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kräftigen Stimme, war einer jener zahllosen amerikanischen Intellektuellen, die in dieser eigentlich profanen Sportart etwas mehr sehen als nur ein Mannschaftsspiel mit einem Holzknüppel und einem harten, faustgroßen Lederball.

      Seine berufliche Laufbahn begann er als Literaturprofessor und Kenner der Renaissance. Als Präsident der Elite-Universität Yale machte er Karriere. Und schließlich – als Chef der amerikanischen Profi-Baseball-Liga, genannt Major League Baseball – machte er sich einen Namen. Sein Text spiegelt eine ureigene Wahrnehmung von Sport wider: eine Mischung aus Nostalgie und Poesie.

      Bartlett Giamatti, genannt Bart, starb 1989 im Alter von nur 51 Jahren. Der Kettenraucher erlitt einen Infarkt.

      An einem Ort weit weg von Yale und ebenso weit weg von dem Treiben des Profi-Baseball hat man ihm eine Art von Denkmal gesetzt: in der Baseball Hall of Fame in Cooperstown. Eröffnet in den dreißiger-Jahren und seitdem Inbegriff des Personenkults im Sport. Der Kult geht allerdings längst über das Interesse an den Athleten hinaus. Auch die Hohepriester werden geehrt. Weshalb die Bibliothek seit ein paar Jahren diesen Namen trägt: Giamatti Research Center.

      Warum auch nicht? Der Bücher schreibende Akademiker hatte einst in seiner kurzen Zeit als Commissioner den Aufbau dieser Bibliothek besonders gefördert. Auf dem Weg dorthin geht man durch einen hohen, lichtdurchfluteten, eichengetäfelten Raum, der wie das Mittelschiff einer Kirche wirkt. An den Wänden: mehr als 300 Bronzetafeln mit den Gesichtern von Spielern, Managern, Trainern und Schiedsrichtern aus mehr als hundert Jahren Baseballgeschichte, die alle etwas gemeinsam haben. Durch ihre Leistungen auf dem grünen Rasen und ihre Rolle hinter den Kulissen sind sie unvergesslich geworden. Oder wie Pressesprecher Craig Muder bei einem Rundgang sagt: unsterblich.

      Er bleibt einen Moment lang vor den Bronzetafeln stehen und erklärt: „Die Ruhmeshalle sind insgesamt drei Einrichtungen unter einem Dach. Es ist auch ein Museum. Wir haben mehr als 38.000 Objekte, Schläger, Bälle, Handschuhe, Schuhe, von denen an in der Ausstellung jeweils nur zehn Prozent sehen kann. Der Rest befindet sich in einem klimatisierten Archiv unter unseren Füßen. Die Geschichte des Spiels: Wir bewahren sie auf.“

      Es handelt sich um mehr als nur um bloßes Aufbewahren. Die Einrichtung ist das Gegenstück zu einer religiösen Kultstätte, sagt der New Yorker Journalist Zev Chafets. Er hat das Buch Cooperstown Confidential42 geschrieben, ein kritischer Blick in die Geschichte der Einrichtung.

      „Für Amerika ist Baseball etwas Besonderes. Es hat sich zu einer Heldenmaschine entwickelt. Das gibt es sonst nur in Hollywood. Baseballgeschichte und Baseballtradition sind viel populärer als Football oder jede andere Sportart. In die Baseball Hall of Fame aufgenommen zu werden, ist so etwas wie durch den Ritterschlag in den Adelsstand erhoben zu werden. Eine größere Ehre gibt es nicht. Die Baseball Hall of Fame wird von Leuten gerne als Schrein bezeichnet. Die Reise dahin nennen sie eine Wallfahrt. Cooperstown ist eine säkulare religiöse Institution.“

      Weshalb einem auf einer Reise nach Cooperstown, in die kleine Stadt vier Stunden von New York, die Worte von Annie Savoy einfallen, der selbstbewussten und sportbegeisterten Hauptfigur in dem feinsinnigen Baseball-Spielfilm Bull Durham: „Ich glaube an die Kirche des Baseball. Ich habe alle großen Religionen ausprobiert und die meisten kleinen. Ich habe Buddha, Allah, Brahma, Vishnu, Shiva, Bäume, Pilze und Isadora Duncan angebetet. Ich ziehe die Metaphysik der Theologie vor. Es gibt keine Schuldgefühle im Baseball. Und es ist nie langweilig. Das ist so wie Sex.“

      In Amerika gibt es hunderte von Religionen und Konfessionen, Sekten und Kulte. Und fast ebenso viele Ruhmeshallen des Sports. Manche zeigen bei der Wahl des Standorts einen Sinn für die Wurzeln der Disziplin. So entstand die Basketball Hall of Fame in Springfield/Massachusetts in der Stadt, in der Ende des 19. Jahrhunderts Basketball erfunden wurde. Und die Tennis Hall of Fame wurde in Newport/Rhode Island gegründet, dort, wo die ersten US Open ausgetragen wurden. Aber es gibt auch das Konzept „grüne Wiese“ wie im Fall der World Golf Hall of Fame in St. Augustine/Florida. Oder wie bei der National Soccer Hall of Fame, der Fußballruhmeshalle. Das Haus, nur 35 Kilometer vom Touristenmagneten Cooperstown entfernt, steht allerdings noch für etwas anderes. Das Museum schloss 2010 nach nur zehn Jahren seine Pforten. Die Einrichtung existierte in den Jahren danach nur noch virtuell – im Internet.43 Das alte Projekt war schlichtweg zu ehrgeizig gewesen, wie der einstige Direktor Jack Huckel zugab, als wir uns trafen, um uns über den gescheiterten Versuch einer Ruhmeshalle zu unterhalten.

      „Wir haben ein Gebäude errichtet, das wir uns nicht leisten konnten. Man riskiert schon mal bewusst etwas, aber die Rechnung geht nicht immer auf. Wir haben zehn Jahre durchgehalten, aber dann wurde das Geld knapp. Und dann kam die Rezession dazu. Das konnten wir nicht überleben.“

      Im Vergleich dazu wirkt der Betrieb in Cooperstown sehr solide. Aber bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass Heldenverehrung in den Dimensionen der Baseball Hall of Fame kein lukratives Geschäftsmodell ist. Wollte die Ruhmeshalle allein vom Verkauf von Eintrittskarten und Souvenirs leben, wäre sie längst pleite. Das Loch füllen großzügige Spender jedes Jahr mit Millionen von Dollar und sichern so die Arbeitsplätze von hundert Angestellten.

      Ganz anders sieht es für die ehemaligen Baseballprofis aus, die den Ritterschlag erhalten haben. Ein Hall of Famer hat schlichtweg für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Kein Wunder, dass chancenreiche Aspiranten inzwischen Public-Relations-Experten einschalten, damit sie von den Mitgliedern der Vereinigung der amerikanischen Baseball-Journalisten in die Ruhmeshalle gewählt werden. Die Organisation entscheidet exklusiv über die Aufnahme.

      Über diesen säkularen Teil der Vergötterung irdischer Idole wird allerdings meistens nicht gesprochen. Seit der Zeit von Mark Twain, der damals das Spiel zu einem Symbol für die Triebkräfte und den Kampf des „rasenden, zerrenden, dröhnenden 19. Jahrhunderts“ erklärte, wird die Realität mit viel Pathos verhängt. Nicht das Sein, sondern der Schein bestimmt das Bewusstsein.

      Baseball allerdings scheint wie geschaffen die ideale Projektionsfläche für eine technologiebesessene Gesellschaft, die in ihren kollektiven Sehnsüchten von einer simpleren Welt träumt. Das Museum in Cooperstown ist das Sammelgefäß dieser romantischen Weltsicht, wie sie der für mehrere Oscars nominierte Hollywood-Film Field of Dreams hat. In diesem Feld der Träume artikuliert der Schauspieler James Earl Jones mit tiefer, sonorer Stimme das, was sich als Grundverständnis rund um die historische Dimension des Spiels durchgesetzt hat: „Baseball war all die Jahre lang die einzige Konstante. Amerika ist wie eine Armee von Dampfwalzen vorbeigerollt. Es wurde abgewischt wie die Kreide auf einer Schiefertafel, wieder aufgebaut und wieder weggewischt. Aber Baseball hat die Zeit markiert. Dieses Feld, dieses Spiel sind Teil unserer Vergangenheit. Es erinnert uns an all das, was einmal gut war und wieder sein könnte.“

      Wie dieses Denken funktioniert, hat ein deutscher Emigrant schon vor Jahrzehnten erklärt. Der Rechtshistoriker und Soziologe Eugen Rosenstock-Huessy beschrieb 1958 in einem Interview in der Sendereihe Auszug des Geistes für Radio Bremen den Zusammenhang zwischen Sport und seiner Arbeit als Geisteswissenschaftler an der Universität in Dartmouth folgendermaßen: „Die Welt, die dem amerikanischen Studenten, der zu mir kommt, etwa 20 Jahre alt ist, wirklich lebhaft vertraut ist, ist die Welt des Sports. Da hat er all seine Tugenden, seine Erfahrungen, seine Neigungen und sein Interesse. Ich habe also meine ganze Soziologie um die Erfahrungen, die ein Amerikaner im Sport und im Spiel macht, aufgebaut. Und im Sport sind natürlich viele lyrische, dramatische Elemente. Während man in Europa vielleicht eine Soziologie auf eine Soziologie der Kunst aufbauen könnte, weil die Menschen Erfahrungen haben mit Wagner, Bach und Beethoven, muss man dieselben Erfahrungen transponieren, sozusagen, in das Gebiet des Sportlichen.“44

      Die Querverbindungen zwischen Sport und Kultur haben viele Spuren im amerikanischen Kulturalltag hinterlassen. Im Kino. Am Broadway, an dem 1958 das gefeierte (und später verfilmte) Baseball-Musical Damn‘ Yankees mit dem Gassenhauer Heart Premiere hatte. Und in der Literatur. Zum Beispiel in dem viel beachteten Buch Unterwelt von Don DeLillo45, einem voluminösen Epochenroman, der mit einer 70 Seiten langen Beschreibung eines einzigen Baseballspiels aus dem Jahr 1951 beginnt und sie einem anderen Ereignis gegenüberstellt: Der Nachricht, dass

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