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wollten, brauchten sie welches. Und verwundert bedachte sie, wieviel doch der Per Hansen zu überlegen und zu betreuen habe; aber sie fühlte doch auch eine gewisse Bitterkeit, weil er ihr nichts gesagt. — Winterholz? Ja freilich brauchten sie Holz zum Winter! —

      Die Sörine merkte, daß die Nachbarin heute abend nur gerade noch die allerletzte Beherztheit aufzubringen vermochte. Gewiß war es trübselig für sie, drüben im Wagen allein zu liegen. Beim Aufbruch der Gäste erhob sich auch die Sörine, nahm die Tochter mit und begleitete die andern bis zum Wagen. Sie plauderten fröhlich auf dem ganzen Weg, — — und daher war für die Beret an diesem Abend auch kein Ring zu übersteigen! —

      Erst am dritten Tag um die Mittagszeit kamen die zwei Mannsleut wieder heim, mit einer Fuhre so groß, daß die Ochsen sie kaum den Hügel hinaufziehen konnten. — Und es war die reine Märchenfuhre! Ein Dachfirst war da und Pfetten und Sparren. Zu unterst aber lagen sechs Bündel Bäumchen, die Kronen beschnitten und die Wurzelenden sorglich in Erde und Borke gehüllt. »Das hier, das soll ums Haus gepflanzt werden!« erläuterte der Große-Hans. »Und kannst du raten, Mutter, was es ist? Zwölf Pflaumenbäume, — die tragen große, große Pflaumen! Ein Mann hat uns davon erzählt.« Der Große-Hans verschluckte sich rein vor Eifer. Der Ole aber tat bei allem selbstverständlich; wozu waren die denn sonst gefahren!

      Und noch weit merkwürdigere Dinge enthielt die Fuhre. Hinten offenbarte sich, als der Vater ablud, eine Höhle, ungefähr so, als wäre dort eine Stube eingebaut. Da drin lagen zwei Säcke, — zwei Säcke voll von seltenen Dingen; in dem einen waren Fische; in dem anderen lag ein ganzes geschlachtetes und gehäutetes Kalb, — wenigstens hielt der Ole es dafür und wollte wissen, wo sie denn das aufgetrieben hätten?

      »Kalb!« rief der Große-Hans. »Hö! Glaubst du etwa, das hier sei Kalb?«

      Aber da zwinkerte der Per Hansen dem Reisekameraden zu: es sei vielleicht ratsam, jetzt nicht mehr zu sagen — nicht gerad jetzt!

      Und da stand nun der Große-Hans zum Platzen voll von den seltsamsten Geheimnissen.

      Die Beret nahm all die Herrlichkeiten still und staunend entgegen; sie war so herzensfroh, daß sie wieder alle um sich hatte, daß sie laut hätte weinen mögen; sie streichelte die Ochsen und flüsterte ihnen zu, sie seien tüchtige Kerle, daß sie eine so große Fuhre hätten heimziehen können.

      »Well,« sagte der Per Hansen, als er endlich abgeladen hatte, »ich und der Große-Hans beabsichtigten sozusagen zu Mittag frische Fische zu schmausen, auf rechte Nordlandsweise gekocht, mit Suppe und allem Zubehör, — und wir haben fast uns und die Ochsen zuschanden gefahren, um rechtzeitig herzukommen. Aber — was Kuckuck nehmen wir jetzt für Kochgerät, um sowohl die Fische wie auch das Wildbret darin aufzusetzen, du Beretmutter?« —

      An dem Tage war der Große-Hans nicht satt zu kriegen; es war, als hätte der Bub keinen Boden mehr. — Der Vater schickte ihn nach dem Mittagessen sofort ins Bett, und der Große-Hans war darüber auch gar nicht ungehalten. Es wurde Abend, und die Mutter versuchte, ihn wieder zum Leben zu erwecken, mußte es aber aufgeben; so weit, daß er im Bette saß, bekam sie ihn zwar, aber auch nicht weiter; dann warf er sich wieder hin und schlief wie ein Stein. —

      Diese Ausfahrt des Per Hansen erhielt für die neue Siedlung westlich am Spring Creek große Bedeutung.

      Da waren zunächst die Bäume, die er mitgebracht hatte und anpflanzte. Tönset‘n wollte in heller Begeisterung sogleich aufbrechen, sich auch welche zu holen; der Hans Olsen und die Solumbuben meinten jedoch, dazu sei es noch an der Zeit im Herbst, wenn sie ans Holzfahren müßten. So ging es zu, daß hier üppige Haine entstanden, ehe noch sonstwo dort in der Gegend ein Busch zu erblicken war. — Außerdem aber wurden sie mit den Tröndern östlich vom Sioux River bekannt. Hier in Amerika war es nämlich nicht wie auf dem Lofotmeer: hier hatten sie um nichts zu hadern, und Helgeländer Helgeland = Landschaft nördlich von Trondhjem. und Trönder wurden die besten Kameraden der Welt; jene bedurften der Hilfe, und diese waren mehr als willig, ihnen zur Hand zu gehen. — — Der Per Hansen borgte sich sofort bei dem Simon Baarstad einen Acre Waldland und hatte somit reichlich das Holz zur Verfügung, dessen er bedurfte.

      »Buntscheck! — Buntscheck!«

      I

      Die Vorräte schrumpften ein. Tüten und Säcke grinsten leer und hatten kaum noch etwas herzugeben. Man teilte miteinander, solange etwas da war; aber selbst beim Hans Olsen, bei dem doch alles so reichlich vorhanden gewesen, ging der Proviant auf die Neige. Bei den Mannsleuten war der Tabak so rar wie der Golddukaten. —

      Der Sommer war auch schon vorgeschritten, so daß man bald ans Heuen denken mußte; kurz, es blieb kein andrer Ausweg: sie mußten jetzt zur Stadt.

      Eines Sonntags also kamen die Männer zur Beratung zusammen. Eine Stadtreise war in jenen Tagen eine ernste Angelegenheit und mußte von Anfang bis Ende scharf durchdacht und genau geplant werden; die 70, 80 Meilen über unbewohntes Land waren eine eigne Sache — auf Hin- und Rückfahrt waren vier Tage mindestens zu rechnen, sogar mit Pferden. Schwieriger noch war es fast, in der Stadt auch wirklich alles Nötige zu erledigen; denn alles für das ganze kommende Vierteljahr mußte angeschafft werden, — Essen, Kleidung, Gerätschaft, soweit der Heller nur reichte. Und reichte er nicht, so mußten Auswege ersonnen werden. Noch war am Spring Creek niemand so weit, daß er etwas hätte feilbieten und in Waren oder Geld umsetzen können.

      Ein paar von den Männern mußten daheim bleiben; so manches konnte geschehen! Es war seltsam damit: niemand erwähnte es, niemand sprach davon; und doch war wohl keiner in der kleinen Siedlung, der sich hier draußen vollkommen sicher gefühlt hätte. Ein unerklärliches, unbestimmbares Grauen konnte sie ohne jeden Anlaß plötzlich befallen, sich als Ruhelosigkeit über sie wälzen, sie bei allem Tun und Lassen übervorsichtig und -empfindlich machen. Die Mannsleut wurden unter diesem Druck schweigsam und arbeiteten ihn sich von der Seele. Die Weiber befreiten sich von ihm durch Plaudern; oft sprachen sie dann übereifrig und lärmend. Nur wenige waren sich der eigentlichen Ursache bewußt, niemand hätte seine Befürchtungen zugegeben.

      Herre Gott! Mannes Macht war bisweilen wenig wert; das bekamen sie zu spüren! Ein rein ungeheuerliches Sturmwetter konnte aufziehen, — und so unbegreiflich jäh! Und die Sörine fürchtete sich so sehr vor den Stürmen. Erst vor einer Woche war Hans Olsens Zelt fortgerissen und die Sörine eingewickelt und mitgeschleppt worden, so daß sie fast erstickt wäre, obwohl der Hans Olsen das Seil über den Rücken gelegt und sich mit seiner ganzen Riesenkraft dagegengestemmt hatte. Er wurde mit weggefegt wie ein Flocken Wolle. Aber es war niemand zu Schaden gekommen.

      Und dann die Indianer — die ›Indians‹, wie es den Leuten eingefallen war, die roten Kinder der weiten Steppe zu benennen. Die Kjersti fürchtete nicht den Sturm; der benahm sich doch auf Menschenart, — der skalpierte doch nicht die Leut! In ihr war die Angst vor den Indianern höchst lebendig.

      — Einer lag da oben auf dem Quart vom Per Hansen, und wo die Toten lagen, erschienen wohl auch die Lebenden! Seit sie das gehört, starrte sie fast nur noch dort hinauf. — Übrigens war ihre Furcht begreiflich. Die Berichte von den Greueln des Jahres 62 hatten sie und der Syvert so oft gehört, daß sie sie auswendig konnten. Nach Filmore County, wo sie damals gewohnt, waren zwei Flüchtlinge von Norway Lake gekommen; die Erzählungen bauschten sich, während sie von Mund zu Mund wanderten, auf; als sie jetzt hier draußen, wo es kein Vergessen gab, in dem bangen Gemüt erwachten, nahmen sie phantastische Ausmaße an.

      Tönset‘n jedoch fürchtete sich vor ›dem Indian‹ keineswegs, — bewahre! Weshalb denn nur? Die seien doch zivilisiert und alles, beruhigte er die andern. Wenn der Per Hansen Tönset‘n so reden hörte, dann grinste er ganz sonderbar: »Ja schau, du Syvert, der ›Indian‹, der ist jetzt in diesen zehn Jahren ein pikfeiner Herrenmann geworden, mit roter Zipfelmütze, Holzschuhen, Langpfeife und so. Keine Sache für einen Wilden, feines Benehmen zu lernen, wo es hier ringsherum von Menschen wimmelt!«

      Bei den Tröndern östlich Sioux Creek hatte der Per Hansen nämlich vielerlei Bescheid bekommen; darunter auch den, daß unweit ein Ort sei, der soviel wie Flandreau heiße; westlich davon gehe eine Fährte nach Nebraska;

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