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er getäuscht. »Darf ich nicht?«

      »Wem willst du helfen?«

      »Den Dschesidi.«

      »Ihnen, Halef? Ihnen, von denen du glaubtest, daß sie dich um das Paradies bringen würden?«

      »O Sihdi, ich kannte sie nicht; jetzt aber liebe ich sie.«

      »Aber es sind Ungläubige!«

      »Hast du selbst nicht stets jenen geholfen, die gut waren, ohne zu fragen, ob sie an Allah oder an einen andern Gott glauben?«

      Mein wackerer Halef hatte mich zum Moslem machen wollen, und jetzt sah ich zu meiner großen Freude, daß er sein Herz für ein ganz und gar christliches Gefühl geöffnet hatte. Ich antwortete ihm:

      »Du wirst bei mir bleiben!«

      »Während die andern kämpfen und tapfer sind?«

      »Es wird sich für uns vielleicht Gelegenheit finden, noch tapferer und mutiger zu sein, als sie.«

      »So bleibe ich bei dir. Der Buluk Emini auch?«

      »Auch er.«

      Ich stieg hinauf auf die Plattform zu Scheik Mohammed Emin.

      »Hamdullillah, Preis sei Gott, daß du kommst!« sagte er. »Ich habe mich nach dir gesehnt wie das Gras nach dem Tau der Nacht.«

      »Du bist stets hier oben geblieben?«

      »Stets. Es soll mich niemand erkennen, weil ich sonst verraten werden möchte. Was hast du neues erfahren?«

      Ich teilte ihm alles mit. Als ich geendet hatte, deutete er auf seine Waffen, welche vor ihm lagen.

      »Wir werden sie empfangen!«

      »Du wirst dieser Waffen nicht bedürfen.«

      »Nicht? Soll ich mich und unsere Freunde nicht verteidigen?«

      »Sie sind stark genug. Willst du vielleicht in die Hände der Türken, denen du kaum entgangen bist, fallen, oder soll dich eine Kugel, ein Messerstich treffen, damit dein Sohn noch länger in der Gefangenschaft von Amadijah schmachtet?«

      »Emir, du sprichst wie ein kluger, aber nicht wie ein tapferer Mann!«

      »Scheik, du weißt, daß ich mich vor keinem Feinde fürchte; es ist nicht die Angst, welche aus mir spricht. Ali Bey hat von uns verlangt, daß wir uns vor dem Kampfe hüten sollen. Er hegt übrigens die Ueberzeugung, daß es gar nicht zum Kampfe kommen werde, und ich bin ganz derselben Meinung wie er.«

      »Du denkst, die Türken ergeben sich ohne Widerstand?«

      »Wenn sie es nicht tun, so werden sie zusammen geschossen.«

      »Die Offiziere der Türken taugen nichts, aber die Soldaten sind tapfer. Sie werden die Höhen stürmen und sich befreien.«

      »Fünfzehnhundert gegen vielleicht sechstausend Mann?«

      »Wenn es gelingt, sie zu umzingeln!«

      »Es wird gelingen.«

      »So müssen wir also mit den Frauen nach dem Tale Idiz gehen?«

      »Du ja.«

      »Und du?«

      »Ich werde hier zurückbleiben.«

      »Allah kerihm! Wozu? Das würde dein Tod sein!«

      »Das glaube ich nicht. Ich bin im Giölgeda padischahnün, besitze die Empfehlungen des Mutessarif und habe einen Buluk Emini bei mir, dessen Anwesenheit schon genügend wäre, mich zu schützen.«

      »Aber was willst du hier tun?«

      »Unheil vermeiden, wenn es möglich ist.«

      »Weiß Ali Bey davon?«

      »Nein.«

      »Oder der Mir Scheik Khan?«

      »Auch nicht. Sie erfahren es noch immer zur rechten Zeit.«

      Ich hatte wirklich große Mühe, den Scheik zur Billigung meines Vorhabens zu überreden. Endlich aber gelang es mir.

      »Allah il Allah! Die Wege des Menschen sind im Buche vorgeschrieben,« meinte er; »ich will dich nicht bewegen, von diesem Vorhaben abzulassen, aber ich werde hier bei dir bleiben!«

      »Du? Das geht nicht!«

      »Warum?«

      »Sie dürfen dich nicht finden.«

      »Dich auch nicht.«

      »Ich habe dir bereits auseinandergesetzt, daß ich keine Gefahr laufe; dich aber, wenn du erkannt wirst, erwartet ein anderes Los.«

      »Das Ende des Menschen steht im Buche verzeichnet. Soll ich sterben, so muß ich sterben, und dann ist es gleich, ob es hier geschieht oder dort in Amadijah.«

      »Du willst in dein Unglück rennen, aber du vergissest, daß du auch mich darein verwickelst.«

      Dies schien mir der einzige Weg, seiner Hartnäckigkeit beizukommen.

      »Dich? Wieso?« fragte er.

      »Bin ich allein hier, so schützen mich meine Firmans; finden sie aber dich bei mir, den Feind des Mutessarif, den entflohenen Gefangenen, so habe ich diesen Schutz verloren und verwirkt. Dann sind auch wir verloren, du und ich, alle beide!«

      Er blickte nachdenklich vor sich nieder. Ich sah, was sich in ihm gegen den Rückzug nach dem Tale Idiz sträubte, aber ich ließ ihm Zeit, einen Entschluß zu fassen. Endlich sagte er mit halber, unsicherer Stimme:

      »Emir, hältst du mich für einen Feigling?«

      »Nein. Ich weiß ja, daß du tapfer und furchtlos bist.«

      »Was wird Ali Bey denken?«

      »Er denkt ganz so wie ich, ebenso Mir Scheik Khan.«

      »Und die andern Dschesidi?«

      »Sie kennen deinen Ruhm und wissen, daß du vor keinem Feinde fliehest. Darauf kannst du dich verlassen!«

      »Und wenn man an meinem Mute zweifeln sollte, wirst du mich verteidigen? Wirst du öffentlich sagen, daß ich mit den Frauen nach Idiz gegangen bin, nur um dir zu gehorchen?«

      »Ich werde es überall und öffentlich sagen.«

      »Nun wohl, so werde ich tun, was du mir vorgeschlagen hast!«

      Er schob resigniert die Flinte von sich fort und wendete sein Angesicht wieder dem Tale zu, das sich bereits in den Schatten des Abends zu hüllen begann.

      Gerade jetzt kamen die Männer zurück, welche vorher nach Idiz gegangen waren. Sie bildeten einen Zug einzelner Personen, der sich im Tale vor uns auflöste.

      Da erscholl vom Grabe des Heiligen her eine Salve, und zu gleicher Zeit kam Ali Bey herauf zu uns mit den Worten:

      »Es beginnt die große Feier am Grabe. Es ist noch nie ein Fremder dabei zugegen gewesen, aber der Mir Scheik Khan hat mir im Namen aller Priester die Genehmigung erteilt, euch einzuladen.«

      Das war nun allerdings eine sehr hohe Ehre für uns; aber Scheik Mohammed Emin lehnte sie ab:

      »Ich danke dir, Herr; aber es ist dem Moslem verboten, bei der Anbetung eines andern als Allah zugegen zu sein.«

      Er war ein Moslem; aber er hätte diese Abweisung doch in andre Worte kleiden können. Er blieb zurück, und ich folgte dem Bey.

      Als wir aus dem Hause traten, bot sich uns ein seltsamer, unbeschreiblich schöner Anblick dar. So weit das Tal reichte, flackerten Lichter unter und auf den Bäumen, am Wasser unten und auf jedem Felsen in der Höhe, um die Häuser herum und auf den Plattformen derselben. Das regste Leben aber herrschte am Grabmale des Heiligen. Der Mir hatte an der ewigen Lampe des Grabes ein Licht angebrannt und trat damit heraus in den innern Hof. An diesem Lichte zündeten die Scheiks und Kawals ihre Lampen an; von diesen liehen wieder die Fakirs ihre Flammen, und nun traten sie alle heraus in das Freie, und Tausende strömten herbei, um sich an den heiligen Feuern zu reinigen.

      Wer den Lichtern der Priester nahe zu kommen vermochte, fuhr mit der Hand durch die Flamme derselben und bestrich dann mit dieser

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