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      Das Fieber gab ihm solche augenblickliche Kraft, daß ich Gewalt anwenden mußte. Es gehörten drei Personen dazu, um ihn zu halten, damit ich ihm die Lappen von den Wunden wickeln konnte. Da sah ich denn sofort, daß Rettung gar nicht möglich sei. Selbst eine Amputation des verletzten Gliedes wäre hier zu spät gekommen. Ich legte auch seine Schulter bloß, indem ich den Kaftan aufschnitt. Der Brand, die zersetzende Fäulnis, war bereits eingetreten, und die ekelhafte Jauche verbreitete einen Verwesungsgeruch, welcher entsetzlich war.

      Hier konnte man nichts tun, als ihm Wasser geben, nach welchem er schrie. Das überließen wir der Frau. Es war wie ein Wunder, daß dieser Mensch den Ritt bis hierher hatte aushalten können. Wir standen schaudernd bei ihm und gedachten nicht mehr seiner Feindseligkeit, sondern nur des grausigen Endes, welches er sich selbst bereitet hatte. Der Konakdschi sagte:

      »Herr, wäre es nicht besser, wir töteten ihn? Es wäre die größte Wohltat, welche wir ihm erweisen könnten.«

      »Das meine ich auch,« antwortete ich; »aber wir haben kein Recht dazu. Noch hat er kein Wort der Reue gesprochen; er will vielmehr den Teufel durch die Verheißung grausiger Mordtaten bestechen. Daraus können wir entnehmen, welche schwarze Seele in diesem lebendig verwesenden Körper wohnt. Vielleicht gibt ihm Gott noch einmal das Bewußtsein zurück und damit die letzte Gelegenheit, seine Sünden zu bekennen. Uebrigens sind seine Qualen nicht unverdient, und — was ihr nicht übersehen dürft — er liegt vor euch als abschreckendes, warnendes Beispiel, dessen deutliche und ergreifende Sprache zwar an uns alle, ganz besonders aber an euch gerichtet ist, an dich, Konakdschi, an Junak und auch an Guszka, dessen Frau.«

      »An uns?« fragte der Erstgenannte verlegen. »Weshalb denn?«

      »Ich will euch nur sagen: Wer auf den Pfaden dieses Mannes wandelt, der läuft Gefahr, zu demselben schrecklichen Ende zu gelangen. Ich habe noch niemals einen Gottlosen glücklich gesehen.«

      »So meinst du, dieser fromme Mann sei gottlos gewesen?«

      »Ja, und du weißt sehr gut, daß ich recht habe.«

      »Aber er hat stets für heilig gegolten. Warum hat Allah ihn nicht eher gestraft?«

      »Weil Allah gnädig und langmütig ist und selbst dem härtesten Sünder Zeit zur Umkehr und Besserung gibt. Aber Allah sieht nur eine Weile zu, und wird die Zeit der Barmherzigkeit nicht benützt, so bricht sein Strafgericht um so schrecklicher herein. In dem Lande meiner Heimat gibt es ein Sprichwort, welches lautet:

      Allah dejirmenler jawasch öjütirler,

      Lakin korkurlu jufka öjütirler.

      (* Gottes Mühlen mahlen langsam,

      Mahlen aber schrecklich klein.)

      Dieses Wort gilt auch für euch. Es trägt für den Sünder eine furchtbare Wahrheit in sich. Ich wünsche, daß ihr dieselbe erkennt und nach ihr handelt. Tut ihr das nicht, so werdet ihr ebenso wie der Mübarek dem Strafgericht verfallen.«

      »Herr, mir gelten deine Worte nicht,« lachte der Konakdschi. »Ich bin dein Freund und habe mit dem Alten nichts zu schaffen. Allah kennt meine Gerechtigkeit und weiß, daß ich keine Strafe verdiene. Und auch dieser Mann, der Kohlenhändler, und seine Frau sind ehrliche Leute. Du hast uns eine Rede gehalten, die wir nicht auf uns zu beziehen brauchen. Jeder Mensch sollte sich um seine eigenen Fehler bekümmern.«

      Da er sich seiner bösen Absichten gegen uns sehr wohl bewußt war, so konnten diese Worte nur als eine Frechheit bezeichnet werden. Halef griff auch nach der Stelle seines Gürtels, an welcher sich die Peitsche befand. Ich gab ihm aber einen abwehrenden Wink und antwortete dem Konakdschi:

      »Du hast recht, denn wir alle sind Sünder, und ein jeder Mensch hat seine Fehler. Dennoch ist es Pflicht, den Nächsten zu warnen, wenn er sich in eine Gefahr begibt, in welcher er leicht umkommen kann. Und es gibt keine größere Gefahr als diejenige, mit der Langmut und Barmherzigkeit Allahs sein Spiel zu treiben. Ich habe diese meine Pflicht getan, und es ist nun eure Sache, meiner Warnung Gehör zu schenken oder nicht. Wir sind hier fertig und wollen nun das Fleisch nach der Stelle tragen, an welcher das Pferd überfallen ward.«

      Wir begaben uns in den Schuppen. Das Gerippe des Pferdes hielt noch zusammen, und wir konnten es gleich im ganzen tragen. Halef und der Kohlenmann faßten vorn an, ich trug hinten, und dann marschierten wir ab. In der Nähe des Platzes angekommen, gebot ich, die Last niederzulegen. An dem schweren Geripp hing wohl noch ein voller Zentner Fleisch. Das Fell hatte der Wirt schon abgezogen.

      Ich gebot, unsere Sohlen recht fest an dem Fleische hin und her zu reiben, damit der Bär nicht unsere frischen Spuren wittere. Der Fleischgeruch mußte seine Nase irreführen. Dann ging es weiter.

      Als wir die Stelle erreichten, sah ich, daß sie außerordentlich gut für unsern Zweck geeignet war. Ich erkannte trotz des abendlichen Dunkels die Einzelheiten der Oertlichkeit, da ich sie in einem Halbkreise so umschritt, daß sie zwischen mir und dem helllodernden Feuer lag und sich also alle Umrisse gegen dasselbe abzeichneten.

      Die sehr scharf vortretende Zunge des Waldes endete in einer schroff felsigen Spitze, von welcher schwere, quaderartige Massen abgestürzt waren. Diese lagen zerstreut unten umher. Zwischen ihnen war das tote Pferd aufgefunden worden. Wir hatten es genau an demselben Punkt wieder hingelegt, und wenn wir uns im richtigen Wind hinter eins der Felsstücke legten, so konnte uns das Raubtier, falls es wirklich kam, gar nicht entgehen.

      Dem Kohlenhändler war es an diesem Ort nicht geheuer, und er ging alsbald davon. Wir folgten ihm langsam nach.

      »Der Kerl will nicht gefressen werden,« lachte Halef. »Jetzt im Dunkeln könnte ihm das vielleicht passieren, aber ich wette, wenn der Bär ihn am Tage sähe, so würde er den Kopf schütteln und sagen: du bist mir zu schmutzig! Sihdi, du winktest mir nach dem Päckchen, welches er in der Hand hatte?«

      »Ja. Weißt du, was es enthielt?«

      »Natürlich! Ich erkannte sogleich den Lappen, welchen die Besitzerin des Fischtranes um das Geräucherte gewickelt hatte. Ich hatte ihn samt der Wurst weggeworfen. Sollte er auch die Wurst gefunden haben?«

      »Höchst wahrscheinlich, denn das, was der Lappen enthielt, hatte ganz die Form einer Wurst.«

      »So mag er sie essen und die Fortsetzung meiner Qual empfinden! Ich wollte, ich könnte ihm dabei zusehen; es sollte mir eine Augenweide sein.«

      »Dieses Vergnügen wirst du vielleicht haben. Weil er diesen Fund gemacht hat, so schließe ich daraus, daß er sich dort befand, wo du die Wurst weggeworfen hast. Was hatte er dort zu suchen? Sein Weib sagte, er sei fortgegangen, um die Fährte des Bären zu entdecken; das ist aber nicht wahr. Er hat erfahren, daß wir kommen werden, und seine Ungeduld trieb ihn, uns entgegenzugehen. Er muß also an unserm Eintreffen ein Interesse haben, zumal er denken mußte, daß wir während seiner Abwesenheit den Mübarek, welchen wir doch nicht sehen sollten, viel leichter entdecken könnten, als wenn er persönlich anwesend wäre. Das läßt mich vermuten, daß ihm von der Beute, welche die Schurken bei unserer Ermordung machen wollen, ein Teil zugesichert ist.«

      »Da soll er sich den Mund abwischen, ohne gegessen und getrunken zu haben. Ich sage dir, Sihdi, daß wir viel zu glimpflich mit diesen Leuten verfahren. Erschießen sollten wir sie; die Menschheit würde uns Dank dafür wissen. «

      »Du weißt, wie ich darüber denke. Ich habe ja auch geschossen. Der Mübarek wird an meinen beiden Kugeln sterben. Aus dem Hinterhalt töte ich sie nicht. Das wäre Mord. Aber wenn sie uns so angreifen, daß unser Leben bedroht ist, dann verteidigen wir uns mit allen Mitteln.«

      Wir kamen bei dem Feuer an, um welches sich mittlerweile die Andern gelagert hatten. Der Konakdschi hatte zwei Gabeläste in die Erde gesteckt und war nun damit beschäftigt, ein großes Stück Pferdefleisch an einen dritten Ast zu schieben, welcher die Stelle des Bratspießes vertreten sollte. Wenn er glaubte, bei diesem Braten uns als Gäste zu bekommen, so mußte er verzichten. Glücklicherweise hatten wir noch einen kleinen Speisevorrat bei uns, welcher für diesen Abend leidlich ausreichte.

      Als der Kohlenhändler uns essen sah, bekam er solchen Appetit, daß er das Garwerden des

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