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Münchhausen. Karl Immermann
Читать онлайн.Название Münchhausen
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl Immermann
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Nun, Gott beßre das deutsche Theater!
Melpomene sitzt, von der Szene verscheucht, unten im Keller, da wo die Arbeitsleute an den Versenkungen und Verwandlungen hantieren, der Dolch ist ihrer entkräfteten Hand entfallen und rostet im Moder, im Moder liegt die Maske, welche die gemeinen menschlichen Züge verschönernd bedecken soll; Schimmel überzieht dieselbe, und einer der Theaterarbeiter hat ihr die Nase platt getreten. Droben aber über ihrem Haupte, auf dem Podium, scharrwerkt der lärmende Emporkömmling mit seinen breitgerührten und doch hölzern gebliebenen Jamben. Ach, die Arme! Nicht einmal weinen kann sie mehr. Isidor hat sie mit dem Stockschnupfen angesteckt, und verlangt nun grausam spottend von ihr, sie solle Makuba schnupfen lernen, dadurch helfe er sich in allen Nöten.
Das alles ist weltbekannt. Nicht so bekannt ist aber der Umstand, daß der Tragöde alle die Stücke, die seitdem wie ein nie versiegender Spülicht zwischen den Kulissen hervorgebrodelt sind, bereits während seiner Beschäftigung mit Zöpfen und Frisuren in müßigen Nebenstunden verfertigte. Ja, meine Freunde, er hat sie sämtlich auf den Vorrat gearbeitet; die Manuskripte lagen in seinem Haaratelier geordnet zwischen den übrigen Fabrikaten und Sachen, ungefähr so: ein Zopf; »die Erdennacht«, eine Perücke; »Genoveva«, Pomade; »Rafaële«, der Puderbeutel; »Die Schule des Lebens«, und so weiter. Daher es ihm leicht war, hernachmals den Markt von Sand-Jerusalem mit seiner Ware zu überführen.
Doch meine Farben reichen bei diesem Bilde nicht aus und mein Pinsel ist zu stumpf; ich fühle das wohl. Solche tiefsinnige ästhetisch-poetische Seelenentwicklungsgemälde abzuwickeln, daß sie jedem so klar werden, wie baumwollnes Garn, müßte ich Hotho sein, der in den »Vorstudien des Lebens und der Kunst« an seiner eignen Geschichte »aufgewiesen« hat, daß man den »Don Ramiro« schreiben, an den ästhetischen Artikeln der Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, herausgegeben von der Sozietät für wissenschaftliche Kritik, mitarbeiten, und dennoch sich wichtig vorkommen kann.
Man sang vor Zeiten, als Don Ramiro zur Welt gebracht wurde:
Don Ramiro, Don Ramiro!
Langes Leben spinn‘ dir Klotho;
Rühmen werden dich die Weisen,
Und dich lesen wird Herr Hotho.
Ich ahme diesem Volksliede nach und singe:
Don Ramiro, Grand zu Hotho,
Du allein, du könntest schildern
Hirsewenzels trag‘sches Werden
Dir gemäß mit Hegels Bildern.
Isidor näherte sich den sechs Gebrüdern Piepmeyer mit Kamm und Nadel bewaffnet. Er kniete nieder, lösete die Bänder, welche die sechs Haarwüchse fesselten, so daß sie in sechs Fluten von sechs Nacken herniederwallten, und nachdem er mit seinem Geräte in diesem Sechsgelock Ordnung gestiftet hatte, ging er daran, zu strählen und zu flechten.
In diesem Augenblicke empfing er in seiner melancholischhumoristischen Weltanschauung die Gestalt des Till.
Sie erinnern sich gewiß dieser wundersamen Figur, mit welcher unser damaliger Wachtfriseur, nunmehriger Dichter, so vielen genialen Spaß auszurichten sich bemüht hat. Meistens hat der Till es mit einem Barbierer, namens Schelle, er verschmäht aber auch Rätinnen und Polizeidirektoren nicht, nein! es ist zum Totlachen, was für Späße der Till angibt, der durchtriebene Vogel, der Till... und wenn ich an den Till denke, und an Till und Schelle, und Schelle und Till... und an Tell und Schille... und an alle die Späße von dem Till, so — — so — —«
Der Freiherr brach bei der lebhaften Erinnerung an Tills Späße in ein konvulsivisches Lachen aus, welches so klang, als wenn hölzerne Klötzchen in einer Büchse von Blech hin- und hergeschüttelt werden. Der alte Baron klopfte ihm den Nacken, Münchhausen erholte sich wieder und fuhr fort:
»... so kann ich nur bedauern, daß die »Meerrettiche«, die der Dichter auch in sechs Paar Trilogien auf seinem Krautfelde ziehen wollte, nicht fertig geworden sind. Doch vielleicht kommen sie noch nach, denn bei Hirsewenzel ist nichts unmöglich. Bis nun der Meerrettich zum Rindfleisch abgesotten sein wird, müssen wir uns mit dem Till behelfen, dem ich wohl eine Petersilie wünschen möchte, das gäbe eine Mariage von Küchenkräutern, worüber jeder Köchin das Herz im Leibe poppern würde.
Ich habe immer, wenn ich die Tille sah, an einen Menschen denken müssen, den ich einmal in einem Dorfe zwischen Jüterbog und Treuenbrietzen, mich dünkt, es hieß Knippelsdorf, oder so ungefähr, kennenlernte. Die Gegend um Knippelsdorf ist etwas unfruchtbar, nur bei großen Überschwemmungen werden die Felder grün, dann gibt es große Festlichkeiten, wobei sich die Leute in Grütze satt essen. Aber hübsche Kiefern haben sie da, und Windhafer, soviel ihr Herz begehrt. Die Achse war mir am Wagen gebrochen; ich mußte ein paar Stunden im Kruge sitzen, bis der Stellmacher sie, nämlich die Achse, repariert hatte. Dieser Aufenthalt zeigte mir »Knippelsdorfer Zustände«. Es war neun Uhr morgens, und ein schöner heißer Julius, indessen schien der Tag durch die runden Fenster der Krugstube nicht absonderlich hell, sie waren gar zu verschmaucht. In der Stube gingen die Hühner spazieren, uneigennützig, denn zu essen gab es da nichts, wie ich erfuhr, als ich nachfragte. Zu trinken konnte ich bekommen, wenn ich bis zum folgenden Tage bleiben wollte, da würden sie Dünnbier von Zahne holen, sagten sie. Es roch abscheulich in der Stube, aber auf Reinlichkeit hielten sie doch, denn eine Magd im Negligé mit fliegendem Haar wischte gehörig den langen Tisch ab, und nachher mit demselben Tuche die irdenen Teller. Eine Anzahl von Fliegen summte in der Stube, und die schlug ein höhnischer,