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auf dem steilen Abhang noch der eigenen Atemlosigkeit achtend, in ununterbrochener Eile bergan lief. Jetzt erreichte der Hirsch den Kamm des Berges, ich sah ihn nur einen Augenblick, worauf er wieder verschwand; eine Minute später stand ich auf derselben Stelle und erblickte in einer abschüssigen Felsschlucht vor mir das zusammengebrochene, verendende Tier.

      Ich war im Begriff, mich meiner Beute zu bemächtigen, als ich eine solche Lähmung in meinem ganzen Körper fühlte, daß ich gezwungen war, mich niederzusetzen. Das Atmen verursachte mir Schmerzen, das Blut schien mir in den Adern zu stocken, und mit Schrecken wurde ich gewahr, daß ich mir in törichter Weise eine Krankheit zugezogen hatte. Die von der Sonne erwärmte Luft in der nach allen Seiten geschützten Schlucht, mehr aber noch der angestrengte Lauf, hatten nämlich eine furchtbare Erhitzung hervorgerufen, und als ich nun in diesem Zustand den Gipfel des Berges erreichte, war ich plötzlich dem scharfen Nordwind ausgesetzt, der mich bis aufs Mark erkältete. Verstimmt saß ich da und blickte auf den bewegungslos daliegenden Hirsch, den ich zurücklassen mußte; nach einer Weile erhob ich mich und schleppte mich mühsam den Abhang hinunter zu meinem Reittier, stieg auf und folgte den Spuren des Trains.

      Der scharfe Ritt schien mir wohlzutun, denn als ich bei der Hütte vor dem San-Francisquito-Paß meine Kameraden einholte, fühlte ich mich schon wieder beruhigt über mein unbesonnenes Handeln am Morgen und sprach mit Bedauern von meiner zurückgelassenen Beute. Egloffstein war auch wieder eingetroffen und zwar glücklicher als ich, mit einem feisten Stück Wild. Er war hoch oben im Gebirge von einem Schneesturm überfallen worden, in welchem er unvermutet so nahe an ein Rudel Hirsche geriet, daß es ihm gelang, einen derselben mit der Pistole zu erlegen. Als er in die Ebene zurückkehrte, hatte er unsere Spur verloren und deshalb in dem erstbesten Gehölz die Nacht bei einem tüchtigen Feuer und einem gerösteten Stück Fleisch zugebracht.

      Vereint zogen wir über den Gebirgspaß, lagerten an einer geeigneten Stelle am San-Francisquito-Paß und erreichten am Abend des 30. November die Farm des alten Heart, in deren Nähe wir unser Nachtlager aufschlugen.

      Wenn ich mich auch am vorhergehenden Tag schon krank fühlte, so war ich doch imstande gewesen, ohne große Unbequemlichkeiten zu reiten; am 1. Dezember aber hatten die Schmerzen in meinen Gliedern so zugenommen, daß ich kaum mein Maultier zu besteigen vermochte. Ich ritt indessen noch zu dem alten Heart, nahm Abschied von ihm und seinen Söhnen und befand mich gegen Mittag auf der Mission San Fernando. Der gastfreundliche General Pico gab sich die größte Mühe, meine schwindende Gesundheit durch ein ausgesuchtes Frühstück wieder aufzurichten; ich schlug es aber aus, trank nur einige Gläser Wein, der wie Feuer in meinen Adern brannte, drückte dem General für seine aufrichtigen Wünsche herzlich die Hand und schlug dann den nächsten Weg nach Pueblo de los Angeles ein, wo ich mit meinen vorangeeilten Gefährten zusammentreffen mußte.

      Pechschwarze Nacht umgab mich, als ich die ersten Lichtschimmer von Los Angeles erblickte, so daß ich es meinem Maultier überließ, von den vielen Wegen denjenigen zu wählen, der in geradester Richtung nach der Stadt führte. In der Stadt wurde es mir nicht schwer, den bekannten Gasthof wiederzufinden; ich übergab mein Tier einem der Hausdiener, ließ mir sogleich eine geräumige Stube anweisen und begab mich zur Ruhe. Der teilnehmende Egloffstein zog es vor, mit mir in demselben Gemach zu wohnen, anstatt mit unseren anderen Gefährten das Lager vor der Stadt zu beziehen. Peacock besuchte mich ebenfalls noch an demselben Abend; als echter Kalifornier hatte er sich einige Erfahrung in der Arzneikunde erworben, wodurch er in die Lage versetzt war, meine Krankheit zu beurteilen. Es ist wahr, ich fühlte mich sehr krank, doch glaubte ich am folgenden Tag die Reise wieder fortsetzen zu können.

      Peacocks Meinung lautete aber anders; auf wohlwollende Weise teilte er mir seine Ansicht mit, indem er sagte: »Vor allen Dingen beunruhigen Sie sich nicht, wenn Sie mehrere Tage das Bett hüten müssen; ich bin als Kommandeur des Trains angestellt worden, und ich verspreche Ihnen, trotz Taylors Eile nicht eher aufzubrechen, als bis Sie, ohne Unbequemlichkeiten zu fühlen, mitreisen können. Ferner muß ich Ihnen sagen, daß Sie sich in einem starken Fieber befinden, schneller ärztlicher Hilfe bedürfen und daß ich eilen werde, einen mir schon bekannten Arzt hierherzubringen.«

      Der Arzt kam und bestätigte alles, was ich schon von Peacock vernommen hatte; ich lag an einem gefährlichen, hitzigen Gallenfieber darnieder, zu dem die giftige Atmosphäre auf Panama den ersten Grund gelegt hatte, und ich glaubte nicht anders, als daß meine Reiselust hier ihr Ende erreichen würde. Ich äußerte gegenüber dem Arzt noch den Wunsch, daß er die stärksten ihm zu Gebote stehenden Mittel anwenden möge, um mich nach Verlauf von drei Tagen wieder in den Sattel zu bringen und überließ mich dann vollständig ihm und meinen treuen Kameraden Egloffstein und Peacock. Taylor schien eine besondere Abneigung gegen Patienten zu hegen, es wurden mir wenigstens einige verletzende Beweise hiervon zuteil, die ich indessen nicht beachtete und mehr seiner gänzlichen Unerfahrenheit zuschrieb. Nach drei Tagen verließ ich wirklich wieder das Bett, doch war ich durch starke Blutentziehungen sowie durch gifthaltige Arzneien (Quecksilber) so furchtbar geschwächt, daß ich mich nur mit der größten Mühe von der Stelle zu bewegen vermochte.

      Des längeren Harrens und der quälenden ärztlichen Behandlung überdrüssig, machte ich endlich meinen Entschluß bekannt, unter allen Umständen am 5. Dezember die Reise anzutreten. Freilich wurde mir von allen Seiten abgeraten, doch ich blieb unerschütterlich; sogar den Wagen, der mir angeboten wurde, schlug ich aus. Ich schnallte einige zusammengerollte Decken so auf den Sattel, daß ich mich während des Reitens mit dem Rücken anlehnen konnte; Egloffstein, der mir nie von der Seite wich, war mir behilflich beim Aufsteigen, und dahin ritten wir der Mission San Gabriel zu, in deren Nähe unser Weg vorbeiführte. Das rauhe, kalte Herbstwetter sowie mehr noch mein schlechtes Befinden verursachten, daß ich teilnahmslos durch eine Gegend reiste, die mir bei einer früheren Gelegenheit so überaus interessant erschien. Die weiten Ebenen, die durch jahrelangen Mangel an fruchtbarem Regen den Charakter dürrer, verbrannter Wüsten angenommen hatten, die zahllosen Gerippe von Pferden und Rindvieh, die namentlich in der Nähe ausgetrockneter Teiche massenhaft umherlagen, wirkten niederdrückend auf mein Gemüt, und fast mechanisch folgte ich meinen Gefährten. Da war nichts, was mich hätte erfreuen können, gleichgültig schaute ich hinüber nach dem San-Gorgoñio-Gebirge mit seinen malerischen Außenlinien und nach den kleinen Seen, die von Scharen von Wandervögeln bedeckt waren; ihr fröhlicher Ruf berührte unsanft mein Ohr, die hellen Sonnenstrahlen waren meinen Augen zuwider, und schmerzhaft fühlte ich im ganzen Körper jeden Schritt meines geduldigen Tieres. Meinen Gefährten, deren Zahl in Los Angeles noch um zwei Mitglieder, Mr. Brakinridge und Mr. King, früher Assistenten in Lieutenant Beales Expedition, vermehrt worden war, konnte ich gewiß kein angenehmer Gesellschafter sein, doch wurde mir die Reise durch die Gefälligkeit von allen erleichtert. Die Lebensmittel, die ich von Los Angeles mitgenommen hatte und die meinem Zustand mehr angemessen waren als die gewöhnliche derbe Feldkost, sagten mir indessen zu, und nach drei qualvollen Tagen konnte ich mein Maultier schon wieder ohne Hilfe besteigen. Mit den neuen Kräften stellte sich auch frische Lebenslust wieder ein, und als wir die Seen südlich vom Santa-Anna-Fluß erreichten, da führte ich schon wieder mein Gewehr, und obgleich jeder Schuß meinen Kopf schmerzhaft erschütterte, richtete ich doch einige Verwüstungen unter den zahllosen Enten und Gänsen an, die das Land an manchen Stellen dicht belebten.

      Nachdem wir an der Mission San Gabriel vorbeigezogen waren, blieben wir nur noch eine kurze Strecke auf der Straße, die zu den Mormonenansiedlungen im San-Bernardino-Tal und durch den Cajonpaß führt. Wir wandten uns gegen Süden und blieben also auf der Westseite der Coast Mountains (Küstengebirge), doch reichte die Ebene, auf der wir uns fortbewegten und die sich weithin gegen Südosten erstreckte, keineswegs bis an die Küsten des Meeres, sondern unbedeutendere Gebirgszüge erhoben sich fortwährend zwischen uns und der Südsee. Soviel Abwechslung auch die Außenlinie der fernen Gebirgszüge boten, so entdeckte ich doch während der ersten vier Tage unserer Reise keine wesentliche Veränderung in dem eigentlichen Charakter des Landes. Erst am fünften Tag, als wir die Indianerstadt Temacula erreichten, verließen wir das umfangreiche tertiäre Gebiet und bogen in einen Gebirgspaß ein, der uns in südwestlicher Richtung zwischen gigantischen und metamorphosierten Felsmassen hindurch in ein abgeschlossenes Tal führte, wo unser Weg sich bei Warner’s Rancho (Warners Gehöft) mit der San-Diego-Straße vereinigte.

      Warners Tal, nach einem Ansiedler so benannt, ist

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