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durchzogen wird, so kommt das durch die Bewegung im Raume zustande. Wir lösen die verhaltene Bewegung auf. Nichts ist Willkür. Alles Pantomimische, alle Mimik wird strenge vermieden. Alle Bewegungen sind fest bestimmt und fügen sich nach Gesetzen zusammen wie bei der Musikkunst. Das Individuelle kommt nur so weit in Betracht, als jemand eine Sonate nach seiner Auffassung so, der andere anders spielen kann. Das, was zugrunde liegt, ist im strengsten Sinne eine in sich geregelte Kunst. Aber wir sind im Anfangsstadium. Das ist, was uns unterscheidet von dem, was sonst ausgeführt wird, wo instinktiv Unwillkürliches, Gefühltes in willkürliche Bewegung umgesetzt wird. Wenn etwas Willkür darinnen liegt, kommt es nur durch die Auffassung hinein. Das wollte ich vorausschicken, um Sie auf das Prinzip aufmerksam zu machen.

      Der Grundgedanke der eurythmischen Kunst

      Dornach, 13. März 1919 (anlässlich der ersten Eurythmie-Aufführung im Goetheanum)

      Gestatten Sie, dass ich unserer Eurythmik, eurythmischen Aufführung einige Worte voranschicke. Es wird dies um so mehr gerechtfertigt erscheinen, als Sie ja gebeten werden, Ihre Aufmerksamkeit nicht etwas in sich Abgeschlossenem, Vollkommenem zuzuwenden, sondern einer künstlerischen Bestrebung, mit der eigentlich zunächst auch nach der Ansicht derer, die sie ausführen, noch nicht ein Ziel erreicht ist, sondern vorläufig erst etwas gewollt wird, vielleicht könnte ich sogar sagen: mit dem der Versuch gemacht wird, etwas zu wollen. Es ist naheliegend, dass dasjenige, was wir hier als eurythmische Kunst darbieten, in Parallele gezogen wird mit mancherlei ähnlichen Bestrebungen der Gegenwart, bewegungskünstlerischen, tanzkünstlerischen Bestrebungen und dergleichen, und es muss gesagt werden, dass auf diesen Gebieten in der Gegenwart vieles und auch außerordentlich in sich Vollkommenes geleistet wird. Wenn Sie aber denken würden, dass wir mit diesen gewissermaßen Nachbarkünsten konkurrieren wollen, dann würden Sie unsere Absichten verkennen. Nicht darum handelt es sich, sondern es handelt sich darum, eine besondere, neue Kunstform zu entwickeln, die allerdings, soweit wir mit ihr gekommen sind, durchaus nur an ihrem Anfange steht. Dasjenige, was dieser Bestrebung zugrunde liegt, ist im Grunde in derselben Richtung gehalten wie andere unserer Bestrebungen: eine Fortsetzung desjenigen, was in der Goetheschen Welt- und Kunstauffassung beschlossen liegt. Hier ist es im Besonderen ein ganz bestimmtes Gebiet, in dem wir versuchen, die Goethesche Kunstauffassung zur Ausgestaltung zu bringen, wie es moderneren künstlerischen Anschauungen und Empfindungen entsprechen kann. Goethe hat den das Wesen der Kunst – vielleicht doch tiefer als mancher andere – treffenden Ausspruch getan: Die Kunst ist eine Offenbarung geheimer Naturgesetze, die ohne ihre Betätigung niemals würden geoffenbart werden können. – Goethe konnte in dem künstlerischen Gestalten und Schaffen etwas sehen, was wie eine Offenbarung geheimer Naturgesetze ist, solcher Naturgesetze, die nicht mit dem nüchternen, trockenen, wissenschaftlichen Verstande zur Offenbarung kommen, weil er durch seinen umfassenden Weltblick eine tiefe Anschauung gerade von der Natur und ihren geheimnisvollen Wesenheiten erhalten hat nur, ich möchte sagen, einen kleinen Ausschnitt von dieser gewaltigen, umfassenden Goetheschen Naturanschauung erhält man, wenn man die allerdings für diese Naturanschauung bezeichnende, bedeutungsvolle Abhandlung Goethes über das Werden und Weben des pflanzlichen Organismus auf sich wirken lässt, wovon dann Goethes Anschauung und Gedanken über das Werden und Weben des Lebendigen in der Welt überhaupt ausstrahlt. Nur kurz kann ich erwähnen, wie Goethe der Anschauung ist, dass jedes einzelne Glied eines Lebewesens in einer geheimnisvollen Art wie ein Ausdruck des ganzen Lebewesens ist und wiederum wie ein Ausdruck jedes anderen einzelnen Gliedes. Goethe betrachtet die werdende Pflanze, wie sie wird, Blatt für Blatt, bis hinauf zur Blüte und zur Frucht. Er ist der Anschauung, dass dasjenige, was wir als farbiges Blumenblatt bewundern, nur eine Umgestaltung ist des grünen Laubblattes, ja, dass sogar die feineren Blütenorgane, die in der äußeren Gestalt sehr unähnlich einem gewöhnlichen grünen Laubblatt sind, doch nur eine Umwandlung dieses grünen Laubblattes sind. In der Natur ist überall Metamorphose. Darauf beruht gerade die Gestaltung des Lebendigen, dass überall Metamorphose ist. Und so ist auch jedes einzelne Glied, jedes einzelne Blatt ein Ausdruck des Ganzen. Goethe sieht in dem einzelnen Laubblatt, in dem einzelnen Blütenblatt, in dem einzelnen Staubgefäß eine ganze Pflanze. Das aber ist angewendet auf alles Lebendige, vor allen Dingen auf das Urbild alles Lebendigen, auf die menschliche Gestaltung und auf die menschliche Bewegung, auf die menschliche lebendige Tätigkeit selbst. Und das sollte eben in dieser eurythmischen Kunst zum Ausdrucke kommen. Da sollten gerade geheimnisvolle Naturgesetze der menschlichen Wesenheit selber zum sichtbaren Ausdrucke kommen. Gedacht ist das so. Aber das Gedachte ist dabei nicht die Hauptsache, sondern die Hauptsache ist, dass der Versuch gemacht worden ist, diese Goethesche Anschauung von dem Weben und Wesen des Organismus in künstlerische Empfindung wirklich aufzulösen und umzusetzen. Der Mensch spricht, indem er die Laut- und die Tonsprache an seine Umgebung offenbart, mit einem einzelnen Glied seiner organischen Gestaltung, mit dem Kehlkopf; er singt mit dem Kehlkopf und mit den Nachbarorganen. So wie das einzelne Blatt eine ganze Pflanze ist, so ist gewissermaßen das, was Kehlkopf und Nachbarorgane sind, was Grundlagen der menschlichen Lautsprache sind, der ganze Mensch. Und wiederum der ganze Mensch kann aufgefasst werden nur wie eine komplizierte Metamorphose des Kehlkopfes. Dieser Versuch ist einmal gemacht worden, den ganzen Menschen in eine solche Bewegung und in solche Stellungen zu bringen, dass, wie durch den Kehlkopf lautlich, tönend gesprochen und gesungen wird, so einmal sichtbar durch den ganzen Menschen gesprochen und Musikalisches zur Geltung gebracht wird. Dies soll aber durchaus nicht bedeuten, dass man in irgendeiner spintisierenden Weise die Bewegungen, die gemacht werden, ausdeuten soll; sondern nur, wenn – wie es bei der musikalischen Kunst selber ist, wo alles gesetzmäßig verläuft und doch alles elementar empfunden wird – die Bewegungen der eurythmischen Kunst so wie die musikalische Harmonie und Melodie selber empfunden werden in ihrer inneren Gesetzmäßigkeit, ohne dass man auf das eben Erwähnte zurückgeht, dann wird sich das Künstlerische dieses Eurythmischen ergeben. Was in der menschlichen Seele lebt, wie es sonst ausgedrückt ist durch das Organ des menschlichen Sprechens, durch den Kehlkopf, soll ausgedrückt werden durch den ganzen Menschen, durch seine Bewegungen, durch seine Stellungen. Der ganze Mensch soll gewissermaßen als Kehlkopf sich vor dem Zuschauer entwickeln. Nun ist aber in der menschlichen Sprache nicht bloß das enthalten, was sonst in Lauten und Lauffolgen zum Ausdrucke kommt, sondern es spricht sich das Ganze der menschlichen Seele aus: Gefühl, innere Wärme, Empfindung, Stimmung und so weiter. Daher ist unsere eurythmische Kunst auch bestrebt, dieses alles, was durch das Medium der Sprache zur Anschaulichkeit kommt, zum Ausdruck kommt, auch sichtbarlich darzustellen. Wir haben es also mit einer Bewegungskunst zu tun, mit Bewegungen des einzelnen Menschen, aber auch mit Bewegungen von Gruppen, mit Bewegungen, die Stimmungen, Empfindungen, Wärme auszudrücken haben, welche die Sprache durchglühen und durchziehen. Alles, was gewissermaßen die Nachbarschaft des Kehlkopfes zum Ausdruck bringt, ist wiederum durch unsere Gruppenstellungen und -bewegungen zum Ausdruck gebracht. Reim, Rhythmus, wodurch das Dichterische, das Künstlerische in der Sprache erreicht wird, ist durch diese Bewegungen von Gruppen, durch die gegenseitigen Stellungen der tanzenden Menschen und so weiter zu erreichen gesucht. Das ist das Charakteristische dieser eurythmischen Kunst, sehr verehrte Anwesende, wodurch sie sich von allen Nachbarkünsten unterscheidet, dass nicht die augenblickliche Gebärde, nicht das augenblicklich Pantomimische gesucht wird, geradesowenig wie in der Musik in ihrer inneren Gesetzmäßigkeit irgendetwas als augenblicklicher Ausdruck gesucht wird – dann wäre es ja Musikmalerei –, ebenso wenig wird in der eurythmischen Kunst bewusstes Mimisches durch augenblickliche Geste angestrebt. Nicht dasjenige, was augenblicklich in der Seele lebt, wird, wie es in Nachbarkünsten der Fall ist, durch augenblickliche Geste, durch augenblickliche Pantomime zum Ausdruck gebracht, sondern so ist es, dass dem Ganzen eine innere Gesetzmäßigkeit wie der Musik selbst zugrunde liegt. So dass allerdings, wenn zwei Eurythmiker dasselbe darstellen, die Verschiedenheit nur so sein wird, wie wenn zwei Klavierspieler ein und dieselbe Beethoven-Sonate nach ihrer subjektiven Auffassung wiedergeben. Größer wird der Unterschied nicht sein. Alles ist objektiviert. Und wo Sie noch sehen werden, dass ein Pantomimisches, dass ein Mimisches, dass Augenblicksgesten auftreten, da ist eben die Sache noch unvollkommen, da werden wir noch manches, gerade um unseren Anschauungen gerecht zu werden, zu überwinden haben. So wird erreicht, dass man tatsächlich auf der einen Seite die gesprochene Dichtung wird hören können, oder auch das Musikalische, und auf der anderen Seite umgesetzt diese Dichtung, dieses Musikalische in der Weise in menschliche Bewegung und in

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