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die Sünde über mich nehmen, zum Frommen Eures Gutes am Wildbann der hiesigen Edelleute zu freveln, obgleich ich eigentlich dadurch — —«

      Er wollte etwas hinzusetzen, brach aber schnell ab und ging auf andere gleichgültige Gegenstände über.

      Wer aber glaubt, daß die Unterhaltung dieses westfälischen Hofschulzen und schwäbischen Jägers so flüssig vonstatten gegangen sei, wie meine Autorfeder sie niedergeschrieben hat, der irrt sich. Vielmehr waren noch oft mehrmalige Wiederholungen nötig, ehe und bevor ein notdürftiges Verständnis zwischen ihnen eintrat. Hin und wieder mußte selbst die Finger- und Zeichensprache zu Hilfe genommen werden. Denn der Hofschulze hatte in seinem Leben nichts von einem: ch hinter dem: s gehört, auch brachte er alle Töne hinten aus der Gurgel, oder wenn man will, aus dem Rachen hervor. Dagegen war dem Jäger das göttliche Geschenk, welches uns von den Tieren unterscheidet, ganz zwischen die Lippen und Vorderzähne gelegt worden, von wo denn die Laute mit wundersamer schwerträchtiger Fülle und sausendem Zischen ausbrachen. Aber durch diese fremden Schalen hindurch hatten der alte und der junge Mann bald aneinander Behagen gefunden. Da sie beide vom echtesten Schrot und gewichtigsten Korn waren, so mußten sie wohl einer des andern Kern erkennen.

      Auf seiner Eckstube hatte jedoch der Jäger auch Schalen entdeckt, die ihn nach ihrem Kerne verlangen machten. Er sah nämlich, als er seine leichten Habseligkeiten und schweren Goldrollen aus der Jagdtasche nahm, um sich häuslich einzurichten, in der Ecke des Zimmers ein Nachthäubchen, ein Tüchlein und ein Röckchen sauber über die Lehne eines Stuhles gehängt. Alle diese Stücke waren, wie der Augenschein lehrte, getragen, dennoch leuchteten sie von Schneeweiße. »Ei!« rief der Jäger, »hat hier vor mir ein hübsches Maidel gehaust? Da werde ich schon Glück haben.« Er wollte in einer Laune, die ihn plötzlich anstieß, sich das Nachthäubchen aufsetzen, es war aber viel zu klein für sein Haupt. Er maß an der Zerknitterung der Bänder das Oval des Gesichtes ab und fand dieses ohne Tadel. Das Röckchen deutete auf den zierlichsten Leib und das Tüchlein ließ nach den Falten und nach der Beugung, die es behalten, vermuten, daß unter ihm ein junger, runder Busen geschlagen habe. Plötzlich aber errötete er unter diesen Spielereien bis hoch hinauf zu den Schläfen, er schämte sich ihrer, die ihn freventlich bedünken wollten, er stellte den Stuhl mit den Kleidungsstücken hinter einen Schirm, um sie nicht ferner zu sehen, und setzte sich zum Schreiben nieder, die schweifenden Gedanken in Ordnung zu bringen.

      Als er abends in den Flur hinunter zum Essen gerufen wurde, fand er die Knechte und Mägde, die ihr Abendbrot schon früher genossen hatten, im vollen Erzählen um den Hofschulzen.

      Dieser hatte auch bereits seinen Salat verzehrt, hörte zu, und bestätigte oder bestritt, was seine Moralschüler vorbrachten. Der rothaarige Knecht, welcher die Warnung vor dem Zanken erhalten hatte, sagte: »Das ist ein rechtes Glück, Baas, daß Ihr mir gerade heute die Lehre gegeben habt, denn ich begegnete, wie ich die Pferde in die Nachtweide trieb, dem Pitter vom Bandkotten, auf den ich schon längst fuchsfalsch bin, und da habe ich ihm die Nase braun und blau geschlagen.«

      »Dieses ging ja aber schnurstracks gegen die Vermahnung!« rief der Hofschulze.

      »Behüte Gott«, versetzte der Rothaarige. »Als zum Beispiel, so führte ich einen Zaunpfahl bei mir, um damit die Pferde einzutreiben, und wie ich nun den Pitter ansichtig wurde und ihn niedergeschmissen hatte, so dachte ich, du willst dem Hund mit dem Pfahl eins versetzen, daß er auf Lebenszeit genug hat, weil er nämlich an allen Mädchen herumkaressiert, so daß man gar nicht mehr ankommen kann. Aber da dachte ich auch, daß ich soviel darüber nachgedacht hatte: »Jach sein zum Hader, zündet Feuer an, und jach sein zum Zanken, vergießt Blut,« und gab ihm bloß einen Puff auf die Nase und damit gut, und dann noch einen Tritt ins Kreuz und ließ ihn laufen.«

      »Nun insofern mag es gut sein, aber künftig kannst du auch das Puffen und Treten unterlassen, wenn du über den Spruch nachgedacht hast,« erwiderte der Hofschulze.

      Der kleine Schwarzäugige, Verwegne sagte: »Meiner Treu, es ist und bleibt wahr, daß ein Sperling in der Hand besser ist, als ein Reiher auf dem Dache. Darum habe ich die Gedanken auf die Gertrud drüben eingestellt, weil sie gar zu hoffärtig ist, und auf Michael einen Verspruch mit dem Wicht von Hölschers getan, die ich kriegen konnte.«

      »Magst du sie denn leiden?« fragte der Hofschulze.

      »Ne«, erwiderte der Kleine, »es wird aber doch schon gehen.«

      Der dicke Langsame, welcher zur Ameise geschickt worden war, ihre Weise anzusehen, erklärte, dabei nichts gelernt zu haben, »denn«, sagte er, »ich bin auf keine Ameise gestoßen.« Dagegen sagte die erste Magd: »Euer Spruch, Baas, trifft nicht zu. »Hast du Vieh, so warte sein, und trägt dir‘s Nutzen, so behalte es.« Denn ich habe die Kühe zu Abend gehörig gemelkt und abgewartet, und Nutzen würden sie mir auch tragen, aber behalten darf ich sie darum doch nicht.«

      »Der Spruch geht auf eine eigene Wirtschaft, und wenn du eine bekommst, so wird er eintreffen«, antwortete der Hofschulze. »Ja so«, sagte das Mädchen. — »Aber Ihr habt eine eigene Wirtschaft, Baas, und das Vieh trägt Euch Nutzen und Ihr behaltet es, und doch wartet Ihr nicht sein.«

      »Es ist ein Spruch für Frauenzimmer, nicht für Mannsleute«, antwortete der Hofschulze etwas barsch. »Und nun laß dein Fragen und schließ die Milchkammer zu.«

      Das Mädchen, welches am Mittage von dem Spruche: »Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt endlich an die Sonnen,« rot geworden war, hatte bisher seitwärts und in sich gekehrt gesessen, an ihrer Schürze gezupft und scheu vor sich nieder geblickt.

      Als nun die übrigen Knechte und Mägde gegangen waren, schlich sie sich zu ihrem Herrn, zupfte ihn verstohlen am Rock und ging mit ihm vor die Türe ins Freie. Nach einiger Zeit kam der Hofschulze allein zurück und sagte zu seiner Tochter:

      »Es ist richtig, die Gitta hat mir‘s eben gestanden, sie hat sich mit dem Matthies vergangen. Sprich du weiter mit ihr und sag ihr, wenn sie sich sonst ordentlich halte, wolle ich sorgen, daß der Matthies an ihr seine Schuldigkeit tue.«

      »Ich habe mir‘s gleich gedacht«, antwortete die Tochter, ohne über die Entdeckung und den ihr erteilten Auftrag verlegen zu werden.

      Nach ihrer Entfernung sprach der Jäger seine Verwunderung über die Gewalt aus, welche er seinen Wirt in diesem Falle hatte üben sehen. »Das ist ganz leicht«, versetzte der Hofschulze. »Ein jeder weiß, daß er nicht bei mir in Dienst bleibt, wenn ich auf ihn einen Argwohn habe, und er nicht bekennt und zu Kreuz kriecht. Tut er das aber, so vergebe ich ihm oder nehme mich seiner an. Da es mir meine Umstände zulassen, bei allem Lohn einen Taler mehr zu geben, als meine Nachbaren, so mag keiner vom Oberhof herunter. Kriege ich nun von etwas Wind, so ziele ich darauf mit einem Spruche hin, und gemeiniglich wird dann gebeichtet, weil nämlich der Sünder weiß, daß außerdem ihm der Dienst aufgesagt ist.«

      Sie wünschten einander gute Nacht, und der Jäger ging auf sein Zimmer. Er entkleidete sich, schlug die Decke des Bettes zurück und sah an kleinen Fältchen der übrigens blendend weißen Leintücher, daß die Leute nicht für nötig gefunden hatten, dieselben nach dem letzten Besuche, welcher auf dieser Stube geherbergt, zu wechseln. Eine wunderbare Empfindung durchrieselte ihn; er hatte das Mädchen, welches hier geruht, schon ganz vergessen gehabt, nun fiel ihm das Nachthäubchen wieder ein, er nahm es vom Stuhl, maß abermals an der Zerknitterung das Oval des Gesichtes ab, drückte es an seine Wange, wie um sie zu kühlen, und brach plötzlich in heftige Tränen aus. Denn in dieser jungen, saftschwangern Natur lagen noch alle Widersprüche des Ernsten und Närrischen, welche das Leben später bis zur Gleichgültigkeit abdämpft, chaotisch nebeneinander.

      Seine Unruhe, als er sich zwischen den Decken ausgestreckt hatte, wurde vermehrt, als er sich auf einmal erinnerte, daß er bei dem Abschiede von dem alten Jochem diesem ja gar nicht gesagt habe, wo er während dessen Spürfahrt verweilen wolle.

      Sechstes Kapitel

Der Jäger schreibt an seinen Freund Ernst im Schwarzwalde

      »Mentor, mein Mentor, dem leider der verständige Jüngling Telemachos fehlt, was wirst Du sagen, wenn Du meine Hand und die Überschrift des Briefes zu schauen bekommst? Du,

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