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liegen oder nicht, gleiches erlebte ich danach auch als technischer Angestellter in einem mittelständischen Traditionsunternehmen der gehobenen Messtechnik-Branche:

      Kampfplatz Vertrieb

      Das Telefon klingelt, der Kollege (wahrscheinlich ein studierter Ingenieur) hebt ab. Als leises Murmeln vernehme ich, wie am anderen Ende der Leitung ein Hilfe suchender Kunde sein ihm auf den Nägeln brennendes Messproblem schildert.

      Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Mein Kollege präsentiert die gesuchte technische Lösung und legt auf. Wahrscheinlicher: Es folgt ein längeres Streitgespräch. Weil nämlich der (ebenfalls männliche) Kunde am anderen Ende der Leitung in den meisten Fällen mit dem von meinem Kollegen präsentierten Lösungsvorschlag überhaupt nicht einverstanden ist.

      Buchstäblich Jahrzehnte hat es gedauert, bis in unser Großraum-Vertriebs- und Beratungsbüro die erste Frau (eine Ingenieurin) einzog. Mit einem Mal war alles anders:

      Das Telefon klingelt, meine Kollegin hebt ab:

      „Ach Herr Meier! Wie schön, dass Sie endlich wieder einmal bei uns anrufen — wir haben uns ja ewig nicht gesprochen! Wie geht es Ihrer Familie...“

      Wie von Zauberhand ist das Kundenproblem in weite Ferne gerückt. Die unterschwellige Botschaft: Nicht das Problem ist wichtig, Herr Meier ist wichtig! Und so fühlt er sich auch. Ganz anders als bei meinem Kollegen:

      Vielleicht hat Herr Meier vor dem Anruf in unserem Büro schon tage- und/oder nächtelang über seinem Problem gebrütet. Hat Bücher gewälzt, stundenlang gegoogelt, mit Kollegen diskutiert. Kurz und gut, seine halbe Firma hat er deswegen verrückt gemacht. Und nun kommt mein Kollege, holt einmal tief Luft und knallt Herrn Meier die perfekte Lösung vor den Latz. Einfach so, ohne jede Vorwarnung. Was glauben Sie, wie Herr Meier sich da fühlt?

      Vorurteil Nummer 2:

      —> Wenn Männer sich doch für eine Sache interessieren, dann wollen sie streiten. Zuallererst wollen sie beweisen, dass sie der Klügere sind.

      Woher das kommt? Wirklich nur vom Kampfsport? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, wie das Beratungsgespräch meiner Kollegin endet:

      „Wirklich? Sie haben ein Problem, Herr Meier? Einen Moment bitte, ich notiere... Ist gut, ich kümmer mich darum... Sie hören von uns! Alles Gute für die Familie — und bis bald, Herr Meier...“

      Nicht auszuschließen, dass die in technischen Dingen genauso erfahrene Kollegin wie die übrigen Männer im Raum in Wahrheit ganz genau weiß, wie Herrn Meier zu helfen wäre. Aber es könnte ja nicht schaden, wenn sie sich dazu in unserem Unternehmen noch einmal ein wenig umhört. Zum Beispiel bei dem Kollegen, der dem Anschein nach immer sofort die richtige Lösung kennt. Oder etwa nicht?

      Die perfekte Führungskraft

      Die perfekte Führungskraft ist:

       angstfrei

       entscheidungsstark

       dynamisch

       konsequent

       ehrlich

       fair

       interessiert

       ideenreich

       gewissenhaft

       sachlich

       fleißig

       kompetent

       lösungsorientiert

       einfühlsam

       unbestechlich

       erfahren

      und jederzeit in der Lage, einen logischen von einem unlogischen Schluss zu unterscheiden. Ganz besonders bei Aussagen, die allein auf Hörensagen beruhen.

      Da sich diese Liste ebenso hervorragender wie notwendiger Eigenschaften einer perfekten Führungskraft nahezu beliebig fortsetzen ließe, nimmt es nicht Wunder, dass in so gut wie jedem konkreten Fall Abstriche vom Idealbild gemacht werden müssen. Womit wir schon bei Vorurteil Nummer drei wären:

      —> Frauen verlassen sich beim Lösen von Problemen mehr auf ihr Gefühl, als auf die Logik. Bei letzterer sind Männer (bedeutend) besser.

      Frauen urteilen nach Gefühl, und nur Männer sind in der Lage, den Gesetzen der Logik unbeirrbar Folge zu leisten — stimmt das wirklich? Sind Frauen, wie mir meine subjektive Erfahrung im Technik-Vertrieb suggeriert hat, tatsächlich per se einfühlsamer als Männer, während diese stattdessen auf die logische Stringenz ihrer Aussagen bezogen die totalen Überflieger sind? Möglicherweise weil sie niemals ohne Not einem zünftigen Streitgespräch aus dem Wege gehen und daher diesbezüglich über mehr Erfahrung verfügen als die stets (Achtung: neues Vorurteil!) nach einem harmonischen Ausgleich strebenden Frauen?

      Sechs mehr oder weniger grundverschiedene Problemlöse-Strategien von drei Frauen und drei Männern werden im Folgenden miteinander verglichen und bewertet. Am Beispiel zweier fachlich und politisch einigermaßen brisanter Themenstellungen: Im ersten Fall geht es um Umweltschutz und Energie, im zweiten Fall um Telekommunikation und Personensicherheit. Womit wir sofort beim vierten Vorurteil angekommen wären:

      —> Frauen verstehen weniger von Technik als Männer.

      Doch keine Sorge, meine Damen und Herren, liebe Leserin und lieber Leser, es bleibt nicht lange bei diesen Vorurteilen: Ich bin sicher, das Ergebnis des nun folgenden praktischen Vergleichs wird Sie mehr als nur ein wenig überraschen!

      Die Geschäftsführerin

      Vor vielen, vielen Jahren bin ich ihr begegnet, als sie noch ganz frisch im Job und ich bereits stellvertretender Vorstandsvorsitzender eines regionalen Interessenverbandes messtechnischer Unternehmen namens Measurement Valley e. V. war. Damals wie heute leitete sie ein neu gegründetes Wirtschaftsförderungsunternehmen der Stadt.

      Sie zeigte uns, dem Vereinsvorstand, die von ihr angemieteten Räumlichkeiten, in denen sich verschiedene privatwirtschaftlich organisierte Spin-Offs unserer Universität tummelten. Allesamt mit der einen großen Geschäftsidee versehen und dem Wunschtraum vom daraus folgenden, noch bedeutend größeren Markterfolg. Als etwas zurückgenommen, eher ruhig als dynamisch ist sie mir von daher in Erinnerung geblieben. Dass wir nun, Jahre später, in einem Wettstreit der Argumente ziemlich heftig aneinandergeraten sollten, hätte ich mir zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht vorstellen können.

      Denn gerade heute spricht der Erfolg ihrer Arbeit für sie und ihre besonnene Art und Weise, die Geschäfte zu führen: An die Stelle eines überschaubar großen Wissenschaftszentrums, das ganz am Anfang noch sehr improvisiert in einem ehemaligen, nur zweigeschossigen Kasernengebäude untergebracht war, ist heute ein beachtlicher Wissenschaftspark, eine kleine Stadt in der Stadt getreten. Im Eigentum der Stadt, betrieben jedoch in alleiniger Verantwortung des von ihr geleiteten Unternehmens zur Förderung der regionalen Wirtschaft.

      Jedes Kind braucht einen Namen. Schenken wir der erfolgreichen Geschäftsführerin für unsere Zwecke also einfach mal den (fiktiven) Namen „Anders“, denn schließlich heißt sie ja auch anders als hier angegeben, und bezeichnen sie im Folgenden als die „Unbeirrbare“. Warum, das werden wir später noch erfahren...

      Das erste Problem

      Am Fuße des kleinen Hügels, auf dem meine Frau und ich ein aus der unmittelbaren Nachkriegszeit stammendes Einfamilienhaus bewohnen, gibt es einen schmalen, streckenweise noch ziemlich naturbelassenen Bachlauf, hinter dem eine gute Strecke fast unberührter Wildwuchs liegt. Längs dieses Baches gehen wir bei schönem Wetter gern spazieren. Dort, wo wir die mehrstöckigen Institutsbauten der Frau Anders erreichen, biegen wir meist rechts ab

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