ТОП просматриваемых книг сайта:
Unternehmenssanierung, eBook. Guido Koch
Читать онлайн.Название Unternehmenssanierung, eBook
Год выпуска 0
isbn 9783811464056
Автор произведения Guido Koch
Издательство Bookwire
79
Auflistungen von retrospektiv erkannten Krisenursachen sind aufgrund der Vielfalt der Ursachen unübersichtlich und wenig hilfreich. Unternehmensleiter können hieraus keine konkreten Hinweise für ein proaktives Krisenmanagement ziehen. Typologien von Unternehmenskrisen könnten diesbezüglich Abhilfe schaffen. Solche Typologien können die Unternehmensleiter zumindest für verschiedene Typen krisenverursachender Sachverhalte sensibilisieren.
80
Eine besondere Rolle unter den Krisenursachen nehmen Fehler in der Unternehmensführung und finanzwirtschaftliche Ursachen ein. Führungsfehler verschärfen indirekt andere Krisenursachen und können also sowohl selbst Krisenursache als auch Katalysator anderer Krisenursachen sein.[45] Managementfehler werden bei Befragungen am häufigsten als Krisenursache genannt.[46] Tatsächlich lassen sich letztlich alle Fehlentwicklungen im Unternehmen auf Managementfehler zurückführen. Finanzwirtschaftliche Ursachen wirken sich für ein Unternehmen besonders gravierend aus. Beispielsweise können Zahlungsausfälle von Schuldnern unmittelbar zur Zahlungsunfähigkeit des Gläubigerunternehmens führen. Allerdings haben auch finanzwirtschaftliche Probleme häufig Managementfehler als Ursachen und sind nicht die eigentliche Ursache für die Krise, wenn beispielsweise ein Kredit an einen Kunden, d.h. eine große Lieferung auf Rechnung vom Management akzeptiert wurde, der Kunde aber zahlungsunfähig ist, wie das Management zu spät feststellt.
81
Unternehmenskrisen können vermieden werden, sofern die potenzielle Krise frühzeitig erkannt wird und der Unternehmensleitung ein möglichst großer Handlungsspielraum sowie ein möglichst großer Zeitrahmen verbleiben, um die Krise abzumildern bzw. vollständig abzuwehren (vgl. Rn. 17). Voraussetzung hierfür ist, dass existenzgefährdende Tendenzen frühzeitig erkannt werden. Im Folgenden werden Instrumente beschrieben, die eine Krisenfrüherkennung erlauben.
1. Überblick
82
Die in der Literatur zahlreich vorzufindenden Aufzählungen von Krisenursachen sind für eine praktische Umsetzung in ein Krisenfrüherkennungsinstrument wenig geeignet. In der Regel bewirken verschiedene Ursachen gemeinsam den Eintritt einer Unternehmenskrise (vgl. Rn. 57). Die Multikausalität ist eine wesentliche Eigenschaft von Unternehmenskrisen; diese wird durch eine bloße Aufzählung einzelner Krisenursachen nicht berücksichtigt. Als Krisenursachen werden häufig solche Sachverhalte angeführt, die in der Schlussphase einer Unternehmenskrise, also kurz vor der Insolvenz, zu beobachten sind. Ziel der Krisenerkennung sollte indes sein, eine Unternehmenskrise möglichst früh zu erkennen. In der Praxis zeigt sich, dass die unterschiedlichen Ursachen oft miteinander verwoben sind und sich gegenseitig bedingen. Das macht die Krisenfrüherkennung zu einer schwierigen Aufgabe.[47]
83
Der folgende Abschnitt geht auf die (gesetzlichen) Grundlagen der Krisenfrüherkennung durch ein Risikomanagementsystem ein. Die Vorschriften des AktG bzgl. des Risikomanagementsystems werden vorgestellt. Ferner werden die an ein Risikomanagementsystem zu stellenden Anforderungen für eine sichere und frühzeitige Krisenerkennung erläutert.
84
Hinsichtlich der Erkennung von Risiken sind zwei Vorgehensweisen zu unterscheiden, nämlich der Bottom-up- und der Top-down-Ansatz.
85
Beim Bottom-up-Ansatz werden Einzelrisiken identifiziert und sukzessive gruppiert bzw. aggregiert und bewertet. Das Ergebnis ist ein Gesamtschadenerwartungswert als Summe der einzeln ermittelten Schadenerwartungswerte. Unter Rn. 108 ff. werden Bottom-up-Ansätze eines Frühwarnsystems vorgestellt. Hierbei wird zwischen operativen und strategischen Ansätzen unterschieden.
86
Beim Top-down-Ansatz wird eine Gesamtunternehmensperspektive bzw. die Perspektive der Unternehmensleitung eingenommen. Risiken werden hierzu nicht einzeln betrachtet, sondern es wird das Gesamtrisiko des Unternehmens – die Ausfallwahrscheinlichkeit, die sog. Probability of Default (PD) – direkt ermittelt. Der hier vorgestellte Top-down-Ansatz beruht auf einer detaillierten Jahresabschlussanalyse. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt hierbei in der Aufbereitung von Informationen aus den Jahresabschlüssen und der Auswertung von diesbezüglichen Kennzahlen bzw. Kennzahlensystemen. Die Untersuchung von Jahresabschlüssen mit dem Ziel, ein Urteil über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung eines Unternehmens zu fällen, wird als Jahresabschlussanalyse[48] bezeichnet. Die Jahresabschlussanalyse ist Gegenstand der Rn. 155 ff. Bei der Jahresabschlussanalyse ist zwischen den herkömmlichen und den „modernen“ Verfahren der Jahresabschlussanalyse zu unterscheiden. Bei den „modernen“ Verfahren werden mit Hilfe empirisch-statistischer Methoden die Jahresabschlüsse nach Kennzahlen-Muster für gesunde und kranke (später in die Insolvenz gegangene) Unternehmen analysiert.
87
Die vorgestellten Bottom-up- und Top-down-Ansätze werden an den unter Rn. 102 ff. vorgestellten Anforderungen an Krisenfrüherkennungssysteme gemessen und kritisch beurteilt.
2.1 Risikobegriff
88
In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird der Risikobegriff nicht einheitlich verwendet. Im weitesten Sinne lässt sich der Begriff „Risiko“ als Unsicherheit bzw. als „Möglichkeit eines Abweichens vom erwarteten Wert“ umschreiben.[49] Als Risiko wird in der Finanztheorie die Abweichung vom erwarteten Wert in beide Richtungen verstanden, unabhängig davon, ob es sich um eine positive Abweichung – im Folgenden als Chance bezeichnet – oder um eine negative Abweichung, also ein Risiko im engeren Sinn – im Folgenden als Risiko bezeichnet – handelt. Abb. 5 gibt einen Überblick über die Begriffe „Chance“ und „Risiko“, wie sie in der Finanztheorie definiert sind, sowie über die unterschiedlichen Formen der Unsicherheit. Bei der Jahresabschlussanalyse werden die Begriffe der Chance als „Gewinnmöglichkeit“ und des Risikos als „Verlustgefahr“ verstanden. Im Folgenden werden diese Definitionen zugrunde gelegt.
89
Abb. 5: Systematik des Risikobegriffs sowie Formen der Unsicherheit[50]
90
Unternehmerische Entscheidungen werden unter Unsicherheit getroffen, d.h. in Unkenntnis der künftigen Entwicklung, beispielsweise der politischen,