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Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 4. Rudolf Cronau
Читать онлайн.Название Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 4
Год выпуска 0
isbn 9783753191867
Автор произведения Rudolf Cronau
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия gelbe Buchreihe
Издательство Bookwire
Dem Vorgang der „John Hopkins-Universität“ folgten zunächst die im Jahre 1890 gegründete „Universität zu Chicago“ und die im Jahre 1891 gestiftete „Leland Stanford-Universität“ in San Francisco. Ihnen schlossen sich später die älteren Schwestern Harvard in Cambridge, Yale in New Haven und Columbia in New York an. Diesen Beispielen folgten zahlreiche andere Hochschulen, seitdem Deutschland auf den Weltausstellungen zu Chicago und St. Louis sein Unterrichts- und Erziehungswesen in umfassender Weise veranschaulichte und dadurch dem Studium aller amerikanischen Pädagogen zugängig machte.
Die Größe und Bedeutung des so vom deutschen Erziehungswesen auf die Lehranstalten in Amerika direkt und indirekt ausgeübten Einflusses lassen sich natürlich weder statistisch noch anderweitig feststellen. Aber sicher treffen die Worte zu, welche eine anerkannte Autorität, Andrew D. White, der ehemalige Präsident der „Cornell-Universität“ zu Ithaka, einst sprach:
„Mehr als irgendein anderes Land hat Deutschland dazu beigetragen, die amerikanischen Universitäten zu dem zu machen, was sie jetzt sind: zu einem gewaltigen Faktor in der Entwicklung der amerikanischen Kultur.“
* * *
Eine ebenso eigenartige wie bedeutungsvolle Neuerung im amerikanischen Erziehungswesen wurde in der jüngsten Zeit durch Kuno Francke Professor der deutschen Sprache und Literatur an der Harvard-Universität eingeleitet.
Er befürwortete, dass zwischen den Universitäten Deutschlands und der Vereinigten Staaten ein regelmäßiger Austausch von Professoren vorgenommen werden möge, damit durch den so bewirkten direkten Gedanken- und Meinungsaustausch nicht nur eine innigere Verschmelzung deutscher und amerikanischer Wissenschaft und eine geistige Verbrüderung zwischen dem deutschen und amerikanischen Volke herbeigeführt, sondern zugleich der großen Masse der amerikanischen Studenten das gewährt werde, was gegenwärtig nur einer bevorzugten Minderzahl, die den Besuch ausländischer Universitäten nicht zu scheuen brauche, zu genießen möglich sei: die persönliche Berührung mit hervorragenden, scharf markierten, wissenschaftlichen Persönlichkeiten, wie sie für das deutsche Gelehrtentum so bezeichnend sind. Der deutsche Gelehrte, so betonte Francke, setze sich ein für seine Sache, er gehe auf in seiner Wissenschaft und sei erfüllt vom Glauben an dieselbe. Viele besäßen eine eigenartige Kampfnatur, die Selbständiges leisten wolle, sich durch nichts beirren lasse und nach den höchsten Idealen strebe. Die von solchen Personen ausgehende Anregung müsse sowohl auf die Studierenden wie auf die Lehrer der amerikanischen Hochschulen einen außerordentlich belebenden Einfluss ausüben.
Dieser von Professor Francke im Jahre 1902 erhobene Vorschlag fand sowohl diesseits wie jenseits des Ozeans begeisterte Zustimmung. Namentlich seitens Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm II. und des Präsidenten Theodore Roosevelt, welche die Ersprießlichkeit eines engeren freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten längst erkannt und, jeder nach seiner Weise, seit geraumer Zeit für ein solches gewirkt hatten. Es kam infolgedessen im November 1904 zwischen der Universität Harvard und dem preußischen Kultusministerium ein ganz dem Sinne des Franckeschen Vorschlags entsprechender Vertrag zustande, demgemäß sich Professor Francis G. Peabody von der Harvard-Universität im Winter 1905 nach Berlin begab, um an der dortigen Universität eine Reihe von Vorträgen über soziale Ethik im allgemeinen und über die sozialen Probleme Amerikas im besonderen zu absolvieren. Um die gleiche Zeit reiste der Leipziger Professor Wilhelm Ostwald nach Cambridge, Mass., um an der Harvard-Universität im Auftrag der preußischen Regierung über Naturphilosophie und physikalische Chemie Vortrag zu halten. Ihm folgte im Herbst 1906 als zweiter deutscher Austauschprofessor der Literaturhistoriker Eugen Kühnemann aus Breslau mit Vorträgen über das moderne deutsche Drama. An Stelle Peabodys trat hingegen Professor Theodore W. Richards, der im Frühjahr 1907 an der Berliner Universität einen Kursus über Chemie eröffnete. Diesen Leuchten der Wissenschaft schlossen sich in der Folgezeit manche andere namhafte Gelehrte an.
Ein ähnliches Kartell wurde bald darauf auch zwischen der Columbia-Universität zu New York und dem preußischen Kultusministerium geschlossen, aber mit dem Unterschied, dass dank der hochherzigen Stiftung eines früheren Studenten der Columbia-Universität, des New Yorker Bankiers James Speyer, in Berlin ein permanentes „Amerikanisches Institut“, verbunden mit einer „Roosevelt-Professur“ geschaffen wurde. In diesem Institut sollen die bedeutendsten Denkmäler der amerikanischen Wissenschaft, Literatur und Kunst allmählich gesammelt und aufbewahrt werden.
Als erster Inhaber der „Roosevelt-Professur“ begann im Oktober 1906 Professor John W. Burgess mit Vorlesungen über die Verfassungsgeschichte der Vereinigten Staaten. Ihm folgten später der Nationalökonom Professor Arthur Hadley von der Yale-Universität, Felix Adler, der Gründer der „Ethical Culture Society“ und Professor an der New Yorker Columbia-Universität und der Geschichtsprofessor Charles Alphonse Smith von der Universität von Nordkarolina. Die deutsche Regierung hingegen entsandte die Professoren Hermann A. Schumacher aus Bonn (Nationalökonomie und Staatswissenschaften), Rudolf Leonhard aus Breslau (Rechtswissenschaften) und Albrecht F. Penck aus Berlin (Geologie). Ähnliche Kartelle wurden auch seitens der Universitäten zu Chicago und Madison, Wisc, eingeleitet.
Obwohl seit der tatsächlichen Verwirklichung des hochinteressanten Experiments nur kurze Zeit verstrichen ist, liegen für seine Ersprießlichkeit doch bereits die glänzendsten Beweise vor. Denn hüben wie drüben drängten sich lernbegierige Studenten, Professoren, Lehrer, Journalisten, Staatsmänner und andere im öffentlichen Leben stehende Personen zu Hunderten herbei, um die, neuen Botschaften gleichkommenden Eröffnungen entgegenzunehmen, welche von den beredten Lippen jener, einer befreundeten Nation entstammenden Sendlinge, flossen. Dass man in der Auswahl der letzteren auf beiden Seiten glücklich gewesen, zeigten die in Berlin wie in Cambridge und New York gehörten Worte schmerzlichen Bedauerns, dass man so berufene Vertreter echter Wissenschaft nicht zu dem ständigen Lehrpersonal zählen dürfe.
„Unser einziges Bedauern ist nur, dass wir ihn nicht beständig hier behalten können“, so berichtete der mit der Leitung der preußischen Universitätsangelegenheiten im Kultusministerium betraute Geheimrat Dr. Althoff über Professor Peabody nach Harvard. Und dort empfand man in gleicher Weise, dass die Besuche der Professoren Ostwald, Kühnemann und anderer Ereignisse waren, die auf die gesamte dortige Studentenschaft tiefe, unauslöschliche Eindrücke hinterließen.
Da sowohl die amerikanischen wie die deutschen Austauschprofessoren während ihres Verweilens in dem befreundeten Lande auch Besuchsreisen nach anderen dort bestehenden Universitäten unternahmen und daselbst Vorträge hielten, so blieb ihr befruchtender Einfluss nicht auf einen engeren Kreis beschränkt, sondern erstreckte sich über große Teile der beteiligten Nationen.
Welche Anregungen diesem fortgesetzten Austausch von Gelehrten fernerhin entsprießen mögen, das lässt sich zurzeit noch nicht absehen. Aber schon jetzt darf man die im schönsten Sinne kosmopolitische Idee als einen vollen Erfolg bezeichnen, der sowohl für Amerika wie für Deutschland von hoher Bedeutung zu werden verspricht. „In dem Austauschgedanken“, so äußerte sich Professor Kühnemann über das Experiment, „drückt sich in einer edlen Weise das Gefühl der Verwandtschaft zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Volke aus, etwas wie eine Zusammengehörigkeit, die zu dem Bedürfnis führt, sich wahrhaft kennen zu lernen und dadurch wahrhaft näherzutreten, dadurch, dass man die Lehrer der fremden Jugend das Wesen des eignen Volkes erklären hört. Ja, noch mehr, man möchte beteiligt sein am Leben des anderen großen Volkes, indem man mitarbeitet an der Seele seiner Jugend. Jeder dieser ins Ausland gehenden Professoren – das ist gewiss – kommt zurück als ein Mittelpunkt freundschaftlicher Gefühle für die Fremden. Ward je in gleich starker Weise der Professor aus der Enge seiner Gelehrtenstube hinausgeführt? Ward er je stärker daran erinnert, dass auch er ein Glied ist im Dienst der öffentlichen geschichtlichen Aufgaben seines Volks?