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      Annisas Flügel

      von

      Martin E. Greil

      Für Simone

       Prolog

       Tag eins

       Die neue Stadt

       Die Reise

       Afrika

       Der Traum des Bauern von den Ratten, den Reichen und dem System

       Die Auslese

       In einer anderen Welt

       Schatten der Vergangenheit: Über loslassen und fliegen

       Der Freund

       Das Verhör

       Der Mann neben ihr

       Anneliese

       Der Einsatz

       Annisa und Anton Karlo Geiger

       Die Bank

       Der Einsatz

       Das Spiel

       Annisas Flügel

      Prolog

      Ihr Name ist Annisa Masud. Das ist Annisas Geschichte, so wie sie mir erzählt wurde.

      Ene mene miste, es rappelt in der Kiste. Europa. Na, mal nicht schlecht. Der Schicksalsschatzmeister hat ihm einen Bonus verschafft. Der nächste bitte.

      Eine mene miste, es rappelt in der Kiste. Afrika, mitten drinnen. Autsch. Schlechter Start. Irgendwo in einem kleinen Dorf. Weit und breit nichts ausser ein par Lehmhütten, Ziegen, Kühe und viele Kinder. Sie nannten ihn Kani. Kani Masud, der Glückliche. War er das auch, der Glückliche? Soweit er sich an seine Kindheit erinnern konnte war er das. Frei, in der großen Ebene, in Afrika. Sie hatten keinen wirklichen Besitz. Die Tiere sahen sie als Teil der Natur. Diese gehörten allen. Sie hatten nicht einmal Kleidung. Das ganze Jahr lang waren sie nackt - so, wie sie geschaffen wurden. Ja. Er dachte, er war sehr glücklich. So lebte er in seinem kleinen Dorf mit seiner Frau Ani und den Kindern. Elli, der Sohn, war zehn und Annisa, die Tochter, acht. Sie waren glücklich mit ihrem Leben, bis sich eines Tages vieles änderte.

      Tag eins

      Im Nachbardorf, das sie Athandii nannten, eröffnete eine große Fabrik. In ihr wurden Konservenbüchsen, das Fleisch aus Afrika enthielt, produziert. Es kamen Europäer nach Athandii. Sogar ein Supermarkt wurde extra für die Manager, welche die Fabrik leiteten und ihre Familien gebaut. Dort gab es die Produkte aus Europa zu kaufen. Jeder der Einheimischen wollte einmal in den Supermarkt, um zu sehen, ob die Gerüchte über die Waren aus Europa stimmten. Es sollten die Besten sein die es überhaupt gab. Wer konnte, versuchte einen Job in der Fabrik zu bekommen. Sie suchten viele Arbeiter und zahlten auch etwas. Es war überhaupt das erste mal, dass man in ihrer Region Geld verdienen konnte.

      Doch ohne Kleidung durfte man dort nicht eintreten. Es war verboten, nackt in den Supermarkt zu gehen. Dort kauften auch die Frauen der Firmenmanager ihre Waren. Auch für die neue Brotausgabestelle brauchte er Kleidung. Die verschenkten Brot. Das war gut, dachte er. Die Frauen der Manager meinten, sie müssten sich um die Armen in Athandii kümmern. Das war ihre Aufgabe in Afrika. So brauchte Kani ein Shirt und eine Hose. Die im Dorf nannten ihn danach auch abfällig >Shirt und Hose<. Das war Kani egal. Er war der erste der es geschafft hatte, ein Shirt und eine Hose zu bekommen. Dafür musste er aber einen Glauben annehmen. Bei der Lebensmittelausgabe für die Armen bekam er die Kleidung. Vorher musste er sich taufen lassen. Das war die Bedingung für die Kleidung, sagte ein Prediger. Kani Masud sah kein Problem darin, auch an etwas anderes zu Glauben. So wurde er getauft. Er bekam Shirt und Hose, als er Mitglied der Glaubensgemeinschaft wurde.

      Die neue Stadt

      Damit war er Teil des großen, der Kommune der nicht Nackten. Mit Schutzbrief, dem Glauben, für die Zukunft ausgestattet, musste er nun seinen Sold erfüllen. Kani alias >Shirt und Hose< hatte sich seiner Freiheit um ein kleines Stück beraubt. Denn er brauchte nun unbedingt Shirt und Hose für die ganze Familie. Die Angehörigen konnten natürlich nicht weiterhin nackt sein im Dorf. Um glücklich zu sein , muss man Shirt und Hose haben, dachte Kani.

      Damit standen ihm die Türen offen. Wäre da nicht das Geld gewesen. Zumindest umsehen konnte man sich im Einkaufsladen. Aber nur das alleine ging auch nicht für Kani. Zu groß war die Versuchung der angebotenen Waren.

      Nur Brot? Das Brot der Ausgabestelle ist in die zweite Reihe gerutscht. Es gab viel besseres als das Geschenkte. Die Kinder waren nicht satt. Egal. Bewaffnet mit Shirt und Hose ging es der Freiheit ein für alle mal an den Kragen. Er war jetzt jemand im Stamm. Das Schutzpaket Glaube, mit der Erklärung für das Ende, nahm der ewigen Ruhe des Stammes die Luft zum Atmen. Dort herrschten jetzt andere Gesetzte. Die Freiheit des >Nichts< wurde nicht mehr gelebt. Dieses >Nichts< war weder gut für Kani noch für seinen Sohn Elli, dachte er.

      „Der Sohn und die Tochter sollen es besser haben in diesem Jetzt. Weil es nicht gut ist, nackt zu sein. Es ist nicht gut, Nichts zu sein. Jeder muss Teil eines Etwas sein.“ dachte er.

      So war Kani der Erste in seinem Stamm mit Shirt und Hose. Er hatte das kostenlose Brot und die Freiheit mit etwas Größerem eingetauscht. Das „nichts haben“ das Kani die Freiheit gegeben hatte, existierte nicht mehr. Somit träumte er mit seinem Stamm vom Weg nach Europa.

      „Dort liegt die Freiheit“ predigten die Erzähler.

      „Dort kommen die besten Lebensmittel in Konservenbüchsen her.“

      Kani, Shirt mit Hose, wollte auch die Konservenbüchsen aus Europa. Die Büchsen aus dem kleinen Supermarkt in Athandii. Seine Arbeit auf dem Feld schien ihm nicht mehr wichtig. Das Geld war neu in seinem Leben. Früher gab es die Ziege. Die Milch der Ziege gab ihm die Möglichkeit, beim Nachbar ein Ei der Henne einzutauschen. Mit dem Ei der Henne und der Milch der Ziege und dem Getreide von seinem Feld konnte seine Frau einen Brei machen. Ein Teil dieses Breies gab er dem Kuhhirten, welcher ihm ein Stück Fleisch überließ. Seit es Büchsen gab, verabschiedete sich der Handel mit Waren in seinem Dorf. Um das Geld für die Büchsen aus Europa zu bekommen, mussten alle im Stamm einer anderen Arbeit nach gehen. Die Ziege wurde schon lange gegessen. Es gab ja auch keine Hühner mehr. Das Fleisch des Kuhhirten ging schon längst in die Fabrik für die Büchsen aus Afrika. Da der Kuhhirte aber viel Geld brauchte für die Büchsen aus Europa, welche seine Familie ernährten, gingen

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