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      LUNATA

Götzen-Dämmerung

      Götzen-Dämmerung

      oder wie man mit dem Hammer philosophiert

      © 1888 Friedrich Wilhelm Nietzsche

      Überarbeitete Neuauflage

      © Lunata Berlin 2020

      Inhalt

       Vorwort

       Sprüche und Pfeile

       Das Problem des Sokrates

       Die »Vernunft« in der Philosophie

       Wie die »wahre Welt« endlich zur Fabel wurde

       Moral als Widernatur

       Die vier großen Irrtüme

       Die »Verbesserer« der Menschheit

       Was den Deutschen abgeht

       Streifzüge eines Unzeitgemäßen

       Was ich den Alten verdanke

       Der Hammer redet

       Über den Autor

      Vorwort

      Inmitten einer düstern und über die Maßen verantwortlichen Sache seine Heiterkeit aufrechterhalten ist nichts Kleines von Kunststück: und doch, was wäre nötiger als Heiterkeit? Kein Ding gerät, an dem nicht der Übermut seinen Teil hat. Das Zuviel von Kraft erst ist der Beweis der Kraft. – Eine Umwertung aller Werte, dies Fragezeichen so schwarz, so ungeheuer, daß es Schatten auf den wirft, der es setzt – ein solches Schicksal von Aufgabe zwingt jeden Augenblick, in die Sonne zu laufen, einen schweren, allzuschwer gewordenen Ernst von sich zu schütteln. Jedes Mittel ist dazu recht, jeder »Fall« ein Glücksfall. Vor allem der Krieg. Der Krieg war immer die große Klugheit aller zu innerlich, zu tief gewordenen Geister; selbst in der Verwundung liegt noch Heilkraft. Ein Spruch, dessen Herkunft ich der gelehrten Neugierde vorenthalte, war seit langem mein Wahlspruch:

       increscunt animi, virescit volnere virtus.

      Eine andere Genesung, unter Umständen mir noch erwünschter, ist Götzen aushorchen... Es gibt mehr Götzen als Realitäten in der Welt: das ist mein »böser Blick« für diese Welt, das ist auch mein »böses Ohr«... Hier einmal mit dem Hammer Fragen stellen und, vielleicht, als Antwort jenen berühmten hohlen Ton hören, der von geblähten Eingeweiden redet – welches Entzücken für einen, der Ohren noch hinter den Ohren hat – für mich alten Psychologen und Rattenfänger, vor dem gerade das, was still bleiben möchte, laut werden muß...

      Auch diese Schrift – der Titel verrät es – ist vor allem eine Erholung, ein Sonnenfleck, ein Seitensprung in den Müßiggang eines Psychologen. Vielleicht auch ein neuer Krieg? Und werden neue Götzen ausgehorcht?... Diese kleine Schrift ist eine große Kriegserklärung; und was das Aushorchen von Götzen anbetrifft, so sind es diesmal keine Zeitgötzen, sondern ewige Götzen, an die hier mit dem Hammer wie mit einer Stimmgabel gerührt wird – es gibt überhaupt keine älteren, keine überzeugteren, keine aufgeblaseneren Götzen... Auch keine hohleren... Das hindert nicht, daß sie die Geglaubtesten sind; auch sagt man, zumal im vornehmsten Falle, durchaus nicht Götze...

      Turin, am 30. September 1888,

      am Tage, da das erste Buch der Umwertung aller Werte zu Ende kam

      Friedrich Nietzsche

      Sprüche und Pfeile

      1

      Müßiggang ist aller Psychologie Anfang. Wie? wäre Psychologie – ein Laster?

      2

      Auch der Mutigste von uns hat nur selten den Mut zu dem, was er eigentlich weiß...

      3

      Um allein zu leben, muß man ein Tier oder ein Gott sein – sagt Aristoteles. Fehlt der dritte Fall: man muß beides sein – Philosoph.

      4

      »Alle Wahrheit ist einfach.« – Ist das nicht zwiefach eine Lüge? –

      5

      Ich will, ein für allemal, vieles nicht wissen. – Die Weisheit zieht auch der Erkenntnis Grenzen.

      6

      Man erholt sich in seiner wilden Natur am besten von seiner Unnatur, von seiner Geistigkeit...

      7

      Wie? ist der Mensch nur ein Fehlgriff Gottes? Oder Gott nur ein Fehlgriff des Menschen? –

      8

      Aus der Kriegsschule des Lebens. – Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.

      9

      Hilf dir selber: dann hilft dir noch jedermann. Prinzip der Nächstenliebe.

      10

      Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! – Der Gewissensbiß ist unanständig.

      11

      Kann ein Esel tragisch sein? – Daß man unter einer Last zugrunde geht, die man weder tragen, noch abwerfen kann?.. Der Fall des Philosophen.

      12

      Hat man sein warum? des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem wie? – Der Mensch strebt nicht nach Glück; nur der Engländer tut das.

      13

      Der Mann hat das Weib geschaffen – woraus doch? Aus einer Rippe seines Gottes – seines »Ideals«...

      14

      Was? du suchst? du möchtest dich verzehnfachen, verhundertfachen? du suchst Anhänger? – Suche Nullen!

      15

      Posthume Menschen – ich zum Beispiel – werden schlechter verstanden als zeitgemäße, aber besser gehört. Strenger: wir werden nie verstanden – und daher unsre Autorität...

      16

      Unter Frauen. – »Die Wahrheit? O Sie kennen die Wahrheit nicht! Ist sie nicht ein Attentat auf alle unsre pudeurs?« –

      17

      Das ist ein Künstler, wie ich Künstlerliebe, bescheiden in seinen Bedürfnissen: er will eigentlich nur zweierlei, sein Brot und seine Kunst – panem et Circen...

      18

      Wer seinen Willen nicht in die Dinge zu legen weiß, der legt wenigstens einen Sinn noch hinein: das heißt, er glaubt, daß ein Wille bereits darin sei (Prinzip des »Glaubens«).

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