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und einige Worte im Kurmangdschi eingebrannt.

      Es schien mir ganz unmöglich, die Ueberreste des »Heiligen« von denen des Scheiterhaufens zu unterscheiden; allein ich sollte mich bei dieser Annahme geirrt haben. Als die Asche beinahe bis zum Boden herab fortgeräumt worden war, wurden zwei formlose Klumpen bloßgelegt, denen die Priester ihre ganze Aufmerksamkeit zuwandten. Sie schienen nicht ins reine kommen zu können, und Mir Scheik Khan winkte mich hinzu.

      Es war keine leichte Aufgabe, diese Gegenstände genau zu untersuchen; man mußte sich Mund und Nase dabei verschließen. Wir hatten wirklich die Körper der beiden Toten vor uns. Sie waren halb verbraten und halb verkohlt, auf ein Dritteil ihrer früheren Größe zusammen geschrumpft und von einer ziemlich starken Kruste umgeben, welche, wie sich bei der näheren Untersuchung ergab, aus den unverbrennlichen Bestandteilen des Erdpeches und der daran angeklebten Asche bestand.

      »Es sind die Toten,« meinte ich. »Ihr habt es diesem Erdpeche zu verdanken, daß ihr euren »Heiligen« begraben könnt.«

      »Aber welcher ist es?«

      »Sucht ihn heraus!«

      Ich wollte sehen, wie weit der Scharfsinn dieser Männer gehe. Sie gaben sich die größte Mühe, vermochten es aber nicht, die scheinbar schwierige und doch so leichte Frage zu entscheiden.

      »Es ist unmöglich, den Pir zu erkennen,« meinte endlich der Khan in ziemlicher Ratlosigkeit. »Wir müssen entweder darauf verzichten, seiner Asche die gebührende Ehre zu erweisen, oder wir sind gezwungen, beide Körper in die Urne zu legen, Freund und Feind, den Frommen und den Gottlosen. Oder weißt du einen bessern Rat, Emir Kara Ben Nemsi?«

      »Ich weiß einen.«

      »Wie lautet er?«

      »Nur allein die Gebeine des Pir in die Urne zu tun.«

      »Aber du hast ja gehört, daß wir dieselben nicht von denen des Miralai unterscheiden können!«

      »Das ist ja nicht schwer! Dieser hier ist der »Heilige«, und dieser hier ist der Türke.«

      »Woraus erkennst du das? Kannst du es beweisen?«

      »So sicher, wie ihr es nur wünschen möget. Der Pir hatte keine Waffen bei sich; der Miralai aber trug seinen Säbel, einen Dolch und zwei Pistolen. Seht ihr die krumm gezogenen Pistolenläufe und die Messerklinge an diesem Körper kleben? Die Schäfte und der Griff sind verbrannt. Und hier grad unter ihm sieht die Säbelspitze aus der Asche heraus. Dieser ist also unbedingt der Miralai gewesen.«

      Jetzt nun wunderten sich die Dschesidi, daß sie nicht selbst auch auf diesen so einfachen Gedanken gekommen waren. Sie alle ohne Ausnahme stimmten meiner Ansicht bei und machten sich daran, die Reste des Pir in die Urne zu bringen.

      Während des ganzen Vorganges hatte der Kaimakam mit mehreren seiner Offiziere in der Nähe gehalten. Ihm wurde die Leiche seines früheren Vorgesetzten überlassen, und dann kehrten wir wieder zur Höhe zurück. Dort bat Ali Bey den Khan um seine Befehle in Beziehung auf die Bestattungsfeierlichkeit.

      »Wir müssen sie auf morgen verschieben,« antwortete dieser.

      »Warum?«

      »Pir Kamek war der Frömmste und der Weiseste unter den Dschesidi; er soll würdig bestattet werden, und dazu ist es heute zu spät. Ich werde anordnen, daß man ihm im Tale Idiz ein Grabmal errichte, und dieses kann erst morgen fertig sein.«

      »So wirst du Maurer und Zimmerleute brauchen?«

      »Nein. Wir werden einen einfachen Bau aus Felsblöcken errichten, der keines Kittes bedarf, und jeder Mann, jedes Weib und auch ein jedes Kind soll einen Stein dazu herbeibringen, je nach seinen Kräften, damit keiner der versammelten Pilger ausgeschlossen werde, dem Verwandelten das ihm gebührende Denkmal zu stiften.«

      »Aber ich brauche die Krieger zur Bewachung der Türken!« wendete Ali Bey ein.

      »Sie werden sich ablösen; dann stehen dir immer genug von ihnen zu Gebote. Laß uns beraten, welche Gestalt wir dem Baue geben!«

      Da ich hierbei unbeteiligt war, suchte ich meinen Dolmetscher auf, um mir das Manuskript des Verstorbenen geben zu lassen. Er hatte es in das Innere eines hohlen Thinarbaumes versteckt, und wir ließen uns in der Nähe desselben nieder, wo ich meinen Sprachübungen ungestört obliegen konnte.

      Darüber verging der Tag, und der Abend kam heran. Auf den Höhen, die das Tal von Scheik Adi umgaben, leuchtete ein Wachtfeuer neben dem andern auf. Es war den Türken unmöglich, zu entkommen, selbst wenn der Kaimakam gegen sein Versprechen die Nacht zu einem Durchbruche hätte benutzen wollen. Die Zeit der Dunkelheit verging ohne alle Störung, und am Morgen kehrte Pali zurück. Die Schnelligkeit und Ausdauer seines guten Pferdes hatte die Entfernung zwischen Scheik Adi und Mossul bedeutend abgekürzt. Ich hatte in dem Zelte des Bey geschlafen und befand mich noch dort, als der Bote eintrat.

      »Hast du den Mutessarif getroffen?« fragte ihn Ali.

      »Ja, Herr; noch spät am Abend.«

      »Was sagte er?«

      »Erst wütete er und wollte mich tot peitschen lassen. Dann ließ er viele Offiziere und seinen Diwan effendisi[17] kommen, mit denen er sich lange Zeit beraten hat. Dann durfte ich zurückkehren.«

      »Bei dieser Beratung warest du nicht zugegen?«

      »Nein.«

      »Welche Antwort hast du erhalten?«

      »Einen Brief an dich.«

      »Zeige ihn!«

      Pali zog ein Schreiben hervor, welches mit dem großen Möhür mutessarifün[18] verschlossen war. Ali Bey öffnete und betrachtete die Zeilen. In dem großen Schreiben lag ein kleiner, offener Brief. Er reichte mir beide Schriftstücke.

      »Lies du, Emir! Ich bin begierig, zu erfahren, was der Mutessarif beschlossen hat.«

      Die Zuschrift war von dem Schreiber des Statthalters verfaßt und von dem letzteren unterzeichnet worden. Er versprach, am andern Morgen mit zehn Mann Begleitung in Dscherraijah zu sein, und stellte die Bedingung, daß Ali Bey auch nur von einer so geringen Anzahl begleitet werde. Er erwartete, daß der Ausgleich ein friedlicher sein werde, und bat, dem Kaimakam den inneliegenden schriftlichen Befehl zu übergeben. Dieser enthielt die allerdings sehr friedliche Weisung, bis auf weiteres jede Feindseligkeit einzustellen, den Ort Scheik Adi zu schonen und die Dschesidi als Freunde zu behandeln. Angeschlossen war dann die Bemerkung, diesen Befehl recht genau zu lesen.

      Ali Bey nickte befriedigt mit dem Kopfe.

      Nach einer kleinen Pause machte der Dschesidi-Häuptling seinem vollen Herzen mit den Worten Luft:

      »Wir haben gewonnen und dem Mutessarif eine nachhaltige Lehre erteilt; merkst du dies, Emir? Der Kaimakam soll diesen Brief erhalten, und morgen werde ich in Dscherraijah sein.«

      »Wozu dem Kaimakam diese Zuschrift geben?«

      »Sie gehört ihm.«

      »Ist aber überflüssig, da er sich ja bereits verbindlich gemacht hat, das zu tun, was ihm hier geboten wird.«

      »Er wird es um so sicherer und treuer tun, wenn er sieht, daß es auch der Wille des Mutessarif ist.«

      »Ich muß dir gestehen, daß dieser schriftliche Befehl meinen Verdacht erweckt.«

      »Warum?«

      »Weil er überflüssig ist. Und wie eigentümlich klingen die letzten Worte, daß der Kaimakam den Befehl ja ganz genau lesen möge!«

      »Dies soll uns von dem guten Willen des Mutessarif überzeugen und den Kaimakam zum pünktlichsten Gehorsam ermuntern.«

      »Diese Pünktlichkeit ist selbstverständlich, und darum scheint mir der Befehl mehr als überflüssig.«

      »Dieser Brief gehört nicht mir; der Gouverneur hat ihn meiner Ehrlichkeit anvertraut, und der Kaimakam soll ihn erhalten.«

      Es war, als wolle der Zufall diesem Vorsatze des Bey seine ganz besondere Genehmigung erteilen, denn gerade jetzt meldete

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<p>17</p>

Versammlung der Räte.

<p>18</p>

Siegel der Statthalterschaft.