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Handbuch des Strafrechts. Jörg Eisele
Читать онлайн.Название Handbuch des Strafrechts
Год выпуска 0
isbn 9783811449664
Автор произведения Jörg Eisele
Издательство Bookwire
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Selbst wenn ein Schwangerschaftsabbruch ohne Vorliegen einer Indikation nach Ablauf von 22 Wochen seit der Empfängnis ohne jegliches Beratungsgespräch oder ohne ärztliche Durchführung stattfindet, kann gemäss § 218 Abs. 4 S. 2 StGB von einer Bestrafung der Schwangeren nach § 218 StGB abgesehen werden, wenn sie sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat.[225] Kurz gefasst greift § 218 Abs. 4 S. 2 StGB dann, wenn keine anderweitigen Straffreistellungsgründe im Sinne von § 218a Abs. 1–3 StGB zur Anwendung gelangen können.[226] Da dieser persönliche Strafausschlussgrund der Schwangeren eine Kann-Vorschrift darstellt, muss im Sinne einer Einzelfallbetrachtung abgewogen werden, ob eine Subsumption unter die besagte Gesetzesnorm angezeigt ist.[227] Um eine mögliche „Aushöhlung“ des in § 218 StGB festgehaltenen Schwangerschaftsabbruch-Verbots vorzubeugen, wird eine restriktive Auslegung von § 218a Abs. 4 S. 2 StGB gefordert.[228] Was unter einer besonderen Bedrängnis zu verstehen ist, wird gesetzlich nicht definiert, doch vermag eine Schwangerschaft als solche kaum einen Schwangerschaftsabbruch nach § 218a Abs. 4 S. 2 StGB zu rechtfertigen.[229]
V. Schwangerschaftsabbruch ohne ärztliche Feststellung oder mit unrichtiger ärztlicher Feststellung (§ 218b StGB)
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§ 218b StGB zielt darauf ab, die Einhaltung des Verfahrens zur Indikationsfeststellung sicherzustellen.[230] Mittelbar wird durch diese Gesetzesnorm aber auch das ungeborene menschliche Leben geschützt.[231] In § 218b StGB wird daher eine Entscheidungshilfe, welche in der Indikationsfeststellung durch einen weiteren Arzt besteht, normiert.[232]
1. Verstoß gegen das Feststellungsverfahren (Abs. 1)
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Vorweg sei erwähnt, dass sich nach § 218b Abs. 1 StGB grundsätzlich nur ein Arzt strafbar machen kann.[233] Basierend auf dem Gesetzeswortlaut trifft dies zwar lediglich für § 218b Abs. 1 S. 2 StGB zu, doch auch für § 218b Abs. 1 S. 1 StGB kann als unmittelbarer Täter nahezu ausnahmslos nur der Arzt in Betracht gezogen werden.[234] Die Schwangere wird gemäss § 218b Abs. 1 S. 3 StGB im Sinne eines persönlichen Strafausschließungsgrundes nicht von der Strafnorm in § 218b StGB erfasst.[235] § 218b Abs. 1 S. 2 StGB (und faktisch auch § 218b Abs. 1 S. 1 StGB) stellt demzufolge ein echtes Sonderdelikt dar.[236] Aufgrund der gesetzlich normierten Subsidiaritätsklausel kann sich jemand nach § 218b StGB nur dann strafbar machen, sofern die Handlung nicht bereits durch § 218 StGB mit Strafe bedroht ist.[237] Allerdings ist ein Täter nach § 218b StGB zu bestrafen, wenn er irrigerweise davon ausgeht, dass eine Indikation im Sinne von § 218a Abs. 2 oder 3 StGB vorliegt.[238]
a) Schwangerschaftsabbruch ohne ärztliche Feststellung (Abs. 1 S. 1)
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Laut § 218b Abs. 1 S. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer in den Fällen von § 218a Abs. 2 und 3 StGB (Indikationenregelung) eine Schwangerschaft ohne eine schriftliche Indikationsfeststellung durch einen anderen bzw. dritten Arzt abbricht. Inhaltlich hat die Indikationsfeststellung gewissen Mindestanforderungen zu genügen.[239] In der schriftlichen Feststellung sind deshalb die wesentlichen Gründe festzuhalten, weshalb das Vorliegen einer Indikation zu bejahen bzw. zu verneinen ist.[240] Wurde wider besseres Wissens eine unrichtige Feststellung getroffen, so ist diese als unwirksam zu qualifizieren.[241] Sofern ein Arzt trotz der Unwirksamkeit einer Indikationsfeststellung einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt, macht er sich nach § 218b Abs. 1 S. 1 StGB strafbar.[242] Darüber hinaus hat die Indikationsfeststellung durch einen nach deutschem Recht approbierten Arzt zu erfolgen, wobei gerade keine Personenidentität mit dem den Schwangerschaftsabbruch durchführenden Arzt bestehen darf.[243] Schließlich muss der abbrechende Arzt spätestens im Zeitpunkt des Eingriffsbeginns schriftlich über die Indikationsfeststellung durch einen dritten Arzt in Kenntnis sein.[244] Anzumerken bleibt, dass der den Schwangerschaftsabbruch vornehmende Arzt nicht an die Indikationsfeststellung des Zweitarztes gebunden ist.[245] Ist demzufolge eine Indikation zu bejahen, wurde diese aber in der Indikationsfeststellung verneint, macht sich der abbrechende Arzt trotz negativem Feststellungsentscheid nicht strafbar.[246] Ein Verstoß gegen § 218b Abs. 1 S. 1 StGB erfordert schließlich Vorsatz, wobei eventualvorsätzliches Handeln seitens des abbrechenden Arztes ausreicht.[247] Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs unter Umständen trotz Fehlen eines Indikationsgutachtens in Fällen eines rechtfertigenden Notstandes im Sinne von § 34 StGB gerechtfertigt sein kann.[248]
b) Unrichtige ärztliche Indikationsfeststellung (Abs. 1 S. 2)
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Ein Arzt, welcher wider besseres Wissen eine unrichtige Indikationsfeststellung schriftlich ausfertigt, macht sich nach § 218b Abs. 1 S. 2 StGB strafbar und wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft.[249] Wider besseres Wissen handelt dabei derjenige Arzt, der sich seiner unzutreffenden Indikationsfeststellung bewusst ist, aber auch derjenige, welcher ohne jegliche Untersuchung eine Feststellung schriftlich aushändigt.[250] Da es sich um ein echtes Sonderdelikt handelt, kommt als Täter nur ein Arzt in Frage.[251] Die Indikationsfeststellung kann dabei inhaltlich oder formal unzutreffend sein.[252] Als inhaltlich unrichtig gilt eine Indikationsfeststellung, in der eine Indikation fälschlicherweise bejaht oder aber unzutreffenderweise verneint wird.[253] Von der formalen Unrichtigkeit einer Indikationsfeststellung ist auszugehen, wenn auf eine Untersuchung der Schwangeren vollständig verzichtet wurde oder diese nur mangelhaft erfolgte.[254] In der Lehre herrscht allerdings Uneinigkeit darüber, ob sowohl die positiv (Bejahung einer Indikation) als auch die negativ (Verneinung einer Indikation) unrichtige Indikationsfeststellung zu bestrafen ist.[255] Nach der ratio legis sollte alleine die fälschlicherweise positive, unrichtige Indikationsfeststellung strafbar sein, da lediglich diese Form der unzutreffenden Indikationsfeststellung einen Schwangerschaftsabbruch begünstigt.[256] Als „getroffen“ gilt eine Feststellung bereits dann, wenn die Feststellung aus dem Herrschaftsbereich des feststellenden Arztes weggegeben bzw. entäußert wird.[257] In subjektiver Hinsicht muss der Arzt (eventual-)vorsätzlich handeln.[258] Betreffend die Konkurrenzfrage ist anzumerken, dass § 218b Abs. 1 S. 2 StGB gleichsam wie § 218b Abs. 1 S. 1 StGB eine Subsidiaritätsklausel darstellt, welche gegenüber § 218 StGB zurücktritt.[259]
2. Feststellungsverbot des Arztes (Abs. 2)
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Im Rahmen eines Verwaltungsaktes kann einem Arzt durch die zuständige Stelle endgültig (Abs. 2 S. 1) oder vorläufig (Abs. 2 S. 2) untersagt werden, Indikationsfeststellungen vorzunehmen.[260] Das Feststellungsverbot bezweckt, dass sich Ärzte, welche keine „hinreichende Gewähr für die verfassungsrechtlich gebotene Achtung des ungeborenen Lebens bieten“, nicht mehr an Schwangerschaftsabbrüchen beteiligen dürfen.[261] Das heißt, der betroffene Arzt darf keine Indikationsfeststellungen im Sinne von § 218b Abs. 1 StGB mehr ausstellen.[262] Das Feststellungsverbot wirkt sich jedoch nicht auf anderweitige ärztliche Tätigkeitsgebiete eines betroffenen Arztes aus.[263] Wird eine Indikationsfeststellung von einem nach § 218b Abs. 2 StGB disqualifizierten Arzt vorgenommen, so erlangt die Feststellung keine Wirksamkeit, d.h. der abbrechende Arzt macht sich nach § 218b Abs. 1 S. 1 StGB strafbar.[264] Über die Wirksamkeit des Feststellungsverbots nach § 218b Abs. 2 StGB lässt sich streiten, denn das Strafgesetzbuch sieht bei einem Verstoß gegen diese Bestimmung keine Straffolgen vor.[265]
a) Endgültige Untersagung der Indikationsfeststellung