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Sekunden später kamen zwei Reiter an die Treppe, an deren oberem Ende sie der Besitzer der Hacienda erwartete. Der eine war ein Mann von etwa dreißig Jahren, dessen offenes Gesicht und hohe Stirn von ebensoviel Kühnheit als Verstand zeugten. Er war gewandt, schön gewachsen und mit Eleganz, wenn auch einfach, gekleidet.

      »Ach, Ihr seid es, Pedro Diaz!« rief Don Agustin. »Gibt es etwa einige Indianer nicht weit von hier zu töten, daß Ihr Euch in unseren Einöden befindet?«

      Pedro Diaz war in der Tat bekannt durch seinen Haß gegen die Indianer, durch seine Kühnheit im Kampf mit ihnen und durch seine Geschicklichkeit, sich aus der schlimmsten Lage zu ziehen. »Bevor ich Euch antworte«, sagte er, »erlaubt mir, Euch den König der Gambusinos und den Prinz der Musiker vorzustellen: Don Diego Oroche, der das Gold wittert wie ein Hund das Wild und die Mandoline spielt wie nur er allein.«

      Die unter dem Namen Oroche vorgestellte Person grüßte den Hacendero ernst.

      Es war indes wahrscheinlich schon lange her, daß das feine Gefühl, von dem Pedro Diaz sprach, Gelegenheit gehabt hatte, sich zu üben, oder die Karten waren dem Señor Oroche sehr ungünstig gefallen, denn sein Äußeres war nichts weniger als einnehmend. Um mit der Hand an seinen Hut zu fassen, brauchte er nicht die Falten seines Mantels in Unordnung zu bringen, in den er sich kunstvoll gehüllt hatte. Es war hinreichend, unter den Löchern dieses Mantels eines zu wählen, um nach Belieben seine mit harten und spitzen Nägeln bewaffnete Hand auszustrecken, deren wunderbare Länge ihn als einen Mandolinenspieler ankündigte. Wirklich trug er eine solche quer über dem Rücken. Während er sich höflich vor dem reichen Besitzer verneigte, fielen lange Büsche ungekämmten Haares auf sein Gesicht, straff und starr wie das Schilf, mit dem die Mythologie den Kopf der Flußgötter bekränzt.

      Als sie im Saal Platz genommen hatten, begann Diaz: »Wir haben davon gehört, daß in Arizpe eine Expedition nach dem Innern der Apacheria ausgerüstet würde, und dieser Kavalier und ich, wir haben uns unmittelbar auf den Weg gemacht, um daran teilzunehmen. Unser Weg hat uns nach Eurer Hacienda geführt, Don Agustin, und wir bitten Euch nun um Gastfreundschaft bis morgen. Mit Tagesanbruch werden wir uns auf den Weg nach Arizpe begeben.«

      »Ihr braucht nicht so weit zu gehen«, antwortete der Hacendero; »die Expedition ist in der Nähe, und ich erwarte ihren Führer hier noch heute abend. Er wird Eure Dienste gern annehmen, dafür bürge ich, und Euch somit einige Tagereisen ersparen.«

      »Das ist prächtig«, erwiderte Diaz, »und ich danke Gott für dieses glückliche Zusammentreffen.«

      »Hat Euch denn der Durst nach Gold auch ergriffen?« fragte Don Agustin Pedro Diaz.

      »Nimmermehr, Gott sei Dank; ich überlasse die Sorge, Gold zu suchen, einem so erfahrenen Gambusino wie Señor Oroche. Ich für mein Teil habe, wie Ihr wißt, keine andere Sorge, als Vergeltungsrecht an den Indianern zu üben für alles Unheil, das sie mir zugefügt haben, und darum habe ich auch mit Freuden die Gelegenheit ergriffen, Feuer und Schwert, die sie so oft unter uns gehandhabt haben, einmal auch tief in ihr Land zu tragen.«

      »Das ist recht«, erwiderte der Hacendero, der, wie alle den Einfällen dieser unversöhnlichen Feinde der weißen Rasse ausgesetzten Grenzbewohner, in seinem Herzen einen gleichen Haß nährte wie Pedro Diaz. »Ich billige solche Gesinnung, und wenn Ihr erlaubt, so biete ich Euch als Pfand der meinigen eines meiner besten gesattelten Pferde an; der Indianer, den Ihr auf diesem edlen Tier verfolgt, muß auf den Flügeln des Windes reiten, um nicht von Euch erreicht zu werden, welchen Vorsprung er auch vor Euch haben mag.«

      »Das soll mein Schlachtpferd sein«, erwiderte Diaz mit vor Freude leuchtenden Augen, »und ich will seine Mähne mit indianischen Skalplocken zieren zum Andenken an den, der es mir gegeben hat.«

      Die Unterhaltung betraf nun Expeditionen von der Art derjenigen, die Don Estévan befehligte, sowie mehrere andere Gegenstände, die gewöhnlich die Unterhaltung der mexikanischen Pächter bilden; und da es schon finster wurde und der erwartete Gast noch nicht kam, gab Don Agustin zwei Dienern den Befehl, sich mit Fackeln zu versehen und ihm entgegenzureiten.

      »Ich weiß nicht, welches Ereignis den Marsch Don Estévans verzögert haben kann«, sagte der Hacendero, als seine Befehle ausgeführt waren. »Wenn er, wie es doch wahrscheinlich ist, an der Poza übernachtet hat, so müßte er schon seit fast zwei Stunden hier sein.«

      Man weiß, wie die beim Wiedereinfangen der flüchtigen Pferde verlorene Zeit den Aufbruch des Zugs verzögert hatte.

      Don Agustin hatte eben gesprochen, als plötzlich eine anmutige Erscheinung den Saal betrat: es war die Tochter des Hacenderos, die schöne Rosarita. Als ob der Reiterzug nur ihr Erscheinen abgewartet hätte, so kündigten sogleich ein Lärm von Pferden innerhalb der Ringmauer der Hacienda und der Glanz von Fackeln, die in der Dunkelheit leuchteten, die Ankunft der Gäste an, die Don Agustin Peña erwartete.

      12. Doña Rosarita

      Während des ganzen Rittes von der Poza bis zur Hacienda del Venado war das Schweigen nur selten von den beiden Reitern unterbrochen worden, die zusammen auf einem Pferd saßen. Obwohl Cuchillo keineswegs auf seine Rachepläne gegen Tiburcio verzichtet hatte, so waren doch seine Absichten unter einer anscheinenden Gutmütigkeit, die er nach Bedürfnis anzunehmen wußte, verborgen. Er hatte mehrmals versucht, auf dem Grund der Seele seines Begleiters zu lesen; allein dieser verhielt sich ganz defensiv und suchte seinerseits Cuchillo auszuforschen, denn er vergaß nicht, daß der Mörder Arellanos, seines Adoptivvaters, in seinem letzten Kampf am Fuße verwundet worden war. Cuchillo hatte sich aber jedenfalls mit mehr Gewandtheit verteidigt, als er beim Angriff gezeigt hatte, und so war zuletzt ihre mit Unterbrechungen geführte Unterhaltung nur ein geschicktes Lanzenbrechen gewesen, in dem keiner der beiden Kämpfer gesiegt hatte oder besiegt wurde.

      Die Folge davon war jedoch, daß ein instinktmäßiges Mißtrauen der beiden Reisegefährten gegeneinander Wurzeln gefaßt und jeder eine Ahnung davon hatte, daß der andere sein Todfeind sei. Cuchillo war mehr als je entschlossen, sich seiner, auch ohne seiner Sache gewiß zu sein, zu entledigen; der besser gesinnte Tiburcio erinnerte sich des Eides, den er seiner Adoptivmutter geschworen hatte, verschob aber dessen Erfüllung, bis er eine vollkommene Kenntnis des Falls erlangt haben würde. Wir brauchen nicht hinzuzufügen, daß in diesem letzteren Fall der Rächer Marcos Arellanos‘ die Erfüllung seines Gelübdes nur in einem Kampf auf Leben und Tod sah, aber mit offenem Visier.

      Andere Ideen nahmen auch noch die Gedanken Tiburcios in Anspruch: Jeder Schritt brachte ihn derjenigen näher, in der sich seine zärtlichsten Neigungen vereinigten, und wie es dem Herzen des Mannes eigentümlich ist, das zu hoffen, was er nur halb wünscht, so muß er auch immer unübersteigbare Hindernisse sich gegen ihn und gegen den Besitz der Gegenstände auftürmen sehen, nach denen er am eifrigsten begehrt. Darin liegt das Geheimnis der heroischen Entschlüsse.

      Während des Rittes war die Aufregung Tiburcios nach und nach gefallen, und er sah nun Unmöglichkeiten, die seine Träume im Nachtlager an der Poza ihn nicht hatten bemerken lassen. Er faßte also den verzweifelten Entschluß, noch diesen Abend zu erfahren, woran er sich zu halten habe.

      Als Tiburcio durch die Gunst des Zufalls Doña Rosarita tief im Wald getroffen hatte, verirrt samt ihrem Vater und den Dienern, die sie begleiteten; als er, überglücklich, sie zwei Tage begleiten zu können, der Schönheit des jungen Mädchens jene Huldigung dargebracht hatte, die bei einem jungen Mann eine rasche und tiefe Liebe ist, hatte er sich mit sehr süßen Träumen eingewiegt bis zu dem Augenblick, in dem er erfuhr, daß sie die Tochter des reichen Don Agustin Peña sei, und die ganze Torheit seiner Hoffnungen einsah, indem er die Entfernung maß, die ihn von ihr trennte.

      Wenn er also mit so großem Eifer die Hoffnung festhielt, die die Offenbarung des Geheimnisses, das er besaß, in ihm erregt hatte; wenn die ängstliche Gier nach Reichtum ihn quälte, so geschah dies nicht um des Reichtums willen. Er hatte dabei einen noch edleren Zweck, der seinem mehr poetischen als der Wirklichkeit sich hingebenden Charakter viel angemessener war, nämlich den, sich eine goldene Brücke zu bauen, um bis zur Tochter Don Agustin Peñas zu gelangen. Unglücklicherweise konnte er es sich nicht mehr verhehlen, daß er nicht allein das Dasein und die Lage der geheimnisvollen Goldmine wußte. Mit einem Mal leuchtete ihm ein, daß die Expedition,

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