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ob die Auftragssituation gut ist oder nicht. Da ist sicherlich etwas dran. Es gab die eine oder andere schlaflose Nacht am Anfang meiner Selbstständigkeit, in der ich mich gefragt habe, ob ich wirklich den richtigen Weg eingeschlagen habe. Das ist etwas, was auch Karla und Ida aus Paragrafen-und-Prosecco umtreibt, als sie sich entschließen, eine Anwaltskanzlei zu gründen. Die Unsicherheit, ob genügend zahlungskräftige Mandanten kommen, bleibt einem lange erhalten. Natürlich dauert es auch eine Weile, bis man von anderen Leuten empfohlen wird und ein Netzwerk aufgebaut hat. Die Idee, Flyer zu verteilen und gleich am nächsten Tage mit neuen Kunden zu rechnen, ist verlockend, funktioniert aber nicht. Tatsächlich kamen manchmal Mandanten zu mir ins Büro, die einen Flyer mitbrachten, den sie Jahre zuvor auf irgendeiner Veranstaltung bekommen hatten. Das war die Zeit, als wir noch mit gedruckten Werbematerialien gearbeitet haben. Heute werben wir ausschließlich im Netz.

      Hinzu kommt noch Folgendes: Ich meine es wirklich nicht despektierlich, wenn ich festhalte, dass man gerade am Anfang der Berufstätigkeit mit sehr vielen Menschen zu tun hat, die sich selbst keinen Anwalt leisten können. Zumindest war das bei uns im Büro so. Für so etwas gibt es die Möglichkeit, Beratungshilfe beim Staat zu beantragen. Das ist gut und richtig so. Klar ist aber auch, dass man keine Anwaltskanzlei betreiben kann, wenn man nur Mandanten auf Beratungshilfebasis betreut. Das merkt auch Karla in ihrer Gutmütigkeit sehr schnell.

      Und tatsächlich kam es in den Anfängen häufiger vor, dass Angestellte bezahlt wurden, für die Anwältinnen aber zu wenig Geld übrig blieb. Auch etwas, was in den Paragrafen-und-Prosecco-Büchern thematisiert wird. Man braucht also eine gehörige Portion an Disziplin, Idealismus und Freude am Beruf, um in solchen Situationen nicht aufzugeben.

      Rückblickend bedauere ich es manchmal, dass ich mir zu viele Sorgen gemacht habe und die damals noch mehr vorhandene Freizeit nicht entspannter genossen habe. Funktioniert aber vermutlich nie. Heute wird der Schreibtisch selten leer – das konnte ich am Anfang meiner Berufstätigkeit aber natürlich nicht wissen.

      5

      Vor Gericht

      Ich kann mich noch genau an meinen ersten Gerichtstermin als frisch gebackene Anwältin erinnern. Wie Karla habe ich nicht nur die Akte vorher auswendig gelernt, sondern auch noch die gesamte Kommentierung im Palandt, dem Standardkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, gelesen. Das war im Nachhinein völlig überflüssig und hat das Gericht nicht im Geringsten interessiert. Der Termin war innerhalb von wenigen Minuten mit der Stellung der Anträge erledigt.

      In der ersten Zeit habe ich viele der Fehler im prozessualen Bereich, die einem so unterlaufen können, auch gemacht. Es ist eben doch etwas anderes, vor Gericht zu stehen, als das Wissen nur aus Büchern zu ziehen. Meine Devise war: Bitte jeden Fehler nur einmal machen.

      Als Anwältin bin ich heute überwiegend beim Familiengericht unterwegs, in erbrechtlichen Verfahren ab und zu beim Landgericht. Wenn es in die zweite Instanz geht, fahre ich auch zum Oberlandesgericht. In Köln ist das ein schönes altes Gebäude, in dem sich auch das Nachlassgericht befindet. Über den Zustand des Amts- und Landgerichts in Köln hülle ich lieber den Mantel des Schweigens.

      Seit vielen Jahren bin ich vor den Gerichtsterminen nicht mehr aufgeregt, es sei denn, es geht um sehr viel und ich bin selbst unschlüssig, ob meine Meinung sich durchsetzt. Dann ist es wirklich spannend, in der mündlichen Verhandlung die Meinung des Gerichts zu hören und mit den Richtern zu diskutieren. Ein Stück weit ist die Routine also nach so vielen Jahren da, alles andere wäre auch merkwürdig. Natürlich erlebt man auch immer wieder Überraschungen vor Gericht. Ich habe zum Beispiel das Ehepaar vor Augen, das sich im Scheidungstermin erst tief in die Augen schaute und dann in die Arme fiel. Die Scheidung fand nicht statt und alle Beteiligten im Saal waren gerührt. Dann gibt es den Richter in Köln, der grundsätzlich zwei Termine parallel ansetzt, weil er der Meinung ist, dass immer einer der Beteiligten zu spät kommt. In Familiensachen steht man dann zu viert (zwei Anwälte und die Parteien) vor dem Saal und wartet. Das sind so Momente, da könnte ich … Ich balle die Faust in der Tasche und sage nichts, weil ich meine Mandanten nicht verschrecken will.

      Überhaupt: Wenn ich die Zeit bezahlt käme, die ich schon vor dem Gerichtssaal wartend verbracht habe, weil das Gericht nicht ordentlich terminiert hat …

      Was mich richtig ärgert, sind Richter, die die Parteien nicht begrüßen und nicht verständlich erklären, was sie tun. Das ist besonders in Scheidungen ein No-Go. Für die Leute ist es oftmals das erste und einzige Mal, wo sie vor Gericht erscheinen müssen. Dementsprechend aufgeregt sind sie. Von der emotionalen Anstrengung, den Ehepartner zu sehen und den endgültigen Schlussstrich zu ziehen, ganz zu schweigen. Da wünsche ich mir manchmal ein wenig mehr Einfühlungsvermögen und sicherlich nicht den Hinweis in Gegenwart der Eheleute, dass es sich bei Scheidungen um ein – O-Ton des Richters – „Massengeschäft“ handeln würde. Das sind aber glücklicherweise Ausnahmen, die die Regel bestätigen.

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