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nach unten ausbreiteten.

      Wohl über eine halbe Stunde verging. Da trat der Parlamentär wieder in das Freie, aber nicht allein, sondern er wurde – geführt. Man hatte ihn gebunden. Der Miralai, welcher auch am Eingange des Gebäudes erschien, blickte sich um, sah den Scheiterhaufen und deutete auf denselben. Es wurden zehn Arnauten herbei gerufen; diese nahmen den Mann in ihre Mitte und schleppten ihn zum Holzstoß. Während mehrere ihn hielten, griffen die anderen nach ihren Gewehren – er sollte erschossen werden.

      »Halt!« rief ich zum Obersten hinüber. »Was willst du tun? Er ist ein Abgesandter, also eine unverletzliche Person!«

      »Er ist ein Rebell, wie du. Erst er, dann du; denn nun wissen wir, wer die Artilleristen überfallen hat!«

      Er winkte; die Schüsse krachten; der Mann war tot. Da aber geschah etwas, was ich nicht erwartet hatte: durch die Soldaten drängte sich ein Mann. Es war der Pir Kamek. Er erreichte den Scheiterhaufen und kniete bei dem Toten nieder.

      »Ah, ein zweiter!« rief der Oberst und schritt hinzu. »Erhebe dich, und antworte mir!«

      Weiter konnte ich nichts hören, denn die Entfernung wurde zu groß. Ich sah nur die feierlichen Gesten des Pir und die zornigen des Miralai. Dann bemerkte ich, daß der erstere die Hände in den Haufen steckte, und einige Sekunden später züngelte eine Flamme blitzschnell an demselben empor. Eine Ahnung durchzuckte mich. Großer Gott, sollte er ein solches Opfer, eine solche Strafe, eine solche Rache an dem Mörder seiner Söhne und seines Weibes gemeint haben!

      Er wurde ergriffen und von dem Haufen weggerissen, aber bereits war es zu spät, die Flamme zu löschen, die in dem Erdpeche eine furchtbare Nahrung gefunden hatte. In der Zeit von kaum einer Minute war sie bereits zur hellen Lohe geworden, welche hoch zum Himmel schlug.

      Der Pir stand umringt und fest gehalten; der Miralai schien den Platz verlassen zu wollen. Da aber kehrte er um und ging zu dem Priester zurück. Sie sprachen zusammen, der Oberst erregt, der Pir aber ruhig und mit geschlossenen Augen. Doch plötzlich öffnete er sie, warf die zwei, welche ihn hielten, von sich und packte den Oberst. Mit der Körperkraft eines Riesen hob er ihn empor – zwei Sprünge, und er stand vor dem Scheiterhaufen; noch einer – sie verschwanden in der lohenden Glut, die über ihnen zusammenschlug. Eine Bewegung im Innern derselben ließ vermuten, daß die beiden dem Flammentode Geweihten miteinander kämpften; der eine, um sein Leben zu retten, der andere, um ihn sterbend festzuhalten.

      Es war mir, als sei ich bei der grimmigsten Winterkälte in das Wasser gestürzt. Also darum war dieser Tag »der wichtigste seines Lebens«, wie er, der Priester, zu mir gesagt hatte! Ja, der wichtigste Tag des Lebens ist derjenige, an welchem man dieses Leben verläßt, um sich den brandenden Fluten der Ewigkeit anzuvertrauen. Also diese fürchterliche Rache an dem Miralai war das »letzte Wort«, welches seine Hand verzeichnen sollte in jenes Buch, darinnen verzeichnet steht die blutige Geschichte der Dschesidi, der Verachteten und Verfolgten? Also dieses Feuer war das »Element«, in dem sein Leib begraben werden sollte, und dem er darum auch sein Kleid überlassen wollte?

      Schrecklich! Ich schloß die Augen. Ich mochte nichts mehr sehen, nichts mehr wissen; ich ging hinunter in die Stube und legte mich auf das Polster, mit dem Gesicht an die Wand. Noch einige Zeit lang war es draußen verhältnismäßig ruhig, dann aber begann das Schießen von neuem. Mich ging das nichts an. Wenn mir Gefahr drohte, würde mich Halef ganz sicher benachrichtigen. Ich sah nur die langen weißen Haare, den wallenden schwarzen Bart und die goldblitzende Uniform in dem Brodem des Scheiterhaufens verschwinden. Mein Gott, wie wertvoll, wie unendlich kostbar ist ein Menschenleben, und dennoch, – dennoch – dennoch – — —!

      So verging eine geraume Zeit; da hörte das Schießen auf, und ich vernahm Schritte auf der Treppe. Halef trat ein.

      »Sihdi, du sollst auf das Dach kommen!«

      »Weshalb?«

      »Ein Offizier verlangt nach dir.«

      Ich stand auf und begab mich wieder hinauf. Ein einziger Blick belehrte mich über den Stand der Dinge. Die Dschesidi hielten nicht mehr die Höhen besetzt, sie waren vielmehr nach und nach hernieder gestiegen. Hinter jedem Stein, hinter jedem Baum oder Strauch hielt sich einer verborgen, um aus dieser sichern Stellung seine Kugel zu versenden. Im untern Teile des Tales hatten sie sogar, durch die Geschütze gedeckt, bereits die Sohle erreicht und sich in dem Gebüsch am Bache eingenistet. Es fehlte nur noch eins: wenn die Geschütze nur eine kurze Strecke noch herauf avancierten, so konnten mit einigen Salven sämtliche Türken vernichtet werden.

      Vor dem Hause stand Nasir Agassi.

      »Herr, wirst du noch einmal mit uns sprechen?« fragte er.

      »Was habt ihr mir zu sagen?«

      »Wir wollen einen Boten zu Ali Bey senden, und weil der Miralai, dem Allah das Paradies schenken möge« – er deutete dabei nach dem noch immer qualmenden Scheiterhaufen – »den Boten der Dschesidi getötet hat, so kann keiner von uns gehen. Willst du es tun?«

      »Ich will. Was soll ich sagen?«

      »Der Kaimakam wird es dir befehlen. Er führt jetzt das Kommando und ist in jenem Hause. Komm herüber!«

      »Befehlen? Euer Kaimakam hat mir nicht das mindeste zu befehlen. Was ich tue, das tue ich freiwillig. Der Kaimakam mag kommen und mir sagen, was er mir zu sagen hat. Dieses Haus steht ihm offen, aber nur ihm und höchstens noch einer zweiten Person. Wer sich sonst naht, den lasse ich niederschießen.«

      »Wer ist außer dir im Hause?«

      »Mein Diener und ein Kawaß des Mutessarif, ein Baschi-Bozuk.«

      »Wie heißt er?«

      »Er ist der Buluk Emini Ifra.«

      »Ifra? Mit seinem Esel?«

      »Ja,« lachte ich.

      »So bist du der Fremdling, welcher den arnautischen Offizieren die Bastonnade erlassen hat und die Freundschaft des Mutessarif erlangte?«

      »Ich bin es.«

      »So warte ein wenig, Herr! Der Kaimakam wird gleich kommen.«

      Es währte wirklich nur kurze Zeit, so trat der Kaimakam drüben aus dem Tempel und kam auf das Haus zu. Nur der Makredsch begleitete ihn.

      »Halef, öffne ihnen, und führe sie in die Stube. Die Tür schließest du wieder, und dann kehrst du hierher zurück. Sollte sich ein Unberufener dem Hause nähern, so schießest du auf ihn!«

      Ich ging hinab. Die beiden Männer traten ein. Sie waren hohe Beamte; das durfte mich jedoch nicht kümmern; ich empfing sie daher in sehr gemessener Haltung und winkte ihnen nur, sich niederzulassen. Als sie dies getan hatten, fragte ich, ohne sie besonders willkommen zu heißen:

      »Mein Diener hat euch eingelassen. Hat er euch gesagt, wie man mich zu nennen hat?«

      »Nein.«

      »Man nennt mich hier Hadschi Emir Kara Ben Nemsi. Wer ihr seid, weiß ich. Was habt ihr mir zu sagen?«

      »Du bist ein Hadschi?« fragte der Makredsch.

      »Ja.«

      »Du warst also in Mekka?«

      »Ja. Siehst du nicht den Kuran an meinem Halse hangen und das kleine Fläschchen mit dem Wasser des Zem-Zem?«

      »Wir glaubten, du seist ein Giaur!«

      »Seid ihr gekommen, mir dies zu sagen?«

      »Nein. Wir bitten dich, in unserem Auftrage zu Ali Bey zu gehen.«

      »Werdet ihr mir sicheres Geleite geben?«

      »Ja.«

      »Mir und meinen Dienern?«

      »Ja.«

      »Was soll ich ihm sagen?«

      »Daß er die Waffen strecken und zum Gehorsam gegen den Mutessarif zurückkehren möge.«

      »Und dann?« fragte ich, neugierig, was noch kommen werde.

      »Dann soll die Buße, welche der Gouverneur über ihn verhängt, so gnädig wie möglich sein.«

      »Du

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