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welchem Lande?«

      »Aus Hindistan (*** Indien.), welches jenseits Persien liegt.«

      »Warum ist er nicht dort geblieben? Warum reitet er bei uns im Lande umher?«

      »Um sich ein Weib zu suchen.«

      »Ein . — Weib?« fragte Manach el Barscha, aber nicht etwa im Ton des Erstaunens, sondern mit einer Miene, welche ein Deutscher sehen läßt, wenn er das Wort »Aha!« ausruft.

      Die Aussage des Hadschi erschien diesen Leuten gar nicht so unglaublich. Hunderte von morgenländischen Märchen behandeln das Thema von dem Fürstensohne, welcher unerkannt im Lande umherzieht, um sich die Schönste der Schönsten, welche natürlich stets die Tochter blutarmer Leute ist, zur Frau zu erkiesen. Dies konnte ja auch hier der Fall sein.

      »Warum aber sucht er grad hier im Land der Skipetaren?« lautete die nächste Frage.

      »Weil es hier die schönsten Töchter gibt und weil es ihm geträumt hat, daß er die Blume seines Harems hier finden werde.«

      »So mag er nach ihr suchen! Aber was hat er sich um uns zu kümmern?«

      Den Kleinen kitzelte der Schalk trotz der bösen Lage, in welcher er sich befand. Er antwortete im ernstesten Ton:

      »Um euch? Das fällt ihm gar nicht ein. Er hat es nur mit dem Mübarek zu tun.«

      »Inwiefern?«

      »Weil er im Traum den Vater der Schönsten gesehen hat und auch die Stadt, in welcher er ihn finden soll. Die Stadt ist Ostromdscha, und der Vater ist der alte Mübarek. Warum flüchtet sich derselbe vor meinem Herrn? Er mag ihm seine Tochter geben, so wird er als Kain ata (* Schwiegervater.) des reichsten indischen Fürsten große Macht erlangen.«

      Da ertönte aus dem Nebenraum die schnarrende Stimme des Verwundeten:

      »Schweig, du Sohn einer Hündin! Ich habe nie im Leben eine Tochter gehabt. Deine Zunge hängt voll Lügen, wie die Nessel voll von Raupen. Meinst du denn, ich wisse nicht, wer dein Herr ist, dem ich die Qualen der zehntausend Höllen wünsche? Trägt er nicht das Hamaïl noch heute an seinem Hals, obgleich er ein verfluchter Sohn der Ungläubigen ist? Ich habe es bisher verschwiegen, denn ich wollte die Rache allein genießen. Aber deine Lüge ist so groß, daß sie mir in den Ohren brennt. Ich muß nun sagen, was ich weiß, und darf nicht länger schweigen.«

      »Was ist's, was ist's?« fragten die Andern.

      »Wisset, ihr Leute, daß dieser Fremde nichts ist als ein verfluchter Riswaidschi (* Schänder.) der Erazü mübarek (** Heilige Orte.)! Ich habe ihn in Mekka gesehen, in der Stadt der Anbetung. Er wurde erkannt; ich stand neben ihm und streckte die Hand zuerst nach ihm aus, aber der Scheïtan stand ihm bei, daß er entkam. Und dieser Hadschi Halef Omar war bei ihm und hat ihm geholfen, das größte Heiligtum der Moslemin mit dem Blick eines Christenhundes zu besudeln. Ich habe die Gesichter dieser beiden nie vergessen und sie wieder erkannt, als ich als Krüppel an der Straße von Ostromdscha saß und sie an mir vorüberritten. Laßt euch nicht mit frechen Lügen beträufeln, sondern nehmt fürchterliche Rache für diese Freveltat. Ich habe gesonnen und gesonnen, welche Strafe diese Frevler erleiden müssen, aber ich habe keine Züchtigung gefunden, welche mir groß genug erschien. Darum schwieg ich bis jetzt.«

      Er hatte schnell und übereifrig gesprochen, wie Einer, der im Fieber liegt. Dann stöhnte er laut, denn die Schmerzen seiner Wunde übermannten ihn. Es war ganz genau so, wie ich gesagt hatte: man hatte ihn im Schlafzimmer untergebracht.

      Und nun wurde es plötzlich hell in mir. Also darum war mir sein hageres, charakteristisches Gesicht so bekannt gewesen! Darum war es mir wie träumend vorgekommen: ein Meer von Menschen, empört und erregt, und inmitten dieses Meeres diese eine Gestalt, die langen, dürren Arme nach mir ausstreckend und die Knochenfinger krallend, wie ein Raubvogel, welcher auf seine Beute schießt! In Mekka war es gewesen, wo ich ihn gesehen hatte. Sein Bild hatte sich, mir unbewußt, meinem Gedächtnis eingeprägt, und als ich ihn dann in Ostromdscha wiedersah, ahnte ich wohl, ihm schon einmal begegnet zu sein, konnte mich aber nicht des Ortes erinnern, an welchem dies geschehen war.

      Nun verstand ich auch den haßerfüllten Blick, den er in Ostromdscha auf mich geworfen hatte, und die feindselige Art und Weise, in welcher ich von ihm behandelt worden war.

      Seine Worte brachten die von ihm erwartete Wirkung hervor. Diese Menschen waren Verbrecher, aber sie waren auch Moslemim, und wenn Manach el Barscha auch gesagt hatte, daß er sich aus dem Propheten nichts mache, so war dies doch nicht wörtlich zu nehmen. Der Gedanke, ich sei ein Christ und habe die heilige Kaaba entweiht, rief ihre tiefste Empörung hervor. Und daß Halef sich bei mir befunden und also an dieser Todsünde teilgenommen hatte, das erfüllte sie mit einem Rachegefühl, welches für ihn weder Gnade noch Barmherzigkeit übrig ließ.

      Kaum hatte der Mübarek ausgesprochen, so sprangen die am Tisch Sitzenden auf, und auch Suef schnellte vom Boden empor, wie von einer Natter gestochen.

      »Lügner!« brüllte er, indem er mit dem Fuß nach Halef stieß. »Verdammter Lügner und Verräter seines eigenen Glaubens! Hast du den Mut, zu sagen, daß der Mübarek nicht die Wahrheit gesprochen habe?«

      »Ja, rede!« schrie auch einer der Aladschy. »Rede, oder ich zermalme dich hier zwischen diesen meinen Fäusten! Bist du in Mekka gewesen?«

      Halef verzog keine Miene. Der kleine Hadschi war wirklich ein mutiger Mann. Er antwortete:

      »Was regt ihr euch auf? Warum tut ihr, als ob der Raubvogel unter die Enten gefahren sei? Seid ihr Männer oder Kinder?«

      »Mensch, beleidige uns nicht!« rief Manach el Barscha. »Deine Strafe wird schon ohnedies eine fürchterliche sein. Willst du sie noch entsetzlicher machen dadurch, daß du unsern Zorn verdoppelst? Antworte also: bist du in Mekka gewesen?«

      »Muß ich denn nicht dort gewesen sein, da ich doch ein Hadschi bin?«

      »Und war dieser Kara Ben Nemsi mit dir dort?«

      »Ja.«

      »Er ist ein Christ?«

      »Ja.«

      »Er ist also kein Königssohn aus Indien?«

      »Nein.«

      »So hast du uns belogen! Heiligtumsschänder! Das sollst du büßen, und zwar jetzt. Wir werden dich knebeln, daß du keinen Laut auszustoßen vermagst, und dann soll die Marter beginnen. Konakdschi, gib etwas her, womit wir ihm den Mund verstopfen.«

      Der Wirt ging und kehrte im Augenblick mit einem Tuche zurück.

      »Sperre das Maul auf, Hund, daß wir dir den Knebel hineinschieben!« gebot Barud el Amasat, das Tuch nehmend und sich zu Halef niederbeugend. Und da der Hadschi diesem Befehle nicht Folge leistete, fügte er hinzu: »Oeffne, sonst breche ich dir die Zähne mit der Klinge auseinander!«

      Er kniete neben dem Hadschi nieder und riß sein Messer aus dem Gürtel. Jetzt war es die höchste Zeit, der Sache ein Ende zu machen.

      »Schlagt zu!« sagte ich.

      Ich hatte den umgekehrten Stutzen bereits stoßbereit in die Hände genommen. Ein Hieb, und zwei Bretter des Ladens flogen in die Stube. Zu beiden Seiten von mir schlugen auch Osko und Omar zu, so daß die andern Teile des Ladens nachfolgten. Im Nu hatten wir die Gewehre umgedreht und die Mündungen derselben nach der Stube gerichtet.

      »Halt! Rührt euch nicht, wenn ihr nicht unsere Kugeln haben wollt!« rief ich hinein.

      Barud el Amasat, welcher sein Messer über das Gesicht Halefs gehalten hatte, fuhr in die Höhe.

      »Der Deutsche!« rief er erschrocken.

      »Sihdi!« rief Halef. »Schieß' sie nieder!«

      Aber zu schießen wäre Unsinn gewesen, da es keine Ziele für unsere Kugeln mehr gab. Kaum hatten nämlich die Wichte meine Worte gehört und mein Gesicht gesehen, welches sie bei dem Scheine des Lichtes erkennen konnten, so rissen sie ihre Gewehre von dem Haken und rannten zur Stube hinaus, der Wirt mit ihnen.

      »Hinein zu

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