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Wanderung nahm den Charakter eines Triumphzuges an. Näherten sie sich einer protestantischen Stadt, so zogen die Prediger und Behörden an der Spitze der Einwohnerschaft den Fremdlingen entgegen und geleiteten sie unter dem feierlichen Geläute der Glocken in den Ort. Hier bewirtete man die Wanderer und erbaute sie durch zu ihren Ehren veranstaltete Kirchenfeierlichkeiten. Man stritt sich darum, wer sie beherbergen dürfe. Zum Andenken an ihren Durchzug prägte man silberne Denkmünzen. Mehrere protestantische Fürsten, vor allen der edle König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, boten ihnen Ländereien an. (Siehe Band 139e dieser gelben Buchreihe: Jochen Kleppers Roman „Der Vater“)

      Eine in warmen Worten gehaltene Einladung zur Übersiedelung nach Amerika kam auch aus der südlich von Virginien und Karolina gegründeten englischen Kolonie Georgia. Die Leiter derselben hatten im Juni des Jahres 1732 von der englischen Regierung die Genehmigung zur Organisierung der Kolonie unter der Bedingung empfangen, dass man daselbst „den armen Bewohnern Englands wie auch den bekümmerten Salzburgern und andern Protestanten eine Zuflucht eröffne“.

       Man hatte in England von dem traurigen Schicksal der Salzburger durch den Augsburger Pfarrer Samuel Urlsperger Kunde erhalten, und an demselben herzlichen Anteil genommen. Als man den Salzburgern sogar Schiffe zur freien Überfahrt zur Verfügung stellte und die „Society for the Propagation of Christianity“ in London die Reisekosten der Auswandrer bis Rotterdam zu tragen übernahm, entschlossen sich zunächst 50, insgesamt 91 Köpfe zählende Familien, der Einladung zu folgen. Sie versammelten sich in Berchtesgaden, und begaben sich dann unter der Führung des Freiherrn von Reck zunächst nach Rotterdam, wo sie am 27. November 1733 eintrafen. Hier gesellten sich die vom Waisenhaus in Halle entsandten Pastoren Johann Martin Bolzius und Israel Christian Gronau zu ihnen, um der kleinen Gemeinde fortan als geistliche Berater zu dienen.

      Die Ankunft der Salzburger in Georgia am 12. März 1734 gestaltete sich zu einem förmlichen Festtag. Die Neulinge wurden mit Kanonensalven begrüßt und aufs herzlichste bewillkommt. Sie fanden unter den Bewohnern der ein Jahr zuvor angelegten Stadt Savannah auch bereits einige Deutsche. Der menschenfreundliche Leiter der Kolonie, General Oglethorpe, stellte den Salzburgern anheim, ein ihnen zusagendes Stück Land zur Anlage einer Ortschaft auszuwählen. Sie entschieden sich für einen 24 englische Meilen von Savannah entfernten Platz, der an einem Nebenfluss des Savannah inmitten ungeheurer Fichtenwälder lag.

      Dort schlug man Zelte und Blockhütten auf und nannte diese Ansiedlung Ebenezer, „bis hierher hat der Herr geholfen“.

      Leider machte der ungesunde Charakter der Gegend bald eine Verlegung der Ansiedlung an eine günstigere Stelle nötig. Diese fand sich direkt am Ufer des Savannah, wo nun die Niederlassung Neu-Ebenezer entstand. Die Entwicklung dieser Ortschaft hat mit derjenigen von Germantown viel Gemeinsames. Auch hier gab es manches Ungemach, aber die an harte Arbeit Gewöhnten ertrugen dasselbe mit christlicher Geduld und in der Zuversicht, dass ihrem Fleiß, ihrer Ausdauer der Lohn nicht fehlen könne.

      Bald stellte sich Verstärkung ein; 75 andere Salzburger langten im Jahre 1735 an, denen sich später noch mehrere kleine Nachschübe zugesellten. Im Jahre 1741 betrug die Bevölkerung von Ebenezer bereits 1.200 Köpfe.

      Das Leben in Ebenezer war von arkadischer Einfachheit. Neben dem Ackerbau trieb man Viehzucht; als besondere Spezialität auch Seidengewinnung. Letztere war durch den Piemontesen Nicolas Amatis im Jahre 1739 nach Georgia übertragen worden. Pastor Bolzius bewog die Salzburger, die Seidenkultur aufzunehmen. Er sorgte für die Anpflanzung von Maulbeerbäumen und begründete dadurch in Ebenezer eine gewinnbringende Industrie, die umso lohnender wurde, als die englischen Kolonisten nach mehreren Misserfolgen die Seidenkultur aufgaben. Bereits im Jahre 1751 sandten die Bewohner von Ebenezer 1.000 Pfund Kokons und 74 Pfund Rohseide nach England, wofür sie 110 Pfund Sterling erzielten. Um diese Industrie zu fördern, schenkten die Behörden jeder derselben sich zuwendenden Frau eine Haspelmaschine. Ferner bewilligten sie zwei Pfund Sterling zum Ankauf von Seidenwürmern und Anpflanzen von Maulbeerbäumen. Auch der Anbau von Indigo wurde von den Salzburgern betrieben.

       Die beiden Pastoren Bolzius und Gronau erwiesen sich als echte Väter ihrer Gemeinde. Sich nicht bloß auf die geistliche Fürsorge beschränkend, nahmen sie an allen weltlichen Angelegenheiten lebhaften Anteil. Sie sorgten für den Bau einer Kirche, einer Schule und eines Waisenhauses. Das letzte richteten sie so vorzüglich ein, dass es den berühmten englischen Methodisten George Whitfield geradezu begeisterte und ihm als Vorbild für seine Waisenanstalt Bethesda diente.

      Der wackere Bolzius diente seiner Gemeinde 32 Jahre. Mit der Heimat, insbesondere mit dem in Augsburg wohnenden Prediger Samuel Urlsperger unterhielt er regelmäßigen schriftlichen Verkehr. Urlsperger redigierte seine Berichte über das tägliche Leben in Ebenezer mit großer Sorgfalt und gab sie unter dem Titel „Ausführliche Nachrichten von der königlich Großbritannischen Kolonie der Saltzburgischen Emigranten in America“ in Buchform heraus. Sie bildeten die wichtigste Quelle zur Geschichte der Salzburger in Georgia.

      Aus ihr ist zu ersehen, dass auch die Salzburger Anstoß an der Einfuhr von Negersklaven in die englischen Kolonien nahmen. Wenn sie auch nicht, wie die Bewohner von Germantown gegen die Sklaverei öffentlichen Protest erhoben, so gaben sie ihre Abneigung doch so deutlich zu erkennen, dass sie die Opposition ihrer anglo-amerikanischen Nachbarn erregten. Um ihr Gewissen zu beruhigen, riefen sie die Meinung ihres Beraters Urlsperger in Augsburg an. Dieser erwiderte folgendes: „Wenn ihr Sklaven nehmt als Christen und in der Absicht, sie als Christen zu erziehen, so wird diese Handlung keine Sünde sein, sondern mag euch Segen bringen.“

       Die Kolonie der Salzburger erhielt sich bis ins 19. Jahrhundert. Ihre Bewohner kennzeichneten sich durch Fleiß, Eintracht, Redlichkeit und freundliches Wesen. Man sah unter ihnen weder Trunkenbolde noch Müßiggänger. Bis zum Jahre 1824 wurde in Ebenezer deutsch gepredigt. Als kein Zuzug mehr aus Deutschland erfolgte, ging die Kolonie allmählich im Amerikanertum auf. Aber noch heute verraten die Namen und Gesichtszüge zahlreicher in Ebenezer, Savannah und benachbarten Orten lebender Familien ihren echt deutschen Ursprung.

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      Die Mährischen Brüder oder Herrnhuter

       Die Mährischen Brüder oder Herrnhuter

      Im Gegensatz zu den bisher genannten Sekten, die als Verfolgte nach Nordamerika kamen, erschienen im Jahre 1735 Angehörige der großen Missionssekte der Mährischen Brüder oder Herrnhuter als freiwillige Sendboten. Die aus den hussitischen Bewegungen in Böhmen und Mähren hervorgegangenen Mährischen Brüder strebten gleich ihrem am 6. Juli 1415 zu Konstanz dem Flammentod verfallenen Stifter Johann Hus die Wiederherstellung der ursprünglichen Einfachheit und Reinheit der Apostolischen Kirche an.

      Während der ganzen Dauer des 17. Jahrhunderts aufs fürchterlichste verfolgt, fanden sie zusammen mit Angehörigen der Böhmischen Brüder und der Sekte der Schwenkfelder endlich im Jahre 1723 eine Zufluchtsstätte auf den Besitzungen des berühmten Pietisten Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf.

Grafik 53

      Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf

       Derselbe gründete im Jahre 1727 in Sachsen das Dorf Herrnhut, welches als Stammgemeinde der Herrnhuter weltbekannt wurde.

      Die Herrnhuter verbanden gewisse klösterliche Einrichtungen mit christlichem Familienleben. Daneben fassten sie den Entschluss, durch eifrige Missionstätigkeit unter heidnischen Völkern für die Ausbreitung des Reiches Gottes zu wirken.

      In dieser Absicht begaben sich bereits im Jahre 1732 zwei Brüder nach Westindien, um auf der Insel St. Thomas die dorthin verkauften Negersklaven zum Christentum zu bekehren. Im Frühling 1735 kamen zehn andere Herrnhuter unter der Führung des Professors A. G. Spangenberg nach Georgia, um ihr Leben der Bekehrung der dortigen Schwarzen und Indianer zu weihen. Sie ließen sich in der Nähe der von den Salzburgern gegründeten Ortschaft Ebenezer nieder, bauten am Ogeghenfluss eine Schule und begannen sofort mit ihrer Missionstätigkeit. In dieser wurden sie bereits im folgenden Jahre durch 25 andere Brüder unterstützt, die unter Leitung des Bischofs David Nitschmann aus Herrnhut kamen.

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