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Dirk Nowitzki - So weit, so gut. Jürgen Kalwa
Читать онлайн.Название Dirk Nowitzki - So weit, so gut
Год выпуска 0
isbn 9783964230171
Автор произведения Jürgen Kalwa
Издательство Bookwire
Aber zurück zum Draft-Abend von Vancouver, an dem sich Don auf die Kompetenz seines Sohnes verließ. Mit ihm sind nämlich zwei weitere Namen verknüpft, die nicht mit dem Buchstaben N anfangen. Beide gelten heute nur noch als Randfiguren in der Biographie von Dirk Nowitzki. Denn genau genommen hatte die Episode, in der die beiden eine Rolle spielten, keinen unmittelbaren Einfluss auf den Werdegang des Basketballers aus Würzburg.
Aber erwähnen muss man die beiden Männer trotzdem. Denn sie tauchen immer wieder in einer Geschichte auf, die scheinbar so plastisch und rund klingt: In ihr wird nämlich immer so getan, als hätten an diesem Abend die Milwaukee Bucks die Chance gehabt, den von ihnen gedrafteten Dirk Nowitzki zu behalten, den sie aber an die Mavericks im Tausch gegen einen anderen Spieler abgegeben hatten. Diese Aktion gilt kurioserweise als einer der krassesten Fehlgriffe in der Geschichte der NBA-Trades. Tatsächlich ist nur eines an dieser Episode wirklich interessant: Sie ist grundfalsch. Ein Ammenmärchen. Oder wie man heute gerne sagt: eine urban legend.
Der Name des Mannes, der in diesem Märchen immer als angeblicher Hauptversager genannt wird, lautet Bob Weinhauer. Der amtierte 1998 als General Manager der Milwaukee Bucks. Ein guter Bekannter von Don Nelson übrigens und jemand, der schon mal in dessen Gästehaus direkt am Ozean in Maui Urlaub gemacht hat und dort den Sonnenuntergang genoss: „Es ist wunderbar. Eine komplette Seite besteht aus Glas und öffnet sich zum Swimmingpool. Und man sieht dahinter den Strand. Du öffnest die Tür, und es kommt eine frische Brise herein.“
Der zweite Name ist nicht minder wichtig, aber gilt eher als tragische Nebenfigur. Dabei handelt es sich um einen jungen Basketballspieler aus Detroit, den Weinhauer damals unbedingt verpflichten wollte und dies auch tat: Robert Traylor. Ein wuchtiger, großer Typ, der schon in seiner Jugend mit einem plakativen Spitznamen versehen wurde: „Tractor Traylor“ – ein Wortspiel, das von einem Journalisten der Detroit News erfunden worden war.4
Weinhauer hatte in seiner Karriere einen sehr guten Lauf gehabt – zunächst als Assistent und Protegé des Dream-Team-Trainers Chuck Daly, als College-Coach in Pennsylvania und Arizona und als Assistenztrainer in der NBA, dann als Head Coach bei den Philadelphia 76ers, Atlanta Hawks und Minnesota Timberwolves. Zwischen 1994 und 1997 lag seine erfolgreichste Karrierephase. Damals war er Chefmanager der Houston Rockets. Das Team gewann in dieser Zeitspanne gleich zweimal die NBA-Meisterschaft.
Seine Vita hat allerdings selbst unter Basketballkennern keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Es gab bis vor kurzem nicht mal eine Wikipedia-Seite über ihn. Und die enthält bis heute keine Korrektur jener immer wieder gern erzählten Sottise über den „einseitigsten Trade in der Geschichte der NBA“, wie Weinhauers Tauschgeschäft am Draft-Tag 1998 von dem angesehenen amerikanischen Sportautor Dave Zirin auf der Webseite der Zeitschrift The Nation mal genannt wurde.
So mancher stieß ins gleiche Horn. Der Manager der Milwaukee Bucks habe, so hieß es etwa im Juni 2011 auf der Online-Seite der Wochenzeitung Die Zeit, kurioserweise in einem Eishockey-Artikel („Das deutsche NHL-Finale“ 5), „Dirk Nowitzki für Traylor verramscht“.
Die reinen Fakten sind übrigens unbestritten: Getauscht wurde damals der schon erwähnte Robert Traylor, ein mit vielen Vorschusslorbeeren versehener Power Forward von der University of Michigan, der in seinem letzten Jahr im College-Basketball im Schnitt etwas mehr als 16 Punkte pro Spiel erzielt und zehn Rebounds produziert und es zwei Monate vor der Draft auf die Titelseite des Magazins Sports Illustrated geschafft hatte, gegen den weithin unbekannten Dirk Nowitzki und einen ebenfalls nicht besonders hoch eingeschätzten Amerikaner namens Pat Garrity, dessen Vertragsrechte sich Milwaukee auf dem 19. Draft-Platz gesichert hatte.
Auf diese Weise – rein formal betrachtet über einen Umweg – kam der Würzburger nach Dallas. Und Traylor – ein Mann mit dem „süßen Charisma eines sanften Riesen“ (Zirin) – landete in Milwaukee. Aber ein wichtiges Detail wird in solchen Nacherzählungen gerne unterschlagen: Nelson wollte Nowitzki von Anfang an und niemand anderen – aber er wollte dafür nicht seinen sechsten Draft-Platz nutzen. Weinhauer wiederum wollte immer nur Traylor, aber hatte Angst, dass er ihn mit seinem neunten Draft-Platz nicht mehr bekommen würde.
Der Spieler hatte gerüchteweise mit NBA-Profis in Detroit trainiert und die, so hörte man, im Zweikampf regelrecht vernascht. Kein Wunder, dass man bei den Bucks besorgt war, diesen Wunschkandidaten an Draftplatz 9 nicht mehr zu bekommen, weil ihn jemand anderer weggeschnappt hätte.
Nur deshalb ging Weinhauer auf den Handel mit dem an Platz sechs ziehenden Nelson ein. Ein Projekt, das übrigens nie zustande gekommen wäre, wenn Traylor zu diesem Zeitpunkt bereits von einem der Teams auf den Plätzen eins bis fünf ausgewählt worden wäre.
Doch es lief wie geplant. „Das war alles so abgesprochen“, hat Don Nelson seitdem mehrfach betont. „Wir hätten dieses Geschäft auch nicht gemacht, wenn sie nicht die Spieler ausgewählt hätten, die wir haben wollten.“ Das Arrangement wurde vor der Draft offiziell wie vorgeschrieben an die Liga gemeldet. Allerdings wusste die interessierte Öffentlichkeit nichts davon und tappte am Draftabend deshalb lange im Dunkeln.
„Um Viertel nach sechs hatten wir alles zusammen und dann mussten wir warten und dafür sorgen, dass es auch genauso passiert“, erinnerte sich Weinhauer später.
Der war am Draft-Abend mehr als zufrieden: „Wenn wir jetzt in den Krieg ziehen müssten, könnten wir uns mit jedem messen“, sagte er. Kommentatoren wie Dan Shanoff von Sports Illustrated lobten: „Die Bucks haben es richtig gemacht, dass sie ’98 den vermarktbaren und talentierten Robert Traylor gestohlen haben.“
Dessen Verpflichtung galt nicht nur als hervorragender Schachzug. Der Tausch mit Dallas wirkte auf manche derart einseitig, dass der Eindruck entstand, Weinhauer habe Nelson und die Mavericks regelrecht übervorteilt. Ausgerechnet jener Bob Weinhauer, der im Kontrast zu Nelson nie sehr gerne auf Risiko gegangen war.
Noch ein Jahr später gab die harsche Bewertung der Daily News in Los Angeles die Standardsichtweise über jenen Draft-Deal wieder, nachdem sich Milwaukee im Unterschied zu Dallas für die Play-offs qualifiziert hatte: „Was an Don Nelson ist eigentlich dümmer? Dass er Traylor ausgewählt hat oder dass er ihn für Dirk Nowitzki eingetauscht hat?“ Den Milwaukee Bucks bescheinigte die Zeitung damals: „Zum Glück sind sie den deutschen Import an Dallas losgeworden.“
Die Realität sah schon bald ganz anders aus. Und mit ihr änderte sich – ungerechtfertigterweise – auch die Bewertung eines Mannes wie Bob Weinhauer.
Denn acht Jahre nach dem Draft-Tag stand Dirk Nowitzki mit den Mavericks zum ersten Mal in der Finalserie. Weitere fünf Jahre später war er Meister. Demgegenüber zeigte Robert Traylor nie das, was ihm Experten prophezeit hatten und was Weinhauer in ihm gesehen hatte. Er spielte nur ein paar Jahre in der NBA und wanderte von Club zu Club. Er erzielte dabei nicht mehr als einen Karriereschnitt von fünf Punkten und vier Rebounds pro Begegnung und kam zwischendurch auch noch mit dem Gesetz in Konflikt. Im November 2006 entdeckten Ärzte, dass er eine zu große Herzklappe hatte und operierten ihn. Er versuchte anschließend sein Glück in Spanien, in der Türkei und auf Puerto Rico, wo er im Mai 2011 – ein paar Wochen ehe Nowitzki den Titel gewann – überraschend an Herzversagen starb. Er wurde 34 Jahre alt und in seiner Heimatstadt Detroit beerdigt.
So traurig dies ist, die urban legend von der angeblichen Fehlleistung der Milwaukee Bucks war damals schon eine Weile im Schwange. Was unter anderem daran lag, dass Weinhauers Vertrag im Sommer 1999 nicht verlängert wurde. Das wirkte rein oberflächlich später so, als hätte ihn die Clubführung dafür abgestraft, dass er Nowitzki nicht verpflichtet hatte.
Tatsächlich lag der Fall ganz anders. Als er aus dem Amt gescheucht wurde, galt die Weitergabe des Würzburgers an die Mavericks noch immer als kluges Manöver. Mit anderen Worten: Das eine hatte mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.
Obendrein: Verantwortliche NBA-Manager werden gewöhnlich nicht daran gemessen, ob ihre Prognosen eintreffen