arbeit, die Augen waren aber woanders.

      Der Abend brachte weder den Per Hansen noch die Kühe. Man spürte nicht Lust, sich schlafen zu legen; man schaute aus, wartete. Hans Olsens ganzer Hausstand saß bei der Beret; Tönset‘n und die Kjersti kamen auch herzu, nachdem sie erst beim Hans hineingeschaut und keine Menschenseele angetroffen hatten. Die Solumbuben fanden es auch nicht spaßig, daheim zu bleiben, und kamen gleichfalls. — — Aber auch bei Per Hansen fehlte die rechte Gemütlichkeit. Die Beret schaffte so wortkarg und abwesend und dabei so wunderlich ruhig, als ginge sie das alles gar nichts an.

      Als sie sich aber anschickten zu gehen, sagte sie gelassen, gleichsam grübelnd und wie zu sich selber: »Ich kann das nicht begreifen! Jetzt ist es Nacht; und der Per Hansen tummelt sich draußen in der Endlosigkeit allein herum! Und hier schwätzen vier Männer die Zeit fort? Es ist doch wohl ebensosehr ihr Vieh, wie das seine. Nein, ich begreife es nicht.«

      Sie sah niemanden dabei an. Ihre Worte schwebten durch die Stube; niemand äußerte etwas dazu, — es war auch nicht leicht, eine Antwort darauf zu finden; aber das Unbehagen wurde dadurch nicht geringer.— —

      Als die andern gegangen waren, verhängte sie die Fenster, dicht und verläßlich. Sie konnte sich nicht legen, solange alles da draußen zu ihr hereinstarrte. — Die große Lade zog sie vor die Tür.

      XIII

      Am nächsten Tage waren die Buben nicht vom Dach herunterzubekommen; sie waren gleich nach dem Frühstück hinaufgeklettert. Der Vormittag verging; es wurde Mittag. Der Ole kam zwar zum Essen herunter, aber der Große-Hans blieb oben. Der Mutter erschien das verständlich, sie ließ ihn gewähren. Es wurde Vesper, und noch war nichts zu sehen.

      Da ließ sich plötzlich vom Dach her eifriges Unterhandeln vernehmen, und der Ole rief mit lauter Stimme herunter:

      »Jetzt — jetzt kommt der Vater! ja, dort kommt er!« — —

      »Und die Kühe hat er mit!« Das rief der Große-Hans.

      »Wir müssen‘s sogleich den andern erzählen!« sagte der Ole. »Aber zu allererst der Mutter!« sagte der Große-Hans; er hatte schon vergessen, daß sie ihr die Nachricht soeben zugebrüllt hatten. Die Buben rutschten mit Windeseile vom Dach, rissen die Tür auf, sagten beide im gleichen Atem, jetzt komme der Vater, sausten davon. Zuerst zum Hans Olsen, dann zu Tönset‘n und schließlich nach Norden zu den Solumbuben. Auf jeder Stelle dieselbe Nachricht: »Jetzt kommt der Vater!« — das war der Ole. »Und die Kühe hat er mit!« — das war der Große-Hans.

      Und wirklich: dort kam der Per Hansen auf dem Pony und trieb alle Kühe vor sich her. Sobald der Zug deutlicher sichtbar wurde, überzählte man die Kühe. — — Das war doch aber sonderbar? Sahen sie etwa doppelt? — Und man zählte noch einmal; und das Ergebnis blieb dasselbe: jeder bekam eine Kuh zuviel heraus! Vier sollten es sein, und dort trabten fünf, ein Irrtum war nicht möglich! Sie kamen aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur — der Per Hansen auf dem Pony als letzte!

      Als die Leute sich sattgesehen, begab sich jede Menschenseele ganz selbstverständlich zu Per Hansens Gamme. Ein jeder wollte zu seiner Kuh; und alle wollten erfahren, wo er diese beiden Tage zugebracht, und insbesondere: Was hatte es mit der fünften Kuh auf sich?

      Der letzte Punkt wurde zuerst aufgeklärt; ehe noch der Zug dicht herankam, erkannten sie, daß die fünfte Kuh gar keine Kuh war! Nein, keine Kuh, sondern ein einjähriger Stier.

      Der Per Hansen auf dem Pony war fast nicht wiederzuerkennen; das Gesicht war arg bestaubt und von dem ständig rinnendem Schweiß ganz streifig. Zu allererst jedoch sahen sie etwas, was er vor der Brust hängen hatte, etwas, was gewissermaßen einer Art Spind ähnelte. Du lieber Himmel, war das nicht ein Vogelbauer aus Latten gezimmert? Und innen drin ein Hahn mit zwei Hennen! —

      Auch die Beret stand vor der Tür; sie

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