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verzichten. Da PEG allerdings hygroskopisch ist, werden die Präparate nie ganz trocken, wie selbst dir aufgefallen ist. Beide Verfahren haben gemeinsam, dass zuvor die Fixierung in Formalin erfolgen muss, damit das Gewebe stabilisiert und dadurch die Schrumpfung minimiert wird. Die Fixierung verhindert den Zerfall des Gewebes bei der Präparation.«

      »Das heißt, der Täter hat umfangreiche Kenntnisse von alldem, ein Labor zur Verfügung und jede Menge finanzielle Mittel«, sagte Valerie. »Das Material muss doch teuer sein.«

      Tina winkte ab. »Die PEG Methode ist ein einfaches und billiges Verfahren. Im Internet kannst du fünf Kilogramm Polyethylenglycol für etwa einhundertzwanzig Euro plus Versand erhalten.«

      »Dann müssen wir uns also die Tierpräparatoren vornehmen. Einer von denen muss irgendwo ein größeres Labor unterhalten. Vielleicht auf einem stillgelegten Fabrikgelände.«

      »Ja, macht mal, viel Spaß.«

      »Apropos Spaß, willst du nicht am Wochenende zu uns zum Essen kommen? Ben hast du das letzte Mal gesehen, als er drei war, glaube ich.«

      »Ich denke, das ist keine so gute Idee …«

      »Komm, Tina, gib dir einen Ruck, der alten Freundschaft wegen …«

      »Ich werde darüber nachdenken, verspreche aber nichts …«

      Hinnerk und Lars kamen in der Schmiljanstraße an und liefen auf einen typischen Altbau in verblasstem Beige, aber mit imposanten weißen Säulen rechts und links vom Eingang zu. In dem Moment kam ein Radfahrer mit atemberaubendem Tempo auf dem Gehsteig auf sie zu. Hinnerk stellte sich ihm in den Weg.

      »Warum benutzen Sie nicht den Radweg, der nur einen Meter neben Ihnen verläuft?«, fragte er.

      »Fick dich, du Hurensohn!«

      Hinnerk hielt den unverschämten Kerl an der Jacke fest. »So, absteigen und ausweisen! Da bist du an den Falschen geraten«, sagte er böse und zückte seinen Dienstausweis.

      »Bist du heute mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden oder hat dich deine Alte nicht rangelassen? Hat die Kripo keine anderen Sorgen?«

      »Klappe halten und den Ausweis zeigen, aber dalli! Das gibt eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung, damit das klar ist.«

      Der Radfahrer wies sich widerstrebend aus, und Hinnerk notierte seine Personalien. Als er weiterfuhr, zeigte er Hinnerk einen Vogel. Lars hielt den Kollegen fest, als der dem Kerl hinterher spurten wollte.

      »Lass gut sein. Du hast ja die Personalien. Das gibt nur Ärger.«

      »Verdammtes, dreistes Pack«, ereiferte sich Hinnerk. »Endlich habe ich mal einen erwischt.«

      Lars drückte den Knopf neben dem Klingelschild mit dem Namen Feist, woraufhin fast unmittelbar der Summer ertönte.

      Oben öffnete ihnen eine Dame um die Fünfzig mit fragendem Blick. Sie war sehr gepflegt und tadellos gekleidet, nur ihre Augen blickten traurig, fast leer.

      »Frau Feist? Mein Name ist Lange, ich bin Hauptkommissar beim LKA. Und das ist Kommissar Scheibli. Dürfen wir einen Moment hereinkommen?«

      Hannelore Feist machte wortlos den Weg frei und schloss die Tür hinter Hinnerk und Lars.

      »Sie haben sie gefunden, nicht wahr? Ist sie tot?«

      Hinnerk nickte. »Es tut mir leid. Man hat die Leiche Ihrer Tochter heute Morgen im Volkspark Friedrichshain aufgefunden.«

      »Ich habe es den ganzen Tag geahnt. Eine Mutter fühlt so etwas, wissen Sie!«

      Frau Feist führte die beiden in das mit antiken Möbeln ausgestattete Wohnzimmer und bot ihnen einen Platz an. »Kann ich Ihnen etwas anbieten?«, fragte sie mit brüchiger Stimme.

      Hinnerk verneinte dankend, und Lars winkte ab.

      »Ich gehe davon aus, dass Ihre Tochter noch bei Ihnen gewohnt hat. Etwas ungewöhnlich mit Anfang zwanzig, finden Sie nicht?«

      »Nein, überhaupt nicht. Die Wohnung ist groß genug. Da tritt man sich nicht so leicht auf die Füße. Und Nina hat in Ihrem Berufsleben nicht viel Glück gehabt. Da ist es schwer, eine eigene Wohnung zu finanzieren bei den heutigen Mieten. Momentan arbeitet sie in einem Callcenter, kein Job auf Dauer, wenn Sie mich fragen. Ausgerechnet in Neukölln, allein schon die tägliche Anfahrt … na, und die Gegend … aber es ist ja so schwer, etwas Vernünftiges zu bekommen, wenn man keine ordentliche Ausbildung vorzuweisen hat.«

      »Warum hat Ihre Tochter keinen Beruf erlernt?«

      »Sie wissen doch, wie die jungen Leute heutzutage sind. Sie hat ihr Studium abgebrochen, weil sie von einer Modelkarriere geträumt hat. Zu mehr als ein paar Werbefotos hat es dann aber nicht gereicht. Hauptsächlich für Strumpfhosen. Nina hatte außergewöhnlich schöne Beine, müssen Sie wissen. Meinem Mann war das gar nicht recht. Er fand es irgendwie peinlich, dass man noch nicht einmal ihr Gesicht sah. Es hat ständig Streit zwischen den beiden gegeben. Jetzt verdient sie ihr Geld, indem sie anderen etwas aufschwatzt, das sie eigentlich nicht wollen … auch nicht gerade viel ehrenhafter … aber was soll man machen?«

      »Wo befindet sich dieses Callcenter? Ich meine, Neukölln ist groß«, sagte Lars.

      »In der Hermannstraße. Ich vergesse immer den Namen, warten Sie, ich habe eine Visitenkarte!« Hannelore Feist ging zur Flurgarderobe, griff in eine Schale, in der einige Karten und Flyer lagen, und reichte die bewusste Karte an Lars weiter.

      »Wie war das an dem Abend, wann haben Sie gemerkt, dass etwas nicht stimmte?«, wollte Hinnerk wissen.

      »Recht bald. Nina hatte zwar Spätdienst, aber sie kam danach immer gleich nach Hause. Andernfalls hat sie uns angerufen. Mein Mann und ich haben die ganze Nacht gewartet und ständig versucht, Nina auf dem Handy zu erreichen, doch es war immer die Mailbox angeschaltet. In der Firma hieß es, sie habe das Büro pünktlich verlassen.«

      »Danke, wir werden im Anschluss gleich in die Firma fahren. Hatte Ihre Tochter einen Laptop?«

      »Ja, der steht in ihrem Zimmer.«

      »Den würden wir gerne mitnehmen. Womöglich kannte Nina den Täter und hat sich Mails mit ihm geschrieben.«

      »Das wäre schon möglich. Einen festen Partner hatte sie jedenfalls nicht, wie die meisten heute. Wie ist sie nur in den Park gekommen? Freiwillig ist sie bestimmt nicht dort hingegangen.«

      »Wir gehen davon aus, dass der Täter dort nur den Leichnam abgelegt hat. Fundort und Tatort sind nicht identisch«, erklärte Hinnerk.

      »Dann hat mein armes Kind die ganze Zeit dort gelegen, bis jemand sie fand?«

      »Wahrscheinlich nicht. Dort wäre man früher auf sie aufmerksam geworden. Der Täter muss sie zuvor in seiner Gewalt gehabt haben.«

      »Wie schrecklich …« Frau Feist kamen unwillkürlich die Tränen. »Dann hat er sie womöglich noch tagelang gequält, bis er sie erlöste?«, fragte sie mit erstickter Stimme.

      »In dieser Hinsicht kann ich sie trösten. Es sind keine äußeren Verletzungen wie Spuren von Gewalt festgestellt worden. Es war eher so …«

      »Ja? Sprechen Sie doch weiter!«

      »… als wollte der Täter den Körper möglichst unversehrt lassen.« Hinnerk verschwieg wohlweislich die Plastination, um der Mutter das Herz nicht noch schwerer zu machen.

      »Dann hätte er sie nicht umbringen dürfen. Eine Vergewaltigung wäre mit Sicherheit traumatisch gewesen, aber Nina wäre am Leben geblieben.«

      »Dem Täter ging es mit Sicherheit um etwas anderes …«, sagte Lars.

      »Ja, das war’s fürs Erste«, schnitt ihm Hinnerk das Wort ab. »Jetzt brauchen wir nur noch den Laptop. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir uns bei dieser Gelegenheit im Zimmer Ihrer Tochter umsehen?«

      »Nein, machen Sie nur Ihre Arbeit. Je eher Sie den Verbrecher finden, umso besser.«

      Obwohl

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