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eigentlichen Inhaltes von Service angepasst. Sie erbringen, was der Dienstleistungsanbieter offerieren müsste. Einkauftüten mit Logo bekommen Kunden nicht kostenlos oder bekommen noch etwas dafür ausgezahlt, dass sie damit Showlaufen gehen, sondern zahlen selbst. Schlecht deutsch sprechendes Personal im Service, ob persönlich oder am Telefon, wo der Kunde am besten selbst mehrere Sprachen beherrscht, damit er denjenigen, den er um Auskunft anfragt oder ihm Auftrag verschaffen möchte, sprachkundig begegnen kann. Telefonische Serviceleistungsanbieter nehmen mit der größten Selbstverständlichkeit Zeit, Geld und Sprachkenntnis der Kunden in Anspruch.

      All das sollten Ärzte nicht tun, um ihren Ruf zu wahren. Bei Kassenpatienten sind lange Wartezeiten inzwischen eine Realität wie Jahrzehnte zuvor Termine im Gesundheitsamt. Kassenbehandlung passt sich Amtsverhältnissen (z.B. vergleichbar mit Arbeitsämtern) zeitlich an – und zwar nicht unbedingt, weil der Arzt das so möchte, sondern weil zum Beispiel regionale Unterversorgung ein Thema ist. Ein weiteres ist, dass Ärzte möglichst viele Patienten aufgrund niedriger Honorarsätze behandeln müssen, um die Praxis halten zu können. Eine generelle Erwartung, die Ge-sundheitswirtschaft im Menschen bemüht ist zu wecken, ist die, das Menschen Gesundheit mitbringen und zusätzlich Gesundheitsleistungen und Gesundheitsprodukte einkaufen! Dies bedeutet, Menschen bringen selbst mit, was Gesundheitswirtschaft als Produkt anbietet: Gesundheit. Je gesünder die Menschen, desto besser der Verkauf und der Rufe von Dienstleistungen in diesem Wirtschaftszweig.

      Wie bereits in Band 2 erwähnt, bot ich in meiner Praxis – dank ausländischer Kollegen – Psychotherapie in zehn verschiedenen Sprachen an. Bis heute gibt es kein vergleichbares Angebot in der Nähe. Ärztliche Kollegen rufen immer noch in meiner Praxis an und fragen nach, ob es in meiner Praxis Behandlungsmöglichkeiten für ausländische Patienten in Muttersprache für gibt. Nach dem Psychotherapeutengesetz versuchte die örtliche KV, diesen Service selbst anzubieten, während meine damalige gut funktionierende Praxisstruktur dem Psychotherapeutengesetz zum Opfer fiel. Der KV Westfalen-Lippe (KVWL) ist es selbst nach neun Jahren nicht gelungen, ein solches Angebot zu schaffen. Jetzt werden Sonderbedarfszulassungen zur Versorgung fremdsprachiger Patienten durch ausländische Psychotherapeuten abgeschafft, wie Bernd Halbe als Rechtsanwalt und Fachanwalt für medizinrecht in seinem Artikel „Sonderbedarfszulassung/Ermächtigung für fremdsprachige Psychotherapeuten?“ Die Begründung des Bundessozialgericht (BSG) offenbarte eine völlig andere Sichtweise wie vorher durch verschiedene Landessozialgerichte (LSG) dargelegt.

      Bern Halbe (2008) teilt mit: „Dabei ist das höchste deutsche Sozialgericht zur genau gegenteiligen Auffassung gelangt, dass nämlich eine Sonderbedarfszulassung oder Ermächtigung speziell für die psychotherapeutische Behandlung von Patienten in einer Fremdsprache nicht erteilt werden könne, weil der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen auch im Falle von Psychotherapie gerade nicht die Gewährleistung einer Verständigung des Therapeuten mit dem Versicherten in dessen Muttersprache umfasse.“ (Bern Halbe, 2008, S. 37).

      Im Prinzip heißt das, Migranten haben nur den Anspruch auf einen Psychotherapeuten im deutschen Gesundheitswesen, aber sie haben keinen Anspruch darauf, dass sie sich sprachlich mit ihm auch verständigen können! Damit dürften Projekte, die bestrebt sind, dies zu ändern, nun endgültig scheitern. So kann eine miserable Versorgung gesetzlich in diesem Sinne verankert nur noch schlechter werden! Wie man sich allerdings vorstellt, das in der psychotherapeutischen und ärztlichen Basis in Praxen und Kliniken hinsichtlich psychoökonomischer Globalisierungsfolgen in Form von Verarmung und Migration wie Integrationsproblemen medizinisch und psychotherapeutische Hilfe angeboten und gearbeitet werden kann, sagt niemand! Einen Forderungskatalog diesbezüglich anzulegen, ist nicht Erfolg versprechend, da es von offiziellen Stellen immer nur eine Standardantwort gibt: Es ist kein Geld da!

      In dem vor kurzem erschienenen Handbuch „Gesundheit und Integration“ (Berlin, 7/2007) durch die „Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration“ teilen Martina Stickan-Verfürth und Sigrid Pettrup in ihrem Beitrag mit: „Das deutsche Gesundheitswesen zählt immer noch zu den besten der Welt – nicht aber zu den einfachsten. Nicht nur für Menschen, die gerade erst nach Deutschland gekommen sind oder noch nicht lange hier leben ist es oft schwer zu verstehen, wie es funktioniert. In Deutschland verfügt mittlerweile jeder achte Einwohner über einen Migrationhintergrund. Trotzdem haben Migrantinnen und Migranten noch immer erhebliche schlechtere Gesundheitschancen als die übrige Bevölkerung. Die notwendige Orientierung im Alltag eines fremden Landes lässt die Vorsorge für die eigene Gesundheit oft in den Hintergrund treten. Hinzu kommen nicht selten kulturelle Barrieren, so dass Ärzte zu spät oder gar nicht aufgesucht werden. Der gleichberechtigte Zugang zur gesundheitlichen Versorgung sollte auch für Migrantinnen und Migranten eine Selbstverständlichkeit sein. Verständliches, kultursensibles und mehrsprachiges Informationsmaterial ist deshalb dringend notwendig.“ (Ebda., 2007, S. 80)

      Generell werden Mängel in der Versorgung ausländischer Patienten in einem Artikel von Maria Böhm berichtet: Migranten haben eine um 20 Prozent höhere Belegdauer im Krankenhaus. Es dauert länger, herauszufinden, woran sie erkrankt sind. Das ist natürlich auf Dauer für das Gesundheitswesen teuer, wäre hier anzumerken; ein Grund für Krankenkassen zur ökonomischen Optimierung von Behandlungen. Zudem haben Menschen aus anderen Kulturkreisen ein anderes Körperempfinden. Deutsche Patienten zeigen die Stelle, wo es weh tut – afrikanische oder arabische Menschen spüren Schmerzen im ganzen Körper. Im Handbuch werden Migranten mit Managern aufgrund ihrer gleichartigen Symptome verglichen und aufgezählt. Migranten fallen durch das deutsche Versorgungsraster, stellt Maria Böhmer fest (WR 1.6.2007). Also wurden Dolmetscher eingestellt, um dem Problem zu begegnen – aber im Ernstfall holt man dann doch eher die Reinigungsfrau ans Krankenbett, damit sie übersetzt. Das Hantieren mit Wörterbüchern wie „Türkisch am Krankenbett“ war nicht von Erfolg gekrönt. Ein Projekt in Essen, das Türkisch-Sprachkurse für Gesundheitsberufe anbot, vermittelte 350 Menschen ein Basisvokabular, medizinische Fachausdrücke und kulturelle Feinheiten. Letztes Jahr lief das Projekt allerdings nur noch über Spenden – das NRW-Gesundheitsministerium hatte seine jährliche Förderung von 20.000 EUR eingestellt (WR, 1. Juni 2007, Hervorhebung M.E.). Was, so fragt man sich, soll dann eine ebenso aufwendige wie teure Recherche über Migration, wenn dennoch Fördermittel, und seien sie noch so niedrig, eingestellt werden?

      Die deutsche Aushängeschild- und Nachholwollenpolitik entwickelte sich nicht nur in meiner Praxis zum bürokratischen Bandwurm, sondern insgesamt, wie eben zur Migrationpolitik festgestellt: Erst werden etablierte und bewährte Strukturen meist in privater Initiative gegründet, dann werden sie abgebaut, weil sie nicht in das neue Gesetz passen oder weil kein genereller Kostenträger gefunden wird. Dann wird neun Jahre lang nichts Vernünftiges auf die Beine gestellt. Dann gibt es ein Buch über die Mängel in der Versorgungssituation ausländischer Patienten. Darin befinden sich einige interessante Artikel über einzelne, bundesweite Projekte. Aber: Es kann von keiner generellen, bundesweiten Versorgungsstruktur gesprochen werden. Gut finde ich den „Interkultureller Gesundheitswegweiser“ des Ethno-Medizinischen Zentrums e.V. in acht Sprachen. Zum einen, weil er mehrsprachig ist und zum anderen, weil er grob auflistet, wie das Gesundheitswesen funktioniert. Das allerdings ist für deutsche Patienten und gleichfalls für Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten im Gesundheitswesen generell schwierig zu durchdringen. Allein die Auflistung von möglichen Kostenträgern unter der Rubrik „Die Krankenversicherung“ ist übersichtlich:

      

Wer ist gesetzlich krankenversichert?

      

Freie Kassenwahl

      

Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen

      

Zuzahlungen/Eigenanteile

      

Leistungen n.d. Asylbewerberleistungsgesetz

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