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Der Schut. Karl May
Читать онлайн.Название Der Schut
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Das schien zu wirken, wenigstens sollten wir so denken. Sie nahm eine weniger abwehrende Haltung an und fragte:
»Bezahlen wollt ihr? Ja, das ist was anderes! Dann kann ich es mir wenigstens überlegen, ob ich euch hier bei mir bleiben lasse.«
»Da gibt es ja gar nichts zu überlegen. Wir verlangen von dir nur ein Obdach und etwas zu essen.«
»Ist das etwa nicht genug?«
»Das ist mehr als genug; das ist zu viel,« sagte ich. »Speise und Trank verlangen wir nicht von dir und einen Platz zum Schlafen werden wir uns selbst suchen. Hast du keinen Platz im Hause, so schlafen wir im Freien.«
Etwas aus diesen krallenähnlichen, von Schmutz starrenden Fingern zu essen, das war ein Ding der Unmöglichkeit. Und da drinnen schlafen? Um keinen Preis! Die Stube sah ganz so aus, als ob sie sich jener springenden, wibbelnden und kribbelnden, stechenden, nagenden und beißenden Einquartierung erfreue, welche selbst im vornehmsten Hause des Orients immer vorhanden ist. Hier aber in dieser Bude hüpften, krochen, zappelten und marschierten jene blutdürstigen Myrmidonen jedenfalls in unzählbaren Scharen und Schwadronen umher.
Die Beschreibung einer Reise durch den duftumflossenen, sagenumwobenen, sonnigen Orient mag wohl angenehm zu lesen sein; aber diese Reise selbst machen, das ist etwas ganz Anderes. Das Schicklichkeitsgefühl verbietet oft, grad von den eigenartigen, charakteristischen Zügen zu sprechen. Der Orient gleicht Konstantinopel, welches der »Wangenglanz des Weltangesichtes« genannt wird. Von außen bietet es einen herrlichen Anblick; aber tritt man in die engen Straßen selbst, so ist's mit der schönen Täuschung vorüber. Der Orient hat alles, ja alles, nur darf man ja nicht Aesthetiker sein!
Der Reisende braucht den Osten gar nicht um hervorragender Abenteuer willen zu besuchen; er findet Abenteuer übergenug, täglich, ja stündlich. Aber was sind das für Abenteuer! Sie beziehen sich nicht auf große Ereignisse, sondern auf die kleinen Verhältnisse des alltäglichen Lebens. Freilich ist keineswegs Uhlands Wort auf sie an zuwenden:
»Doch schön ist nach dem großen
Das schlichte Heldentum «
Dem Erzähler ist es verboten, von diesen Abenteuern zu sprechen. Die zahlreichsten derselben erlebt er im Kampf gegen die oft aller Beschreibung spottende Unreinlichkeit der dortigen Bevölkerung. Ich habe mit einem berühmten Scheik gespeist, welcher während des Essens sich einige allzu lebhafte Tierchen aus dem Nacken holte, sie vor aller Augen zwischen den Nägeln seiner Daumen guillotinierte und dann mit den Händen, ohne sie vorher abzuwischen, in den Pillaw fuhr und von demselben eine Kugel rollte, um sie mir als »el Lukme esch Scharaf« (* Ehrenbissen.) in den Mund zu schieben.
Wenige werden glauben, daß dies zwar ein kleines, aber dennoch lebensgefährliches Abenteuer gewesen sei. Die Zurückweisung dieses Ehrenbissens ist eine Beleidigung, welche in der Wüste nur mit dem Tod gesühnt werden kann. Ich hatte also eigentlich nur die Wahl zwischen einer Kugel oder einem Messerstich und dem Verspeisen dieser schrecklichen Reiskugel. Links von mir saß der Scheik, welcher mir den Bissen reichte und erwartete, daß ich den Mund aufsperre. Rechts saß Krüger-Bey, der bekannte Oberst der Leibscharen des Herrschers von Tunis. Er — ein geborener Deutscher — hatte die Hinrichtung der kleinen Wesen ebenso bemerkt, wie ich. Er wußte genau, in welch großer Verlegenheit ich mich in diesem Augenblick befand, und in seinem Gesicht war die große Spannung zu lesen, ob ich die Reis — oder die Bleikugel wählen werde. In solcher Lage gilt es, geistesgegenwärtig zu sein. Ich sagte im Ton größter Höflichkeit zu dem Scheik:
»Ma binsa dschamihlak kull umri — ich werde all mein Lebtage an deine Güte gedenken.«
Den Bissen aus seiner Hand nehmend, fuhr ich fort:
»Ridd inna'sar, ja m'allmi — entschuldige mich, o Herr!«
Und mich nun schnell rechts zu Krüger-Bey wendend, schloß ich:
»Dachihlal, ent kaïn haun el muhtaram — ich bitte dich, hier bist du der Ehrwürdige!«
Der brave Kommandant der Leibwache erschrak. Er ahnte meine Absicht und war so unvorsichtig, den Mund zu öffnen, um mir abwehrend zu antworten. Aber dieser eine Augenblick genügte mir. Ehe er ein Wort hervorbrachte, hatte er den Reiskloß im Mund und durfte ihn nicht wieder herausgeben.
Er war der Aelteste. Daß ich ihm den Ehrenbissen gegeben hatte, war nun nicht eine Beleidigung, sondern ein allgemein sehr wohl aufgenommener Beweis, daß ich das Alter achte. Der arme Ehrwürdige machte freilich ein Gesicht, als hätte er den ganzen Jammer des Erdenlebens zwischen den Zähnen gehabt. Er drückte und drückte und schlang und schlang, bis er rotblau geworden und der Bissen hinunter war. Noch nach Jahren rühmte sich der Undankbare, daß er mir diesen Streich nicht vergessen habe.
Solche Erlebnisse sind häufiger, als einem lieb sein kann. Man darf wohl eine Andeutung geben, sie aber nicht ausführlich beschreiben. Der Kampf gegen Schmutz und Ungeziefer ist ein wahrhaft schrecklicher und kann einem die höchsten Genüsse verleiden.
Frau Guszka ahnte nicht, was mich zu meinen Worten veranlaßte. Es war wohl gegen die ihr zugeteilte Rolle, uns abzusondern; darum sagte sie schnell:
»Platz habe ich wohl für euch, Herr. Wenn ihr es gut bezahlt, so habe ich ein Bett für dich; deine Gefährten aber können neben dir auf ihren Decken schlafen.«
»Wo ist das Bett?«
»Komm herein; ich werde es dir zeigen!«
Ich folgte ihr, nicht in der Absicht, das Bett zu prüfen, sondern nur um einen Einblick in die Häuslichkeit der »Gans« zu bekommen.
Aber welch ein Loch betrat ich da! Es gab die vier rohen Wände. Rechts in der Ecke lagen die Steine des Feuerherdes, und links in der andern Ecke sah ich einen unordentlichen Haufen von dürrem Farn, Laub und Lumpen. Auf diesen deutete die Frau, indem sie sagte:
»Dort ist das Bett. Und hier ist der Herd, auf welchem ich euch das Fleisch braten werde.«
Es herrschte ein wahrer Höllendunst in diesem Loch, brandig und nach allen möglichen Gestänken riechend. Von einem Schornstein war keine Rede. Der ätzende Rauch fand seinen Abzug durch die Fenster. Die Gefährten waren mit eingetreten. Daß sie grad wie ich dachten, sah ich ihnen deutlich an.
»Was für Fleisch meinst du?« erkundigte ich mich.
»Pferdefleisch.«
»Woher habt ihr das?«
»Von unserem eigenen Pferd,« antwortete sie, indem sie mit beiden Händen nach den Augen griff.
»Habt ihr es geschlachtet?«
»Nein; es ist uns zerrissen worden.«
»Ah! Von wem?«
»Mein Mann sagt, daß es ein Bär gewesen sein müsse.«
»Und wann hat er das Pferd getötet?«
»In letzter Nacht.«
»Allah 'l Allah!« rief Halef. »So frißt dieser Bär also nicht nur Himbeeren! Habt ihr ihn getötet?«
»Wie kannst du so fragen! Um einen Bären zu erlegen, müssen sehr viele Männer beisammen sein.«
»Willst du mir sagen, wie es zugegangen ist,« forderte ich sie auf.
»Das wissen wir freilich selbst nicht genau. Wir bedürfen des Pferdes zu unserm Handel. Es muß uns den Kohlenwagen ziehen und . — «
»Ich habe doch keinen Wagen stehen sehen!«
»Wir können ihn gar nicht hier haben, denn es gibt keinen Weg, auf welchem wir ihn zu dem Hause bringen könnten. Er steht also stets bei dem Köhler. Das Pferd aber befindet sich hier, wenn wir daheim sind. Es bleibt des Nachts im Freien, um das Gras abweiden zu können. Heute früh nun, als wir aufstanden, sahen wir es nicht, und als wir es suchten, fanden wir seine Leiche drüben bei den Felsen liegen. Es war zerrissen worden, und als mein Mann die Spuren sah, sagte er, ein Bär sei es gewesen.«
»Wo befindet sich jetzt das übrig gebliebene Fleisch?«
»Draußen