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not.“

      Als der Diakonus die Litanei beendet hatte, wandte sich der Priester mit seinem Buche zu den Verlobten: „Ewiger Gott, der du das Getrennte vereinet hast,“ las er mit weicher, singender Stimme, „der das Band der Liebe unauflöslich gestiftet, und Isaak und Rebekka gesegnet hat, dir stelle ich diese als Nachfolger in deinem Bunde vor. Segne du sie selbst, diese deine Knechte, Konstantin und Jekaterina, denen ich allen Segen wünsche, gleichwie du ein erbarmender Gott voll Menschenliebe bist und wir dir Lob singen, dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste jetzt und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“ Wiederum ertönte in der Höhe der unsichtbare Chor.

      „Der das Getrennte vereinet hat und das Band der Liebe gestiftet, wie gedankenvoll diese Worte sind und wie sie dem entsprechen, was man in diesem Augenblick empfindet,“ dachte Lewin. „Ob sie wohl das Nämliche fühlt wie ich?“

      Aufschauend begegnete er ihrem Blick, aus dessen Ausdruck er schloß, daß sie ebenso verstanden hatte, wie er. Aber dies war durchaus nicht der Fall; sie hatte fast gar nichts von den Worten der Ceremonie verstanden, ja, diese während der Verlobung nicht einmal vernommen. Sie war nicht fähig, sie zu vernehmen und zu fassen, so mächtig war jenes eine Gefühl, welches ihr die Seele füllte und mehr und mehr zunahm. Dieses Gefühl war das der Freude über die endgültige Vollendung dessen, was schon sechs Wochen zuvor in ihrer Seele vollendet gewesen war und sie im Laufe dieser langen Wochen erfreut und zugleich bedrückt hatte. In ihrer Seele hatte sich, am nämlichen Tage, als sie in dem zimmetfarbenen Kleid im Salon des Hauses Arbatskiy schweigend zu ihm hingetreten war und sich ihm ergeben hatte, zu Tag und Stunde ein völliger Bruch mit ihrem früheren Leben vollzogen; sie hatte ein vollständig anderes, neues, ihr noch völlig unbekanntes Leben begonnen, in der Wirklichkeit freilich das alte nur fortgesetzt. Diese sechs Wochen bildeten die seligste und doch zugleich auch qualvollste Zeit für sie. Ihr ganzes Leben, alle ihre Wünsche und Hoffnungen, vereinigten sich in jenem einen, von ihr noch nicht verstandenen Manne, mit welchem sie ein Etwas, welches von ihr noch weniger begriffen wurde, als jener Mann selbst, verband, ein bald näherungslustiges, bald abstoßendes Gefühl; bei alledem aber fuhr sie fort, in den Verhältnissen ihres vorherigen Lebens weiter zu leben. In diesem ihren alten Leben hatte sie Schrecken empfunden über sich selbst, über ihre vollendete, unbezwingbare Gleichgültigkeit ihrer gesamten Vergangenheit gegenüber; ihrem Eigentum, ihren Gewohnheiten, den Menschen, die sie geliebt hatten und noch liebten, ihrer Mutter die über diese Gleichgültigkeit erbost war, und ihrem guten, früher über alles in der Welt geliebten, zärtlichen Vater gegenüber. Bald erschrak sie über diesen Gleichmut, bald empfand sie Freude über das, was sie dazu gebracht hatte. Sie mochte nichts weiter denken oder wünschen als ein Leben mit jenem Manne, aber dieses neue Leben war noch nicht eingetreten, und sie vermochte es sich nicht einmal klar vorzustellen. Es war nur ein Erwarten – Furcht und Freude über etwas Neues und noch nicht Bekanntes. Jetzt aber, siehe da, war dies Erwarten und die Unkenntnis, die Reue über den Verzicht auf ihr vorheriges Leben vorüber, und etwas Neues sollte beginnen. Dieses Neue aber konnte nicht furchtbar sein in seiner Unbekanntheit; gleichviel, mochte es furchtbar oder nicht furchtbar sein, es hatte sich sechs Wochen vorher schon in ihrer Seele voll entwickelt und wurde jetzt nur das geweiht, was sich lange vorher schon in derselben vollzogen hatte.

      Wieder auf den Altar zurückgekehrt, nahm der Geistliche mit Mühe den sehr kleinen Ring Kitys und steckte ihn, sich Lewins Hand reichen lassend, an dessen erstes Fingerglied. „Es wird verbunden der Knecht Gottes Konstantin mit der Magd Gottes Jekaterina.“ Nachdem er den großen Ring an den rosigen kleinen, in seiner Schwächlichkeit Mitleid erregenden Finger Kitys gesteckt hatte, wiederholte der Priester das Nämliche.

      Mehrmals glaubten die Brautleute zu erraten, was sie thun müßten, irrten aber jedesmal, und der Geistliche wies sie mit flüsternder Stimme an. Endlich, nachdem alles Erforderliche erledigt war, und er die Ringe gesegnet hatte, übergab er nochmals Kity den großen und Lewin den kleinen Ring, aber von neuem gerieten beide in Verwirrung, und wechselten zweimal den Ring, ohne daß das zu stande kam, was erforderlich war.

      Dolly, Tschirikoff und Stefan Arkadjewitsch traten vor, um zu verbessern. Eine Konfusion, Zischeln und Lächeln entstand, aber der feierlich stille Ausdruck auf den Zügen des Brautpaares änderte sich nicht, im Gegenteil, als sie sich mit den Händen geirrt hatten, schauten sie noch ernster und feierlicher als vorher, und das Lächeln, mit welchem Stefan Arkadjewitsch flüsterte, daß jetzt jedes seinen eigenen Ring aufzustecken habe, erstarb unwillkürlich auf dessen Lippen. Er fühlte, daß jedes Lächeln sie nur kränken könne.

      „Denn du hast von Anfang an das männliche Geschlecht geschaffen und das weibliche,“ las der Priester weiter nach dem Ringwechsel, „und von dir wird dem Manne das Weib gesellt zur Hilfe und zur Fortpflanzung des Menschengeschlechts. Denn du selbst, Herr unser Gott, hast die Wahrheit gesandt zu deiner Nachfolge und für deinen Bund, für deine Knechte, unsere heiligen Väter, deine Auserwählten; schaue auf deinen Knecht Konstantin und deine Magd Jekaterina und bestätige ihren Bund im Glauben und in der Einmütigkeit und in der Wahrheit und in der Liebe.“

      Lewin empfand mehr und mehr, daß alle seine Ideen über das Heiraten, seine Gedanken darüber, wie er sein Leben hatte einrichten wollen, kindlich gewesen waren, und daß hier etwas vor sich ging, was er bis jetzt noch nicht verstanden hatte, und jetzt sogar noch weniger verstehe, obwohl es sich über ihm selbst vollzog. In seiner Brust hoben sich höher und höher innere Schauer, und zudringliche Thränen traten ihm in die Augen.

      5

      In der Kirche befand sich ganz Moskau an Verwandten und Bekannten. Während der Ceremonie der Trauung, in der glänzend erleuchteten Kirche, im Kreise der geputzten Damen und jungen Mädchen, der Herren in weißen Krawatten, in Fräcken und Uniformen war ununterbrochen eine leise Konversation geführt worden, die namentlich die Herren anregten, während die Damen in der Beobachtung aller Einzelheiten einer sie stets ja sehr fesselnden heiligen Handlung versunken waren.

      In dem Kreise der der Braut zunächst Stehenden befanden sich deren beide Schwestern, Dolly und die ältere, ruhige und schöne Lwowa, die aus dem Auslande gekommen war.

      „Was ist das für ein Mary-Kostüm in Veilchenblau; gerade als wäre es schwarz – zu einer Hochzeit“ – sprach die Korsunskaja.

      „Die einzige Rettung für ihren Teint,“ antwortete die Trubezkaja. „Mich wundert, daß man die Trauung abends ausgeführt hat – das ist so kaufmännisch“ —

      – „Aber schöner. Auch ich bin abends getraut worden,“ antwortete die Korsunskaja und seufzte, als sie daran dachte, wie schön sie an jenem Tage, wie lächerlich verliebt in sie ihr Mann damals gewesen war, und wie jetzt so alles ganz anders geworden sei.

      „Man sagt, daß jemand der mehr als zehnmal Brautführer gewesen ist, nicht heirate; ich wollte es heute zum zehntenmale sein, um mich in Furcht zu setzen, allein die Stelle war besetzt,“ sprach Graf Sinjawin zu der hübschen jungen Fürstin Tscharskaja, die Absichten auf ihn hatte.

      Die Tscharskaja antwortete ihm nur mit einem Lächeln. Sie blickte auf Kity, und dachte daran, wie und wann sie selbst mit dem Grafen Sinjawin an Kitys Stelle sein würde, und wie sie diesen dann an seinen jetzigen Scherz erinnern wollte.

      Schtscherbazkiy sagte dem alten Fräulein Nikolajewa, daß er den Kranz auf Kitys Chignon setzen werde, damit sie glücklich werde.

      „Es ist gar nicht nötig einen Chignon aufzusetzen,“ antwortete die Nikolajewa, die schon längst entschlossen war, daß, wenn sie der alte Witwer, nach welchem sie angelte, heiraten sollte, die Trauung die allereinfachste sein sollte. „Ich liebe dieses ‚fast‘ nicht.“

      Sergey Iwanowitsch sprach mit Darja Dmitrjewna, sie scherzend versichernd, daß die Sitte, nach der Vermählung abzureisen, deswegen so verbreitet sei, weil Neuvermählte stets kein gutes Gewissen hätten.

      „Euer Bruder kann stolz sein. Es ist wunderbar, wie schön sie ist. Ich glaube, Ihr beneidet ihn?“

      „Ich habe das schon durchgemacht, Darja Dmitrjewna,“ antwortete er und sein Gesicht nahm unerwartet einen trüben und ernsten Ausdruck an.

      Stefan Arkadjewitsch erzählte nun seiner Schwägerin einen schlechten Witz über eine Ehescheidung.

      „Man

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