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      Inge Elsing-Fitzinger

      Bittere Wahrheit…

      Was kümmert es den Mond…

      Dieses ebook wurde erstellt bei

       Verlagslogo

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Selbstmord

       Es war vor etwa drei Monaten.

       Ein schwerwiegender Entschluss.

       „Exstirbation!“ Eine rasche, sichere Diagnose.

       Ein Hilfeschrei!

       Ich bin erwacht in einem Kerker,

       Ein großes Fest

       Stellas teuflischer Plan

       Die Verfolgungsjagd

       Todesangst, nackte Todesangst.

       Sprich mit mir!

       Impressum neobooks

      Selbstmord

      Ein markerschütternder Schrei durchstieß die dumpfe Stille.

      Alain Dubois hatte sich eben wieder an seinen Schreibtisch gesetzt, versuchte das Chaos seiner Gedanken zu ordnen. Das Gespräch mit seiner Gattin Marie-Louise, vor wenigen Augenblicken erst, bewegte ihn zu tiefst. Er hatte ihr großzügig verziehen, ihr versichert, sie würden gemeinsam eine, für beide Seiten zufrieden stellende Lösung finden - trotz des Schocks, den ihr offenes Geständnis in ihm hervorgerufen hatte.

      Marie-Louise war eine betörende Frau, die ihr Charisma vor sich hertrug wie schwulstiges Parfum, das ihr in dieser Situation fast eine Nuance zu schwer geworden war. Früher hatte sie sich nie in den Vordergrund gespielt, wirkte ungekünstelt präsent, wach – und doch geheimnisvoll. In den letzten Jahren setzte sie auf wohldosierten Sexappeal, unnahbar und berechnend, mit der Aura französischer Eleganz und Frivolität. Ihre zauberhaften Lippen verzogen sich meist zu einem provozierenden Schmollmund, während sie mit den sorgfältig getuschten Wimpern klimperte. Er schämte sich bisweilen der unverholenen Lust in ihren Augen. Heute war sie wie damals, vor langer Zeit.

      Erfüllt von unverbesserlichem Optimismus, sehnte er sich nach dem einstigen Paarlauf ihrer Gefühle. Wie sehr hatte sie ihn mit ihrer Zurückhaltung gereizt. Dieses kindliche Lächeln, mit dem sie vor vielen Jahren seine Werbung angenommen hatte.

      „Alter Träumer“, schalt er sich.

      Sie waren ein Teil der privilegierten Gesellschaft von Paris. Ein Scheidungsskandal - unvertretbar. Der fulminante Ruf der Schwiegereltern. Ein Argument, das ihn nicht allzu sehr getroffen hätte. Doch Bernard Villot, seinen väterlichen Freund und Gönner, wollte er in keiner Weise kompromittieren. Ihn achtete, schätzte und verehrte er aus tiefem Herzen.

      Was hatte Marie-Louise ihm alles in den letzten Monaten angetan? Dennoch liebte er sie. Wahre, tiefe Empfindungen kann man nicht einfach wegwischen wie Kreidereste auf einer Schiefertafel, dachte er wehmutsvoll. Sie würden sich immer wieder vordrängen, die Bereitschaft zur Versöhnung unterstützen.

      „Sie ist eine Frau, die ihren Gefühlen folgt, auch über die Weiten der Ozeane. Die jedem Mann Kompass und Sextant ersetzt, weil er weiß wo er hingehört, zu ihr, der Einzigen, der Verführerischen, die ihn wie Circe lockt.“ Undeutlich klangen seine Worte, doch überzeugt.

      Heute hatte sie so wunderbar unschuldig gelächelt wie einst. Die Silbernetzstola lässig über die Schultern gelegt. Das hellblaue Wollkostüm. Die kastanienbraunen Haare spielerisch zusammen geschlungen, aufgesteckt. Rehbraune Augen. Wunderschöne Augen, die er so geliebt hatte an dem übermütigen, glücklichen Mädchen, vor vierzehn Jahren. Wahrscheinlich erstmals ehrliche Tränen waren über ihre hochroten Wangen gelaufen.

      Wie viel Leere hält eine dauerhafte Beziehung aus, fragte er sich, und meinte gleichzeitig mit Überzeugung: „Wir werden eine Lösung finden, Marie. Wir werden diese Leere ausfüllen, diese neuen Erkenntnisse in brauchbare Bahnen lenken. Du kannst dich wie immer auf mich verlassen.“

      Würde die abgestumpfte Liebe neu erstehen? Sich in glühenden Lavaströmen noch einmal in uns verlieren, oder verbrennen in unerfüllten Sehnsüchten? Rentierte sich ein erneuter Kampf auf dem Schlachtfeld der Gleichgültigkeit?

      Ihr zärtliches „Merci, mon cher“ erstickte in einem tiefen Seufzer, gemischt mit den letzten Zuckungen ihres hinreißend bereuenden Schluchzens.

      Jetzt sprang Alain auf, stürzte zum Fenster. Zwölf Stockwerke unter ihm lag, umringt von Gaffern, ein Bündel leblos zerschlagenem Etwas. Er konnte nicht fassen, was er sah. Konnte nicht begreifen, dass dieses tote Wesen auf dem grauen Asphalt seine Marie sein sollte, die er eben noch getröstet und sichtlich beruhigt von sich hatte gehen lassen.

      „Wir waren einmal ein so wundervolles Paar, dessen Intimsphäre aber zusehends von Blitzgewittern neonhell ausgeleuchtet wurde. So hell, dass wir beide geblendet wurden – einander nicht mehr richtig sahen.“

      Hatte er sie falsch eingeschätzt? Diese eiskalte, so unerreichbar scheinende, berechnende Frau, die sie in den letzten Jahren geworden war, die mit seinen ehrlichen Gefühlen Pingpong gespielt, ihm beinahe das Herz gebrochen hatte.

      Versteinert starrte er in die Tiefe, registrierte nicht das Läuten des Telefons, blickte sich auch nicht um, als Francois Beret, sein engster Mitarbeiter und Freund, hereinstürmte. Verzweifelt, fassungslos.

      „Alain, um Gottes Willen, komm rasch! Marie Louise…“.

      Eine abwehrende Handbewegung. Seine Augen füllten sich mit Tränen, die langsam über das Kinn flossen, auf der Krawatte versickerten. Ruckartig drehte er sich zu dem stets willkommenen Freund um, brüllte gereizt: „Hinaus! Lass mich alleine!“

      Die ausladende Fensterwand, die warmtönigen Möbel. Alles schien feindlich und kalt. Francois verließ das Büro, leise, rücksichtsvoll.

      Eine Meute sensationslüsterner Reporter, übereifriger Polizisten, würde seinen Freund bald mit unsinnigen, herzlosen Fragen quälen. Schreiberlinge, die nach einer interessanten Story für ihr Schmierblatt gierten. Je tränenreicher, je brutaler, umso effizienter. Kameras schwingend, Zettel und Schreibzeug in den Händen, Mikrophone, Kabel, lärmend, schreiend, schoben sie sich bereits zur Türe hin, die ihren grausamen Wissensdurst noch trennte. Herzlos, blindwütig. Francois wurde heftig zur Seite katapultiert.

      Die belagerte Festung öffnete sich. In der breiten Flügeltür stand Alain. Ruhig, beängstigend ruhig, wandte er sich an die plötzlich verstummte geifernde Menge. Deutlich klangen Worte durch den Raum, die überraschten, doch keineswegs befriedigten.

      „Ich kann die Handlung meiner Frau nicht verstehen. Wir liebten einander so sehr. Sie war das begehrenswerteste Wesen, das sich ein Mann wünschen kann.“

      Die letzten Silben klangen weich, halb erstickt in wieder aufsteigenden Tränen. Er drehte

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