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bist. Und dann hatte ich vermutlich einfach nur Glück, dass ich deinen Verfolgern zuvorgekommen bin.“

      Das ließ Karina ängstlich zusammenfahren. „Du meinst, sie sind nicht weit weg?“

      „So ist es. Inzwischen haben sie noch Wölfe im Team, und Wolfsnasen sind echt eine Plage. Die schüttelt man nicht so leicht ab.“

      „Wölfe!“

      Karina schluckte. Sie ahnte, was für Wesen er meinte. Ob das die beiden Männer von der Tankstelle waren? Doch eigentlich hatten diese ganz harmlos gewirkt.

      Nervös sah sie zur Tür.

      Der Mann lächelte spöttisch.

      „Glaub mir, wenn sie hier wären, hättest du es schon mitbekommen. Die sind nicht zu übersehen.“

      „Wirst du ... wirst du mich verraten?“

      „Süße, das ist nicht dein Ernst. Ich habe doch gerade schon gesagt, dass ich Hunters Vorgehensweise nicht gutheiße. Das Letzte was ich will, ist, dass er dich in seine Klauen bekommt. Hunter ist ein ausgesprochen gnadenloser Mann. Ehrlich gesagt halte ich ihn für den schlimmsten Despoten aller Zeiten. Wer nicht nach seiner Pfeife tanzt, wird eliminiert, so einfach ist das. Und Wölfe sind auch nicht viel besser. Diese blutrünstigen Biester sind die geborenen Jäger. Und du kannst dir vielleicht vorstellen, was die mit ihrer Beute anstellen, wenn sie sie einmal gepackt haben.“

      Das konnte und wollte Karina erst gar nicht. Der Mann hatte sehr leise gesprochen und brach ab, als die Bedienung wieder an den Tisch trat, um die leeren Teller abzuräumen. Erst als die Frau wieder verschwunden war, beugte er sich vor.

      „Komm mit mir! Ich verspreche dir, die Kerle kriegen dich nicht. Vertrau mir!“

      Noch zögerte Karina. Dieser Mann behauptete zwar, dass er ihr helfen wollte, aber sie kannte ihn nicht. Allerdings wirkte er ehrlich und schien bereit zu sein, ihr Informationen über diese bedrohlichen Kreaturen zu geben.

      Letzteres gab den Ausschlag. Es war immer gut, mehr über seine Gegner zu wissen, und hier bot sich vermutlich ihre einzige Chance.

      „Also gut“, nickte sie und wagte ein zaghaftes Lächeln. „Ich gehe mit dir. Verrätst du mir auch deinen Namen?“

      Er grinste jetzt breit und zufrieden.

      „Javier. Javier Baird. Eine gute Entscheidung. Du wirst es nicht bereuen.“

      Das hoffte sie selbst.

      Javier Baird führte sie zu seinem Wagen. Karina war beeindruckt. Offenbar hatte ihr neuer Bekannter einen kostspieligen Autogeschmack. Er fuhr einen fetten Porsche, so viel erkannte sie. Mit Autos kannte sie sich nicht aus, aber dass dieses Modell teuer war, konnte selbst sie erkennen.

      Er hielt ihr die Beifahrertür auf und schob sich dann elegant hinters Steuer.

      „Wo fahren wir hin?“, fragte Karina.

      „Erst mal weiter nach Westen. Ich kenne da ein abgelegenes Hotel, wo wir Unterschlupf finden und reden können.“

      Das war Karina nur recht. Unterschlupf hörte sich gut an und reden noch besser. Sie brannte darauf, mehr über Wandler und Wölfe zu erfahren. Und über Javier Baird, der so erschreckend normal wirkte. Auch wenn er es wohl nicht war.

      Das Hotel war gewöhnungsbedürftig und nicht sehr komfortabel, aber Karina beschwerte sich nicht. Immerhin verlangte er kein Doppelzimmer. Dafür waren die nebeneinanderliegenden Einzelzimmer über eine Tür miteinander verbunden.

      Karina überlegte, warum sie das beruhigend fand. In den letzten Jahren hatte sie immer auf sich selbst aufpassen müssen. Die Möglichkeit, dass ihr jemand zu Hilfe eilen konnte, war - erleichternd. Angenehm. Wohltuend.

      Sie hockten sich in seinem Zimmer an einem kleinen Tisch nieder und genossen ein reichhaltiges Abendessen, das Javier Baird kurzerhand nach oben bestellt hatte.

      Es war seltsam, mit anzusehen, dass er anscheinend den gleichen Appetit in sich trug wie sie.

      „Bist du ... bist du wirklich wie ich?“, fragte sie schließlich leise.

      Javier stockte beim Essen und sah hoch. Dann nickte er und hob die Hand. Vor ihren Augen formte sie sich zu einer bedrohlichen Klauenhand. Ihr bekannte rote Muster tanzten auf seiner Haut und als sie aufsah, blickte sie in flammendgelbe Augen.

      Sie schluckte unwillkürlich. Mehr Beweise waren wohl nicht nötig.

      „Aber – was sind Wandler? Warum gibt es sie? Wie sind sie entstanden? Warum – warum bin ich auch so?“

      Javier zuckte mit den Schultern.

      „Wie wir entstanden sind? Evolution? Genetik? Mutation? Keine Ahnung. Es gibt Wandler jedenfalls schon sehr lange. Und wie du zu deinen Fähigkeiten gekommen bist, welche auch immer das sein mögen ... Nun, das weißt du vermutlich besser als ich. Über die ganze Sache ist striktes Redeverbot verhängt worden. Nur wenige wissen darüber Bescheid. Alles was ich weiß ist, dass man an dir herumexperimentiert hat. Und es geht das Gerücht um, dass du nicht nur Wandlerfähigkeiten in dir trägst, sondern auch Wolfs- und Hexengaben.“

      Karina sah ihn entgeistert an.

      „Sagtest du gerade Hexengaben? Hexen gibt es auch?“

      Er lachte mitleidig.

      „Du weißt wirklich nichts. Aber gut, das können wir ja ändern. Hexen gibt es jede Menge, und ehrlich gesagt kann ich dir nur raten, einen großen Bogen um sie zu machen. Diese Weiber sind hochgradig verrückt. Wenn sie der Meinung sind, dass du Hexenfähigkeiten besitzt, werden sie alles daran setzen, dich einzufangen und dazu zu bringen, ihrem Kreis beizutreten. Fügst du dich nicht, bist du tot.“

      „Das ...“ Karina schüttelte unwillkürlich den Kopf. „Aber das ist doch nicht in Ordnung. Man kann doch niemanden dazu zwingen.“

      Er lachte trocken auf.

      „Man nicht, Hexen schon. In einem Punkt haben sie natürlich recht. Hexen, die unerkannt und unausgebildet durch die Gegend laufen, können durchaus gefährlich sein. Und vor allem könnten sie mit ihrer Magie dazu beitragen, dass Menschen auf sie aufmerksam werden. Und das will niemand von unseren Völkern. Weder Hexen noch Wölfe, Vampire oder Wandler. Wir sind alle daran interessiert, dass Menschen nichts von uns erfahren.“

      Das leuchtete Karina sogar ein. Menschen konnten grausam sein, das wusste sie aus eigener Erfahrung. Und sie neigten nun mal dazu, allem Fremden und Andersartigen mit Misstrauen zu begegnen. Evolutionsmäßig war das vielleicht sinnvoll, aber in einer globalen und multikulturellen Welt wirkte diese Denkungsweise eher archaisch. Trotzdem. Karina konnte sich noch sehr genau an die ablehnenden und furchtsamen Gesichter ihrer Mitgefangenen erinnern. Keiner hatte in ihr das gesehen, was sie eigentlich war: ein Opfer krimineller und unmoralischer Experimente.

      Und das, obwohl gerade diese Menschen das gleiche Schicksal durchlitten hatten wie sie.

      Nachdenklich blickte sie auf ihre Hand und ließ sie zur Klaue werden. Langsam hob sie diese und gewährte Javier einen Blick darauf.

      Karinas Klauen waren deutlich größer und länger als seine.

      „Wouh“, murmelte er beeindruckt und in seinen Augen entstand ein faszinierter Glanz.

      „Ich kann verstehen, dass Menschen vor mir Angst haben“, sagte sie leise. „Ich bin ein Monster. Sogar andere Monster hatten Angst vor mir. Vielleicht wäre es tatsächlich besser, wenn es mich nicht mehr gäbe. Darüber habe ich schon oft nachgedacht.“

      „Und warum sitzt du dann hier?“, fragte Javier ebenso leise.

      „Vielleicht weil ich feige bin. Zu feige, mich selbst umzubringen. Aber ehrlich gesagt will ich noch nicht sterben. Ich will einfach nur ein normales Leben führen. Ohne Gewalt und Schmerz.“

      Javier legte seine Hand auf ihre Klaue.

      „Das verstehe ich, aber sehr viel Hoffnung kann ich dir da nicht machen. Du bist kein Monster.

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