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Tamiehland. Stefan Häring
Читать онлайн.Название Tamiehland
Год выпуска 0
isbn 9783738046861
Автор произведения Stefan Häring
Издательство Bookwire
Firah erwiderte nichts, zu sehr war er mit seinen Gedanken beschäftigt, was die Grauen mit Momag jetzt wohl machen würden. Sie traten in den Gang hinaus und sahen dahin, wo die Stimmen verschwunden waren.
"Warum haben wir eigentlich keine Waffen?" fragte er Klaso, der ihn ansah, als wenn er etwas falsches gesagt hätte. Doch nach einer kurzen Pause antwortete er ihm.
"Alle Länder um Tamiehland haben vor langer Zeit einen Friedensvertrag geschlossen. Da es keinerlei Misstrauen unter den Völkern gab, brauchten wir ab da auch keine Waffen mehr. Nur die Wachen haben symbolisch ihre Langsäbel behalten. Da es auch kaum Verbrechen gab, musste auch keiner für Ordnung sorgen. Erst unter Kasmir wurde alles anders. Er forderte plötzlich hohe Abgaben von seinen Untertanen und gleichzeitig schuf er damit den Boden auf dem Verbrechen gedeihen, nämlich Hass, Neid und Armut. Heimlich wurden auch wieder, auf sein Geheiß hin, Waffen hergestellt und somit hatte er leichtes Spiel unsere Länder zu besetzen. Es weiß auch kaum noch jemand, wie man damit umgeht und somit haben wir hier unten auch keine. Wir können es zwar schnell lernen, aber wer weiß wie die Grauen dann reagieren würden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie uns dann nicht mehr ins Gefangenenlager bringen, sondern sofort töten, wäre dann bestimmt sehr groß. So haben wir aber die Hoffnung, nach einiger Zeit wieder fliehen zu können, auch wenn das unter den jetzigen Umständen immer schwieriger wird. Nun lass uns aber weitergehen, noch etwa siebzig Yekas und wir sind in der Nähe der
Gefangenenhöhlen."
Sie wendeten sich nach links und legten den Rest der Strecke zurück. In der ferne waren wieder einige Geräusche zu hören, die Klaso aber nicht weiter beunruhigten. Schon bald erreichten sie einen Gang, der doppelt so groß war wie der letzte. Klaso zeigte auf einen großen Stein, der etwas seitlich von ihnen lag, wohinter sie sich auch sogleich verbargen.
"Wenn wir hier links herum gehen", flüsterte er dann Firah zu. "Kommen wir zu den Eingängen der Gefangenenlager. Es sind sieben an der Zahl und in jeder ist etwa Platz für dreißig bis vierzig Leute. Gehen wir aber rechts herum, sind wir hinter den Ausgängen und was dort ist, kann ich nicht sagen. Aber wenn das Gold hier unten ist, dann nur in einer von diesen zwei Möglichkeiten. Wir müssen uns nun entscheiden, welchen Weg wir gehen sollen." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu. "Wir können uns aber auch trennen und so nimmt jeder von uns einen anderen Weg. Firah, du bist nach hier unten geschickt worden und deiner Entscheidung werde ich folgen."
Plötzlich vernahmen sie Schritte, die langsam näher kamen. Sie legten sich flach auf dem Boden, da der Stein nicht sehr hoch war und sie sonst zu leicht hätten entdeckt werden können. Firah hatte dadurch noch etwas mehr Zeit, um über einen möglichen Entschluss nachzudenken, doch dazu kam es erst gar nicht, denn er vernahm wieder die Stimme.
"Trennt euch nicht! Du kennst dich hier unten nicht aus. Klaso hat sehr viel Erfahrung und im Ernstfall hat er sicher die rettende Idee. Versucht euer Glück hinter den Ausgängen. Beeilt euch, Kasmir und seine Vertrauten wissen mittlerweile schon, dass du hier unten bist."
Er hatte so gespannt auf die Stimme gehört, daß er alles andere, was um ihn herum passierte, nicht zur Kenntnis nahm. Erst als ihn Klaso abermals an die Schulter fasste und aus seinen Gedanken riss, merkte er, dass er schon neben ihm stand. Schnell erhob er sich auch und berichtete sofort, was ihm die Stimme gesagt hatte.
"Wäre das auch deine Entscheidung gewesen? Oder wolltest du die Sache anders angehen?"
"Ich war mir nicht hundertprozentig schlüssig", gab Firah ausweichend zurück. "Ich wollte dir den schwarzen Peter zuschieben. Aber nun bin ich selbstverständlich der Meinung, wir sollten tun, was die Stimme gesagt hat."
"Ja, du hast recht. So wie du es mir erzählt hast, war der Rat stets der Richtige. Lass uns also in die unbekannte Region dieser Unterwelt vordringen, auch wenn mir dabei nicht ganz wohl ist."
"Da bist du nicht der Einzige."
Nachdem sie sich kurz angesehen hatten, schlichen sie in die besagte Richtung. Den neuen Gang sahen sie sich genau an, so dass sie nur langsam voran kamen. Vor allem suchten sie nach Nischen oder anderen Verstecken, doch auf den ersten 150 Metern fanden sie nichts dergleichen. So verfinsterte sich das Gesicht von Klaso immer mehr, je weiter sie kamen. Auch Firah machte sich langsam Sorgen. Dann erblickten sie einen Abzweig und ohne zu schauen oder zu überlegen, rannten sie hin und verschwanden darin. Er war nur halb so groß wie der Vorherige, dafür war er aber doppelt so hell und noch in keinem Gang zuvor hatten sie so viele Fackeln gesehen. Nach etwa achtzig Metern hörten sie ein weiteres Mal Stimmen, die diesmal hinter ihnen waren. Beide verharrten in ihren Bewegungen und lauschten. Sie waren zwar noch sehr schwach zu hören, kamen aber langsam näher. Sie tauschten entsetzt einen Blick aus und schritten nun wieder etwas schneller in den Gang hinein. Man konnte förmlich spüren, wie sie nach einem Versteck, einer Abzweigung oder das Verstummen der Stimmen flehten. Dreißig Meter weiter tauchten dann vor ihnen drei Gänge auf. Sie wähnten sich schon in Sicherheit, als Klasos Blick fragte, welchen sie denn nehmen sollten. Doch Firah hob nur die Schultern. Im nächsten Augenblick, sie standen bereits in der Mitte der Kreuzung, wurde ihnen die Entscheidung abgenommen. Aus zwei weiteren Gängen waren deutlich näher kommende Geräusche zu hören. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, begaben sie sich in den einzigen Gang, aus welchem nichts zu hören war. Nach 25 Metern stieß Firah seinen Mitstreiter an und zeigte auf die Wand rechts von ihm. Auch nun erkannte Klaso die kleine Spalte, die kaum zu erkennen war. Blitzschnell verschwanden sie darin und wenige Sekunden später hörten sie bereits die ersten Stimmen von der Kreuzung. Sie waren sich sicher, dass sie nicht gehört worden waren, trotzdem unterhielten sich die Stimmen weiter und zwar in der Sprache, die sie nicht verstehen konnten, aber durch die wachsende Unruhe in deren Stimmen, hatten sie ein ungutes Gefühl.
"Was haben wir falsch gemacht", fragte sich Klaso und schaute vorsichtig auf den schwach beleuchteten Gang hinaus. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Der gesamte Gang war so präpariert, dass man nur ihre Spuren sehen konnte. Er musste sofort reagieren und handeln, sonst war die gesamte Mission zum Scheitern verurteilt, bevor sie so richtig begonnen hatte:
"Es ist keine Zeit für lange Erklärungen", wand er sich an Firah. "Da draußen sind nur unsere Spuren zu sehen und die Grauen kommen bestimmt gleich hinter uns her. Bleib hier sitzen und verhalte dich ruhig. Ich werde sie von dir ablenken. Viel Glück und beende die Herrschaft von Kasmir. Du bist unsere letzte Hoffnung."
Noch bevor Firah etwas sagen konnte, umarmte er ihn und lief dann schnell weiter in den Tunnel hinein. Sofort setzten sich auch die Grauen in Bewegung und spurteten hinter ihm her. Firah schloss die Augen und hielt den Atem an. Ihm liefen zwei, durch die Lichteinflüsse, silbern glänzende Tränen die Wangen hinab. Was in den letzten Sekunden passiert war, konnte er so schnell nicht verarbeiten und begreifen. Klaso hatte sich für ihn und ihre Sache ohne zu zögern geopfert.
"Ich darf ihn nicht enttäuschen", dachte Firah. "Ich bin zwar jetzt wieder auf mich allein gestellt, aber die Mission "Hoffnung" muss zu Ende gebracht werden, koste es was es wolle."
Er wurde durch die Worte von Klaso, die nicht all zu weit weg waren, aus seinen Gedanken gerissen. Er wolle sich ergeben und sie sollten ihn nicht töten. Danach war nichts mehr zu hören und nach einigen Minuten kamen die Grauen, mit Klaso als Gefangenen, an ihm vorbei. Firah öffnete wieder seine Augen und schaute vorsichtig in den Gang hinaus. Er sah gerade noch Klaso in seine Richtung lächeln, was Firah fast alle unguten Gefühle nahm. Er setzte sich wieder hin und wartete bis wieder Ruhe im Gang einkehren würde. Die Geräusche entfernten sich immer weiter. Gerade als er sich erhob, seit einigen Minuten war nichts mehr zu hören, schienen unbekannte Laute auf ihn zu zukommen. In seinen Bewegungen verharrend, schaute er aus seinem Versteck heraus und erkannte