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      Rosenblut

      Andreas Groß

      e-book 061

      Erscheinungstermin: 01.11.2019

      © Saphir im Stahl

      Verlag Erik Schreiber

      An der Laut 14

      64404 Bickenbach

       www.saphir-im-stahl.de

      Titelbild: Shutterstock Bilderdienst

      Vertrieb: neobooks

      Rosenblut

      Andreas Groß

      1

      Romeo fühlte eine tiefe, innere Ruhe, als er den schmalen Flur entlang lief. Jeder andere an seiner Stelle wäre vor seinem ersten großen Auftritt aufgeregt gewesen. Er dagegen war die Ruhe selbst. Bedauerlicherweise würde kein Publikum bei seinem grandiosen Spiel zusehen. Doch der Tag würde kommen, an dem er seine wunderbare Rolle endlich vor begeisterten Zuschauern präsentieren konnte. Niemand würde sie ihm dann noch streitig machen. Schließlich gab es keinen besseren Schauspieler dafür. Sie würde ihm am Ende zu ewigem Ruhm verhelfen.

      Im Grunde war ihm dies nicht so wichtig. Entscheidend war viel mehr, dass er nach dem Fall des letzten Vorhangs wieder mit seiner wahren Liebe vereint sein würde. Er war sicher, sie würde ihn erwarten. Sie hätte ihn niemals enttäuscht.

      Seine Finger berührten den seidenen Stoff des Schals, den er in seiner Jackentasche versteckte. Ein kaltes Lächeln umspielte seine Lippen, als er die Tür öffnete. Julia erwartete ihn. Eigentlich hieß sie anders, aber dies war für ihn nicht wichtig. Für ihn war sie schlicht und einfach Julia. Ihr eigentlicher Name besaß im Grunde keine größere Bedeutung für ihn.

      Jedenfalls ahnte sie nichts von seiner wahren Absicht, die er geschickt vor ihr verbarg. Immerhin sollte es ihm als Schauspieler leicht fallen. Ein freudiger Schauer lief ihm bei dem Gedanken über den Rücken. Er war gekommen, um zu töten.

      Sie strahlte ihn an, als er das Zimmer betrat und leise die Tür hinter sich schloss.

      „Du bist schon da“, sagte sie freudig. „Ich bin gleich soweit. Muss mir nur noch schnell die Wimpern nachziehen und das passende Outfit überwerfen. Dann können wir los.“

      Romeo zuckte mit den Schultern. „Du übertreibst schon wieder. Bei deiner natürlichen Schönheit brauchst du eigentlich kein Make-up.“

      Julia zog die Brauen hoch. „Flirtest du etwa mit mir? Du weißt hoffentlich, dass ich nicht auf dich stehe. Wir sind nur Freunde ...“

      Romeo hob abwehrend die rechte Hand. „Keine Angst, ich wollte dich nicht anmachen. Außerdem weiß ich doch, wen du ganz besonders liebst. Und selbst wenn, du bist einfach nicht mein Typ.“ Verlegen senkte er den Kopf.

      Julia verzog die Lippen zu einem Schmollmund. „So genau wollte ich das jetzt auch nicht wissen.“

      Romeo seufzte. „Ich wollte dich nicht beleidigen“, erklärte er hastig. „Ich bin halt ehrlich.“ Langsam schritt er durch das Zimmer und ließ sich auf einen Drehstuhl nieder, der vor einem schlicht aussehenden Schreibtisch stand. Sorgfältig achtete er darauf, die Armlehnen nicht zu berühren, während er auf dem Stuhl herumschwang, um sie weiterhin beobachten zu können.

      Julia huschte ins Bad. Romeo warf ihr einen bewundernden Blick hinterher. Sie besaß die gleichmäßigsten und längsten Beine aller Studentinnen an der Uni. Ihre makellose Haut glänzte in einem sanften Bronzeton. Sie musste sich nicht ins Solarium begeben, um die perfekte Bräune zu erreichen. Julia war einfach eine Naturschönheit.

      Romeo lauschte dem Rauschen des Wasserhahns. Am liebsten wäre er ihr gefolgt. Aber das Badezimmer war nicht der richtige Ort, um sein Vorhaben zu verwirklichen. Aus diesem Grund unterdrückte er mühelos seinen Drang. Er konnte noch warten.

      Sie lief auf Zehenspitzen aus dem Bad zu ihrem Schlafzimmer. „Ich muss nur noch mein Outfit überstreifen“, verkündete sie im Vorbeilaufen. „Dieser Abend wird bestimmt wahnsinnig toll. Ich kann es nicht erwarten, den neuen Club aufzusuchen“, erklang ihre Stimme durch die offen stehende Tür ihres Schlafzimmers.

      Romeo genoss jede Minute. Er musste einfach jeden dieser letzten Momente auskosten, bis seine Stunde endlich schlug. Zärtlich spielten seine Finger mit dem Schal. Der große Augenblick näherte sich unaufhaltsam. Er hörte, wie sie den Kleiderschrank öffnete, und vernahm das kratzende Geräusch, als die Bügel auf der metallenen Stange hin und her geschoben wurden.

      Er spürte, wie seine Erregung wuchs. „Der Club soll wirklich eine Sensation sein“, erwiderte er. „Ich habe gehört, dass dort viele Prominente verkehren sollen.“

      Julia schob ihren Kopf hinter dem Türrahmen hervor. „Vielleicht treibt sich ein Modelscout dort herum und entdeckt einen von uns. Oder am Ende laufen wir einem Modedesigner über den Weg und ...“ Sie schnippte mit den Fingern „... ehe wir uns versehen, finden wir uns auf einem Cover wider.“

      Romeo lachte. „Du träumst. Ich werde bestimmt kein Model, dafür sehe ich nicht gut genug aus. Doch du dagegen hast die perfekte Figur. Und mit deinen blonden Haaren verzauberst du jeden Mann.“

      „Mach dich nicht kleiner als du bist. Du bist nicht weniger attraktiv.“ Julia schenkte ihm ein Lächeln, ehe sie sich wieder ins Schlafzimmer verzog.

      Sie ist wunderschön, schoss es ihm durch den Kopf. Er begehrte sie auf seine ihm eigene Art, die sie mit Sicherheit nicht verstehen würde. Schließlich war es kein körperliches Begehren. Jetzt nicht mehr. Selbst wenn er Sex mit ihr gehabt hätte, würde er dabei nichts empfinden. Am Ende war sie auch nur ein weiteres verlogenes Miststück. Seine Liebe gehörte für immer der wahren und einzigen Julia.

      Dieses Mädchen dagegen war eine Beziehung mit jemandem eingegangen, dem sein ganzer Hass gehörte. Sie war die Person, die er zerstören wollte, ihr die Seele und den Verstand nehmen. So, wie die falsche Julia es mit ihm getan hatte.

      Sie alle waren verblendet. Alle waren der Person hörig, der seine Verachtung galt.

      Er fühlte kein Bedauern darüber, dass sie sterben musste. Es war einfach eine Notwendigkeit. Warum mussten sie sich auch mit dieser verlogenen Hexe anfreunden? Genau das war jetzt ihr Todesurteil, denn seine Liebe war unerfüllt geblieben. Niemand hatte ihm Trost geschenkt, als er getrauert hatte.

      Lange hatte er gewartet, seinem Zorn freien Lauf zu lassen. Endlich sollte das hinterhältige Biest den Schmerz des Verlusts spüren, immer und immer wieder, genauso wie er ihn in seinem Herzen jeden neuen Morgen fühlte. Für sein weiteres Handeln war allein diese Tatsache entscheidend.

      Er kannte die neue Julia erst seit zwei Wochen. Trotzdem erschien es ihm wie eine Ewigkeit, in deren Zeit er von alles umfassender Freude bis zu endlos scheinender Traurigkeit alle Arten von Gefühlen durchlebt hatte. Für einen Augenblick hatte er gehofft, er könnte eine neue, wahre Liebe gefunden haben. Doch dann hatte er die grausamen Worte aus ihrem Mund vernommen. Sie hätte ihm dies nicht antun dürfen. Außerdem wollte sie auch noch in diesem Stück mitspielen, in der Rolle, die sie niemals hätte übernehmen dürfen. Nicht nach ihrem Verrat.

      Julia trat erneut aus dem Schlafzimmer. Sie trug eine kurzärmelige Bluse über einem kurzen Rock, der ihre Beine noch länger erscheinen ließ. Ihre Füße steckten in schwarzen High Heels. Romeo fragte sich immer wieder, wie man auf derart hohen Absätzen laufen konnte. Julia gehörte jedoch zu denjenigen Frauen, denen es mühelos gelang. Mit Leichtigkeit und eleganter Balance lief sie auf diesen Schuhen umher. Über die Bluse hatte sie sich eine dünne Lederjacke aus feinem Rindsleder geworfen, die so geschnitten war, dass sie um die Taille eng zusammenlief.

      „Und?“, Julia warf ihm einen fragenden Blick zu, wobei sie sich einmal um die eigene Achse drehte.

      „Perfekt“, erklärte Romeo. „Nein, nicht ganz. Fast perfekt. Es fehlt nur ein winziges Detail in meinen Augen.“

      Über Julias Nase bildete sich eine kleine Falte, als sie die Brauen zusammenzog. „Worauf

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