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sofort aus den Latschen gekippt sind. Nein, Sie verhalten sich sehr tapfer, das können Sie mir glauben.“

      Jetzt lächelte sie sogar ein wenig und Leo fiel ein Stein vom Herzen. Er war sich sicher, dass sie es schaffen würde, mit ihm zu kommen. Vor allem, nachdem sie eine weitere Dose Bier aus dem Rucksack fischte und auch diese fast in einem Zug leerte.

      „Ich habe meine Kollegen angerufen, die ich auf einem Parkplatz treffe, um sie herzuführen“, sagte Leo. „Ich möchte gerne, dass Sie mit mir gehen. Wir haben eine anstrengende Strecke vor uns. Meinen Sie, Sie schaffen das?“

      Mandy überlegte nicht lange.

      „Keine Sorge, das schaffe ich schon. Ich gehe auf jeden Fall mit Ihnen, ich bleibe nicht hier bei dem da,“ sagte sie bestimmt, drehte sich um und zeigte auf die Leiche.

      „Sehr schön Mandy. Möchten Sie sich noch ausruhen oder können wir los?“

      „Je eher, desto besser.“ Mandy war bereits aufgestanden.

      Die beiden gingen schweigend nebeneinander her. Leo dachte über die Leiche nach. Warum hatte der Mann inmitten der Schwäbischen Alb nur Badeshorts an? Er wusste genau, dass hier weit und breit keinerlei Gewässer waren. Weder ein See, noch ein Fluss oder dergleichen. Der Mann passte hier absolut nicht in die Gegend. Was sollte das? Seine Neugier war geweckt und er musste unbedingt herausfinden, was dahintersteckte. Vor allem wollte er sich die Leiche genauer ansehen, was aber mit Mandy an seiner Seite nicht ging. Er musste warten, bis er mit seinen Kollegen zurück war.

      Leo bemühte sich, eine belanglose Unterhaltung mit Mandy zu führen. Sie sprachen übers Wetter, die Natur, über Kinofilme. Und Leo war sehr zufrieden, wie sich Mandy verhielt. Sie kamen zügig voran und nach einer guten halben Stunde hatten die beiden den Parkplatz erreicht, wo die Kollegen bereits warteten.

      Die Kollegin Anna Ravelli sah sie zuerst und kam auf sie zu. Sie drückte beiden ein kaltes Getränk in die Hand, was Mandy und Leo gerne annahmen. Leo arbeitete seit fast zwei Jahren mit Anna zusammen und schätzte sie sehr. Mit ihren 28 Jahren machte sie ihren Job sehr gut und war bei den Kollegen sehr beliebt. Außerdem sah sie dazu auch noch blendend aus. Sie war 1,75 m groß und trug wegen der Hitze ihre langen, schwarzen, lockigen Haare hochgesteckt, was ihren Nacken mit dem kleinen Tattoo freilegte.

      „Du ruhst dich aus, Leo. Wir beide gehen zum Krankenwagen,“ sagte Anna bestimmt und zog Mandy Singer mit sich. Sie sprach kurz mit ihr und dem Sanitäter und kam gleich darauf wieder zurück.

      „Was ist das für eine wilde Geschichte, die mir Frau Singer eben erzählt hat? Der Tote trägt nur Badehosen? Hier auf der Schwäbischen Alb?“

      „Ich habe auch gedacht, dass ich spinne. Ich bin gespannt, was das soll.“ Leo trank noch eine Flasche Wasser und wechselte das Hemd mit einem T-Shirt, das ihm ein Kollege reichte. Er war völlig durchgeschwitzt und inzwischen roch er bestimmt auch nicht mehr sehr gut. Aber für Eitelkeiten war jetzt keine Zeit.

      „Ich war mir nicht sicher, ob das hier noch unser Zuständigkeitsbereich ist und habe mit unserem neuen Chef gesprochen,“ sagte Anna. Wie würde Leo reagieren? Sie hätte ihn vorher fragen müssen und hatte eigenmächtig gehandelt.

      „Jetzt bin ich aber gespannt. Was hat er gesagt?“ Leo war nicht sauer und Anna entspannte sich.

      Leo war sich bezüglich der Zuständigkeit auch nicht ganz sicher und hatte die Leiche und die damit verbundenen Ermittlungen einfach zu seinem Fall erklärt. Egal, was Anna nun sagte, die Leiche hier würde er sich nur ungern vor der Nase wegschnappen lassen. Er wollte unbedingt herausfinden, was es mit diesem Toten auf sich hatte, denn dass etwas hier nicht ganz koscher war, konnte er förmlich riechen. Seit einer Mordserie vor zwei Jahren war nicht viel passiert und er wollte diesen Fall hier unbedingt. Er konnte den neuen Vorgesetzten Michael Zeitler noch nicht einschätzen. Er hatte erst einige Male mit ihm gesprochen, wobei es nur um banale Dinge ging. Wie würde Zeitler reagieren, wenn es Probleme gab?

      „Zeitler klärt die Sache noch ab, hat uns aber vorerst grünes Licht gegeben,“ antwortete Anna. Leo war beeindruckt und auch erleichtert, denn das Okay vom Chef vereinfachte die Sache enorm.

      Leo hatte die Polizisten um sich versammelt. Die Pathologin Christine Künstle, Leos beste Freundin, war nun ebenfalls vor Ort. Sie hatte sich verspätet und war als Letzte eingetroffen, was sie sehr ärgerte. Sie fluchte und schimpfte, seit sie aus ihrem Wagen ausgestiegen war. Die Kollegen hielten sich zurück, denn wenn Christine sauer war, war sie unberechenbar. Alle hatten Angst vor ihr, außer Leo, der ihre weiche Seite kannte.

      Leo erklärte auf seiner Wanderkarte den Weg zur Leiche und wählte nur die fittesten und kräftigsten Kollegen aus. Dann sah Leo die stämmige, nur 1,60 Meter große, 61-jährige Christine Künstle an, zog sie zur Seite und schüttelte den Kopf.

      „Du bleibst hier, Christine, das wird zu anstrengend für dich. Selbst für einen trainierten Menschen ist die Strecke sehr schwierig. Außerdem ist es heute wahnsinnig heiß. Bitte bleib hier. Einer deiner Kollegen kann uns begleiten und den Job übernehmen.“

      Christine wurde rot vor Wut.

      „Was erlaubst du dir eigentlich? Meinst du, nur weil ich ein paar Jahre älter und ein paar Kilo schwerer bin, schaffe ich das nicht? Ich bin nicht zu alt für einen lächerlichen Spaziergang. Lass uns endlich gehen.“

      Leo hatte seinen guten Ratschlag schon bereut. Eigentlich hätte er wissen müssen, dass Christine sehr empfindlich reagieren würde. Sie setzte sich mit ihrem Koffer in Bewegung und war sichtlich beleidigt. Er rannte ihr hinterher.

      „Also gut, wie du willst. Du bist ein selten stures Weib! Dann gib mir wenigstens deinen Koffer.“

      Christine hielt kurz inne. Sie war zwar stolz, aber nicht dumm. Sie wusste, dass er es nur gut mit ihr meinte und dass sie einen anstrengenden Weg vor sich hatten. Sie hatte mitbekommen, dass es mit dieser Leiche etwas Besonderes auf sich hatte. Die Leiche wollte sie sich unter keinen Umständen entgehen lassen. Sie übergab Leo den Koffer und trabte mit hocherhobenem Kopf davon.

      Die Gruppe setzte sich in Bewegung. Sie bestand aus Leo, Anna, Christine und vier weiteren Polizisten sowie Stefan Feldmann, Leiter der Spurensicherung und drei seiner Mitarbeiter. Nach 45 Minuten hatten sie endlich den Fundort der Leiche erreicht. Allen war die Anstrengung anzusehen, besonders Christine, die aber nicht ein einziges Mal jammerte. Sie biss die Zähne zusammen und sah zu, dass sie mit den anderen Schritt halten konnte. Christine und ihr Dickschädel! Sie hatten für die Strecke nur 15 Minuten länger gebraucht. Leo war sehr zufrieden, denn ihnen saß die Zeit im Nacken. Sie hatten nur noch wenige Stunden, bis es dunkel wurde.

      Alle starrten auf die Leiche und sahen sich irritiert an.

      „Ja Leute, meine Reaktion war ähnlich, als ich die Leiche sah. Der Junge hat lediglich Shorts an, und zwar Badeshorts. Schuhe habe ich nicht gesehen, auch einen Rucksack, eine Tasche oder etwas Ähnliches nicht. Suchen wir das Areal ab, vielleicht finden wir etwas.“

      Nachdem sie sich einige Minuten ausgeruht hatten, konnte die Suche losgehen. Christine untersuchte mit hochrotem Kopf die Leiche. Leo setzte sich nach zwanzig Minuten neben sie auf seinen Rucksack und sah sie fragend an.

      „Männliche Leiche, ca. 22 Jahre alt,“ sagte sie schließlich. Und nach einer kurzen Pause schüttelte sie den Kopf. „Das gefällt mir nicht, Leo. Der Junge ist bestimmt schon länger tot. Wie lange, kann ich dir nicht sagen. Er hat keine äußeren Verletzungen und er liegt bestimmt noch nicht lange hier. Nein, das gefällt mir überhaupt nicht.“

      Leo verstand seine Freundin, denn auf der Leiche war kein Blatt, kein Gras, einfach nichts zu finden.

      „Ich verstehe nicht, wie er hierhergekommen ist,“ fuhr Christine fort. „Sieh dir seine Fußsohlen an, er ist hier keinen Schritt gegangen. Zwischen seinen Zehen ist Sand. Wo kommt der her?“

      Leo stand auf und sah sich die Fußsohlen des Toten an. Christine hatte Recht. Die Füße waren gepflegt und hatten nicht einen Kratzer. Und zwischen den Zehen konnte er mit bloßem Auge den Sand erkennen. Er winkte seine Kollegin Anna zu sich, die sich an der Spurensuche beteiligt

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