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      Zur Waldeseinsamkeit.

      Halbflügg' entflog dem Elternpaar

      Ich aus dem Nest heraus

      Und schlief verzaubert hundert Jahr'

      In diesem weißen Haus.

      Adieu! Leb wohl, mein Bengelein!

      Ich laß den Vater grüßen. –

      Des Eigensinnes Diener sein,

      Muß jeder bitter büßen.

      Mit großen Augen und offenem Munde, die Eierschalen in der Hand, hörte der Hampelmann des Vögleins Lied. Der kleine Sänger flog fort durchs offene Fenster; der Hampelmann aber weinte zum Erbarmen und sprach: »Lispel-Heimchen und das Vögelein haben ganz recht. – Ich muß vor Hunger sterben. – Wäre ich doch nicht davongelaufen. – Ja, ich muß es büßen, ich sterbe vor Hunger.«

      Immer schlimmer knurrte der Magen. Es war schon spät abends. Bengele wagte das Äußerste, ging zum Hause hinaus und lief aufs Geratewohl fort.

      »Ich werde doch irgend einen guten Menschen finden, der mir ein wenig zu essen gibt«, das war sein einziger Gedanke.

      Sechstes Stück.

       Bengele geht betteln. – Die abgebrannten Füße.

      Schauerlich kam die Nacht. Krachend rollte der Donner und es blitzte in einem fort, daß der Himmel aussah wie ein Feuermeer. Dazu pfiff ein schneidigkalter Wind, jagte Staubwolken vor sich her und schüttelte die Bäume, daß sie laut ächzten.

      Bengele hatte schrecklich Angst bei Gewittern. Aber heute war sein Hunger größer als die Angst. Er schlug einen Feldweg ein und kam nach kurzer Zeit in ein Dörfchen. Alles war still und dunkel, die Haustüren und die Fenster samt und sonders geschlossen, kein Hund auf der Straße, die reinste Friedhofsruhe.

      In seinem verzweifelten Hunger zog Bengele eine Hausglocke und läutete kräftig und lange.

      »Irgend ein Mensch muß doch zum Vorschein kommen«, dachte er.

      Richtig! – Ein alter Mann öffnete das Fenster. Er hatte die Nachtmütze auf dem Kopfe und brummte sehr ärgerlich:

      »Wer kommt noch um diese Zeit?«

      »Gebt mir doch um Gottes willen ein Stückchen Brot, ich muß sonst verhungern«, gab Bengele zur Antwort.

      »Warte ein wenig, ich bringe es gleich.«

      Der Mann aber dachte: »Das ist mal wieder einer von den nichtsnutzigen Schlingeln, die nachts die Hausglocken ziehen, weil sie ordentliche Leute im Schlafe stören wollen.«

      Nach wenigen Augenblicken kam der Alte wieder ans Fenster und rief:

      »Komm, halte deinen Hut hierher!«

      Bengele hatte noch keinen Hut. Er trat also unter das Fenster und hielt beide Hände in die Höhe, um das herabfallende Stück Brot wie einen Ball aufzufangen. – Da ergoß sich über ihn der volle Inhalt eines Waschbeckens. Er wurde naß von oben bis unten und triefte wie ein Blumenstock, den man mit der Kanne abgespritzt hat.

      Traurig wie ein verregneter Pudel trottelte der unglückliche Hampelmann nach Hause. Erschöpft von Hunger und Müdigkeit kam er heim; die Glieder schlotterten ihm vor Kälte.

      Noch waren ein paar glimmende Kohlen in dem Becken, über dem Vater Seppel den Leim kochte. Bengele blies sie ein wenig an und wärmte sich die Hände. Dann holte er den wackeligen Stuhl und setzte sich vor die Glut. Seine feuchtkalten Füße legte er auf den Rand des Beckens, und so schlief er ein.

      Nach und nach fingen die Holzfüße Feuer über der Kohlenglut und verbrannten zu Asche. – Bengele schnarchte und merkte nichts. Erst bei Tagesanbruch wachte er auf; denn es hatte laut an der Türe geklopft.

      »Wer ist draußen?« fragte Bengele noch ganz verschlafen, gähnte und rieb sich die Augen aus.

      »Ich!« kam die Antwort. Es war der Vater Seppel.

      Bengele sprang schnell auf, um den Riegel an der Türe zurückzuschieben; aber schon nach zwei, drei Stelzschritten fiel er auf den Boden.

      Das gab einen Lärm, als wäre ein Sack voll Kochlöffel vom fünften Stock aufs Pflaster gefallen.

      »Mach mal auf«, rief Seppel immerfort auf der Straße.

      »Vater, lieber Vater, ich kann ja nicht«, heulte Bengele und rutschte auf dem Boden herum.

      »Warum kannst du nicht?«

      »Meine Füße sind abgefressen!«

      »Wer hat sie abgefressen?«

      »Die Katze«, sagte Bengele. – Denn er sah gerade die Katze vor sich, die mit ein paar Hobelspänen spielte.

      »Ich sag dir's zum letztenmal, mach auf, sonst geb' ich dir nachher die Katze!«

      »O jeh! Ich kann nicht mehr stehen, glaub mir's doch! – Jetzt muß ich mein Leben lang auf den Knieen rutschen.«

      Seppel dachte, hinter all dem Gerede stecke nur eine neue Spitzbuberei des Hampelmanns, und wollte ihr gleich ein Ende machen. Er hielt sich am Fenstergesimse fest, zog sich an der Mauer empor und stieg wie ein Feuerwehrmann ins Zimmer hinein.

      Siebtes Stück.

       Bengeles Morgenbrot.

      Die ganze Nacht hatte man den Vater Seppel im Gefängnis festgehalten. Am frühen Morgen wurde er vor den Richter geführt. Alsbald erkannte dieser, daß der alte Mann unschuldig sei, und ließ ihn frei. Frohen Mutes kam der Schnefler nach Hause. Er hatte dem kleinen Taugenichts alles verziehen; aber jetzt erlebte er eine neue Schlingelei, und dafür wollte er den Hampelmann kräftig bestrafen.

      So dachte der Schnefler, als er zum Fenster hinein in seine Wohnung stieg; aber was mußte er hier erblicken! – Mit abgebrannten Füßen kauerte der arme Hampelmann auf dem Boden und weinte und schluchzte. Dieser Jammer ging dem Vater zu Herzen. Er hob den kleinen Holzmann auf, herzte und küßte ihn.

      »Bengele, mein lieber Bengele«, sagte er dabei voll Mitleid, »wie hast du dir nur die Füße so verbrennen können! Du armer, kleiner Hampelmann!«

      Da erzählte ihm das hölzerne Söhnchen seine Erlebnisse:

      »Ich weiß es selber nicht, lieber Vater; aber glaub mir nur, es war eine schauerliche Nacht, und ich werde sie meiner Lebtag nicht vergessen. – Gedonnert hat es und geblitzt, und ich habe so arg Angst gehabt. Dann sagte Lispel-Heimchen: ›Es geschieht dir recht, du bist ein böser Bube und verdienst es!‹ Ich hab' ihm gesagt: ›Paß auf!‹... Und es sagte: ›Du bist ein Hampelmann und hast einen Holzkopf!‹ Und ich hab' ihm den Hammer nachgeworfen; und es starb. Aber es war selber schuld; ich habe es nicht umbringen wollen. Ich hab' auch ein Pfännchen auf das Kohlenbecken gestellt; aber das Hinkelchen ist davongeflogen und hat gesagt: ›Adieu! Ich laß den Vater grüßen; man muß es bitter büßen.‹ – Ich habe immer noch mehr Hunger bekommen, und dann hat der Alte mit der Nachtmütze zum Fenster herausgeguckt und gesagt: ›Komm, halte deinen Hut hierher!‹ Und ich bekam eine ganze Schüssel voll Wasser auf den Kopf. Es ist doch keine Schande gewesen, daß ich ein Stücklein Brot gebettelt habe, gelt nicht? – Ich ging gleich heim und hatte immer noch so arg Hunger. Und ich habe so nasse, kalte Füße gehabt. An den Kohlen wollte ich sie wärmen. Dann bist du heimgekommen, und meine Füße waren abgebrannt. Jetzt habe ich immer noch Hunger und keine Füße mehr, ojeh ... eh ... eh ...!«

      Dem guten Vater Seppel rannen die Tränen über die Wangen, als er die traurige Geschichte seines Zauberhampels hörte.

      Er hatte allerdings von der ganzen Erzählung nur so viel verstanden, daß der Kleine fast Hungers sterbe. Deshalb zog er drei Birnen aus der Tasche, gab sie ihm und sprach:

      »Iß und werde wieder froh! –

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