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DSGVO - BDSG - TTDSG. Группа авторов
Читать онлайн.Название DSGVO - BDSG - TTDSG
Год выпуска 0
isbn 9783800594207
Автор произведения Группа авторов
Серия Kommunikation & Recht
Издательство Bookwire
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Die Ausnahme des Anwendungsbereichs gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO ist nicht räumlich im Sinne des Schutzes der Wohnung oder des eigenen Grundstücks zu bestimmen,57 sondern nach dem sozialen Zweck und dem Kontext der konkreten Tätigkeit.58 ErwG 18 nennt beispielhaft das Führen von Schriftverkehr, Anschriftenverzeichnissen, die Nutzung sozialer Netzwerke und Online-Tätigkeiten und grenzt diese von Tätigkeiten mit Bezug zu beruflichen, geschäftlichen und wirtschaftlichen Tätigkeiten ab. Für Verarbeitungen im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken ergibt sich aus ErwG 18 klarstellend, dass die DSGVO für deren Betreiber anwendbar bleibt.
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Typischerweise dient eine Datenverarbeitung über die Beispiele in ErwG 18 hinaus familiären/persönlichen Zwecken, wenn sie im Rahmen einer nicht wirtschaftlichen Tätigkeit einer natürlichen Person vorgenommen wird. Dies sind z.B. Freizeit, Sport, privater Konsum, Liebhabereien, Privatreisen, Unterhaltung oder private Kommunikation. Soweit Familienforschung (Genealogie) betrieben wird, fällt dies jedenfalls nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO, wenn in nicht gewerbsmäßigem Umfang über die eigene Familie geforscht wird.59 Gewerbliche Familienforschung, etwa durch Erbensucher, fällt aber natürlich in den Anwendungsbereich der DSGVO.60 Im Rahmen persönlicher/familiärer Zwecke verarbeitete Daten können etwa Anschriften, Webadressen, Telefonnummern, E-Mail-Adressen oder Geburtstage sein. Die Verwaltung eigenen Vermögens ist eine private Tätigkeit, solange sie aufgrund ihres Umfangs nicht als gewerblich zu qualifizieren ist.61 Das Anfertigen von Fotos, Videos oder Zeichnungen kann ebenfalls von der Haushaltsausnahme erfasst sein und somit aus dem Anwendungsbereich der DSGVO herausfallen.62 Im Widerspruch zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Haushaltsausnahme nach dem Zweck der Tätigkeit stehen Ansätze zur einschränkenden Anwendung der Haushaltsausnahme für Aktivitäten im Internet und in sozialen Medien (dazu Rn. 20ff.) und zur Foto- und Videoaufzeichnung außerhalb des eigenen Grundstücks (dazu Rn. 25f.). Diese Ansätze gehen auf EuGH-Rechtsprechung zurück und müssen – trotz begründeter inhaltlicher Kritik – wegen sonst damit verbundenen rechtlichen Herausforderungen in der Praxis berücksichtigt werden.
b) Einschränkung der Haushaltsausnahme für Internet und soziale Medien
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Der EuGH schränkt die Haushaltsausnahme ein, wenn und soweit der persönlich/familiäre Bereich überschritten wird und personenbezogene Daten grundsätzlich unbeschränkt auf einer Webseite, in Printmedien oder sozialen Netzwerken veröffentlicht werden. Konkret entschieden hat der EuGH im Fall Lindqvist, dass die Haushaltsausnahmen keine Anwendung findet, wenn eine Katechetin personenbezogene Daten auf ihrer Webseite veröffentlicht, die mit der Webseite ihrer Kirchengemeinde verbundenen ist.63 Im Fall Satamedia hat der EuGH entschieden, dass die Veröffentlichung von Steuer- und Einkommensinformationen konkret benannter Personen aus öffentlich zugänglichen Quellen durch eine juristische Person in regionalen Printmedien nicht der Haushaltsausnahme unterfällt.64 Mit dem Urteil Buivids hat der EuGH entschieden, dass die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts nicht durch die Haushaltsausnahme ausgeschlossen ist, wenn Handyvideos von polizeilichen Vernehmungen auf Online-Videoportalen (konkret: www.youtube.com) veröffentlicht werden.65 Gelegentlich wird auch das EuGH-Urteil im Fall Zeugen Jehovas dieser Rechtsprechung zugeordnet, auch wenn es hier nicht um einen Online-Kontext geht, sondern um die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts und die Unanwendbarkeit der Haushaltsausnahme für Tätigkeiten einer Religionsgemeinschaft, konkret „Verkündungstätigkeiten von Tür zu Tür“.66
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Die Rechtsprechung des EuGH bezieht sich auf die Wortgleiche Regelung der Haushaltsausnahme in der DSRl. Eine Fortsetzung dieser Rechtsprechung ist weder nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO zwingend, noch aus Gründen des Betroffenenschutzes erforderlich. Gegen unberechtigte Veröffentlichungen personenbezogener Daten durch Private sind Betroffene nämlich angemessen nach den Maßstäben des allgemeinen Zivil- und Strafrechts geschützt.67 Teilweise wurde daher bezweifelt, ob der EuGH mit Inkrafttreten der DSGVO noch an seiner Rechtsprechung festhalten würde.68 Spätestens mit dem EuGH-Urteil Buivids69 ist jedoch davon auszugehen, dass die Kriterien des EuGH zur Einschränkung der Haushaltsausnahme auch künftig angewendet werden. Diese Rechtsprechung des EuGH ist damit für die Rechtspraxis genauso verbindlich wie problematisch. Damit wird nämlich das gesamte Anforderungsregime der DSGVO für Private anwendbar. Vor dem Tweet von Fotos einer privaten Feier müsste danach wohl eine Information gemäß Art. 13 DSGVO erfolgen und für die Nutzung von Instagram – auch im privaten Kontext – müsste sich der Nutzer wohl Gedanken über den Abschluss einer Vereinbarung über die Auftragsverarbeitung gemäß Art. 28 DSGVO oder die gemeinsame Verantwortlichkeit gemäß Art. 26 DSGVO und die Kontrolle der technisch-organisatorischen Maßnahmen machen.
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Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des EuGH stellt sich die Frage, welche Sachverhalte öffentlicher medialer Kommunikation durch Private nicht mehr von der Haushaltsausnahme erfasst sind, sodass auf sie das Datenschutzrecht insgesamt Anwendung findet. Für den Betrieb von Webseiten und damit ggf. verbundene Veröffentlichungen personenbezogener Daten besteht wegen der klaren Entscheidung in dem EuGH-Urteil Lindqvist70 wenig Anlass zur Diskussion. Hier findet das Datenschutzrecht Anwendung. Relevant ist aber die Anwendung der Haushaltsausnahme auf andere Formen der Kommunikation im Internet, konkret in sozialen Medien wie Facebook, Instagram, Twitter oder YouTube. Dazu wird vertreten, die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten in sozialen Netzwerken sei von der Haushaltsausnahme erfasst, wenn sie sozial beherrschbar sei, weil der Empfängerkreis definiert und begrenzt sei, etwa weil sich diese nur an „Freunde“ aus dem engeren sozialen Umfeld richte.71 Gegen diese Ansicht sprechen damit einhergehende Abgrenzungsschwierigkeiten, also konkret die Frage, wann ein Empfängerkreis nicht mehr definiert und begrenzt ist.
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Andere wollen daher die Grundsätze des EuGH-Urteils Lindqvist72 revidieren und Veröffentlichungen in sozialen Medien grundsätzlich der Haushaltsausnahme unterstellen und damit vom Anwendungsbereich des Datenschutzrechts ausnehmen.73 Für diese Ansicht spricht die erkennbare Intention des europäischen Gesetzgebers, der die Haushaltsausnahme in Kenntnis der technischen Ausgestaltung des Internets und sozialer Netzwerke ausdrücklich auf Online-Tätigkeiten und Tätigkeiten in sozialen Netzwerken erstreckt hat.74 Deutlich wird das aus dem Vergleich mit dem Entwurf des Parlaments in dem noch eine vermittelnde Position angelegt war, indem die Haushaltsausnahme gelten sollte, wenn der Kreis der Empfänger voraussichtlich begrenzt ist. Diese Fassung wurde aber gerade nicht verabschiedet.75 Dieser Ansatz vermeidet auch problematische rechtliche Konsequenzen, die sich daraus ergeben, dass in der Konsequenz der Einschränkung der Haushaltsausnahme Anforderungen des Datenschutzrechts und der Datenschutz-Organisationspflichten systemwidrig in den persönlich/familiären Bereich erstreckt werden. Der Ansatz überzeugt also inhaltlich, kann vor dem Hintergrund des insoweit eindeutigen EuGH-Urteils Buivids,76 praktisch jedoch keinen Bestand haben. Danach sind Veröffentlichungen auf YouTube nämlich gerade nicht von der der Haushaltsausnahme erfasst und fallen in den Anwendungsbereich der DSGVO. Das ist insofern konsequent, als Veröffentlichungen auf YouTube und in anderen sozialen Netzwerken ähnlich wie Veröffentlichung auf einer Webseite im Fall Lindqvist77 unbeschränkt öffentlich zugänglich sein können.
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Zweckmäßig und vor dem Hintergrund der praktischen Probleme der Erstreckung des Anwendungsbereichs