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und Familie und Freunde dazu einladen. Mit Himmelslaternen und all unseren guten Wünschen möchte ich Marie Lebewohl sagen. Wir werden in alten Fotos stöbern, uns erinnern und Abschied nehmen.“

      In Mias Augen glitzerten Tränen. „Mama, das ist die beste Idee, die du je hattest.“

      „Danke, mein Schatz.“

      Mutter und Tochter lagen sich in den Armen.

      „Du kannst mein Sparbuch plündern“, flüsterte Mia ihrer Mutter ins Ohr. „Aber wehe, dieser Kerl rührt auch nur einen Tropfen Alkohol an.“

      Marlene lachte unter Tränen. „Ich bin so stolz auf dich, danke für dein wirklich großzügiges Angebot. Aber mach dir bitte keine Sorgen, ich habe schon mit meiner Bank gesprochen, um einen Kredit aufzunehmen.“

      „Dann vereinbare einen Termin und triff dich mit diesem Detektiv.“

      „Das werde ich tun, Liebes. Und es würde dir übrigens nichts schaden, wenn du deine Nase mal wieder in ein Schulbuch steckst.“

      „Typisch Mütter“, maulte Mia.

      „Typisch Töchter“, erwiderte Marlene erleichtert.

      Kapitel 5

      Lene erwachte allmählich aus der Narkose und schaute sich orientierungslos um. Nach und nach dämmerte ihr, dass sie sich auf der Krankenstation befand.

      „Bitte nicht ...“, schluchzte sie leise.

      Sie konnte sich noch genau daran erinnern, dass sie sich geweigert hatte, zum festgesetzten Termin zu erscheinen, um sich die befruchteten Eizellen einsetzen zu lassen. Aber wie war sie bloß hierhergekommen?

      Mühsam versuchte sie sich aufzurichten, doch ihre Arme wollten nicht so recht gehorchen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Sie drehte den Kopf zur Seite und bemerkte die Fixierung an ihren Handgelenken. Völlig verstört bäumte sie sich auf, doch die Riemen gaben nicht nach.

      Tränen strömten über ihre Wangen und sie hatte große Furcht vor den Konsequenzen dieses Eingriffs. Sie wollte keine Kinder. Wenn sie nur daran dachte, welche Höllenqualen die anderen Mädchen durchlitten, dann wurde ihr übel. Voller Verzweiflung schloss sie ihre Augen, um dem Schwindelgefühl Einhalt zu gebieten.

      „Wie ich sehe, bist du aus der Narkose erwacht.“

      Eine ihr unbekannte Krankenschwester hatte den Raum betreten und kontrollierte die Riemen.

      „Tut mir leid“, murmelte sie entschuldigend, „aber die Ärztin hat angeordnet, dass wir die Fixierung erst nach vierundzwanzig Stunden lösen dürfen. Sie möchte sichergehen, dass der Eingriff auch erfolgreich war.“

      Sie schüttelte das Kopfkissen auf und zog das Bettlaken an den Seiten straff.

      „Ich bringe dir gleich etwas Tee, damit dein Kreislauf wieder in Schwung kommt. Du hast lange geschlafen.“ Sie nickte ihr zu und eilte aus dem Zimmer.

      Lene versuchte erneut, ihre Handgelenke aus den Lederriemen zu befreien, doch sie scheiterte. Fast alle Mädchen mussten sich nach diesem Eingriff schonen und es wurde viel Wert auf die Einhaltung der Bettruhe gelegt. Sobald Lene die Krankenstation verlassen durfte, würde sie Lisa um Hilfe bitten.

      „So, da bin ich wieder.“ Die Schwester war zurückgekehrt „Eine Schnabeltasse finde ich albern und so ein bunter Strohhalm wertet das Ganze doch auf.“ Sie hielt Lene den Tee unter die Nase und lächelte ihr aufmunternd zu.

      Gierig leerte Lene die Tasse und lehnte sich erschöpft zurück.

      „Nachdem du deinen Durst gestillt hast, solltest du noch ein bisschen schlafen.“

      „Wann darf ich die Station wieder verlassen?“, fragte Lene hoffnungsvoll.

      Die hübsche Schwester mit den wasserstoffblonden Haaren blickte auf die Uhr an ihrem Handgelenk. „Meines Erachtens hast du noch acht Stunden vor dir. Aber wenn du den restlichen Narkoserausch ausschläfst, vergeht die Zeit wie im Flug.“

      Die freundliche Krankenschwester schloss die Tür leise hinter sich und Lene war mit ihren Gedanken wieder allein. Wenn sie doch nur wüsste, was man anstellen musste, um eine Schwangerschaft zu verhindern? Aber wenn sie ihnen kein Kind schenkte, was würde dann mit ihr passieren? Einige der Mädchen waren von heut auf morgen verschwunden und nie wieder aufgetaucht.

      Sie wusste, dass es sich um einen ziemlich weitläufigen Komplex handelte, den sie niemals verlassen durften. Jeder Trakt wurde hermetisch abgeriegelt - ein geschützter Bereich, um das Erbe der Menschheit zu retten.

      Die Regeln waren knallhart, wer dem Unterrichtsstoff nicht folgen konnte, wurde ausgemustert. Die Gesundheit jedes Einzelnen stand an oberster Stelle. Sie mussten übermäßig viel Sport treiben und bekamen einen speziellen Essenplan, der extra für sie angefertigt worden war.

      Regelmäßige Untersuchungen gehörten zur Routine. Zweimal in der Woche durften sie Filme anschauen, die Bibliothek stand ihnen jedoch täglich zur Verfügung. Das gesamte Heranwachsen wurde von einer gewissen Strenge und Härte bestimmt, um einer mentalen Verweichlichung entgegenzuwirken.

      Lenes Leidensgenossinnen waren alle ausgesprochen hübsch anzuschauen und ähnelten sich auf eine gewisse Weise, wenn man von der Schwangerschaft einmal absah. Äußerst intelligente junge Frauen, die vor der Blüte ihres Lebens standen.

      Doch sie waren Gefangene, die sich notgedrungen unterordnen mussten. Im Speisesaal über ihnen befand sich ein riesiger Bildschirm, der den Himmel zeigte. Das war nicht mehr als eine Illusion, die ihnen ein Gefühl von Freiheit vermitteln sollte. Doch Lene wusste tief in ihrem Inneren, dass es außerhalb dieser Mauern wunderschöne Orte gab, die nicht nur in ihren Träumen existierten.

      Die Tür wurde einen Spaltbreit aufgestoßen und Lisa schaute um die Ecke. „Bist du wach?“, wisperte sie.

      „Ja“, erwiderte Lene müde.

      Lisa huschte zum Bett und setzte sich auf die Kante. „Nun hat es dich also auch erwischt.“ Traurig strich sie eine Haarsträhne aus Lenes Stirn.

      „Vielleicht hat es ja nicht geklappt“, presste Lene mühsam hervor.

      „Die wissen sich schon zu helfen.“ Ein bitterer Zug legte sich um Lisas Mund. „Jeden Abend vor dem Einschlafen habe ich mich intensiv mit meinen Kindern beschäftigt. Durch die Bauchdecke hindurch konnte ich ihre winzigen Füßchen streicheln und ich bin so unendlich dankbar, dass ich dieses kleine Wunder erleben durfte. Ich habe ihnen geschworen, dass ich mich nach der Geburt um sie kümmern würde.“ Lisa schlug verzweifelt die Hände vors Gesicht. „Wie naiv ich doch anfangs gewesen war. Ich dachte doch allen Ernstes, dass ich mit meinen Babys diesen Trakt verlassen dürfte.“

      Lene griff nach Lisas Hand, um sie zu trösten. „Wir brauchen einen Plan, einen richtig guten. Ich möchte fliehen und dabei brauche ich deine Hilfe.“

      Lisa zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Für mich ist der Tod die einzige Alternative. Was soll ich in einer Welt, wo unseresgleichen verfolgt wird? Da kann ich auch gleich zugrunde gehen.“

      „Das kommt für mich nicht in Frage, niemals. Wenn es außerhalb unseres Refugiums tatsächlich so schlimm sein sollte, dann bleibt mir später immer noch die Möglichkeit, mich für den Freitod zu entscheiden.“

      „Ich kann dich ja verstehen, aber die Türen sind durch Codes gesichert und wer weiß schon, wie viele dieser Türen wir überwinden müssen? Haben alle den gleichen Code oder gibt es für jede einzelne Tür einen anderen?“

      „Du hast es also auch schon einmal in Erwägung gezogen?“ Triumphierend blitzten Lenes Augen.

      „Wie oft haben wir schon darüber fantasiert?“

      „Ja, aber es nie ernsthaft ins Auge gefasst.“

      Lisa verschränkte die Arme und ihr Blick wurde ernst. „Lene, das Ganze macht nur Sinn, wenn wir nicht schwanger sind. Ich nehme kaum noch Kalorien zu mir und hoffe,

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