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der Geselligkeit geworden. Sie geben zudem Wanderliteratur und -karten heraus, engagieren sich in der regionalen Kultur und pflegen das Brauchtum. Sie bieten aber nicht nur ein umfangreiches Programm für alle, die gerne und leidenschaftlich draußen unterwegs sind, sondern haben längst auch den Umwelt- und Naturschutz auf ihrer Agenda stehen.

      Unterbrochen wurde die Wanderlust der Deutschen durch die Weltkriege. Bereits während des Ersten Weltkrieges 1914–1918 kamen beinahe alle Reisetätigkeiten zum Erliegen. Die Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) hatte sogar erhebliche Auswirkungen auf die Wandervereine. Sie wurden im Zuge der Gleichschaltung dem Reichssportbund angeschlossen, und ihre Mitglieder wurden nach ideologischen Kriterien ausgesiebt. So wurde vor allem Marxisten und ›Nicht-Ariern‹ die Mitgliedschaft entzogen. Das Wandern und der Aufenthalt in der Natur wurden mit der Ideologie der Heimatliebe gleichgesetzt. Nationalsozialistische Institutionen indoktrinierten unter dem Deckmantel von Jugendorganisationen wie dem Bund deutscher Mädel bzw. der Hitlerjugend junge Menschen mit dem Gedankengut des Nationalsozialismus. Nach 1933 wurde der Verein Wandervogel von den Nazis aufgelöst und zwangsweise in die Hitlerjugend eingegliedert.

      Heute wird Wandern gerne als ›Trekking‹ oder ›Hiking‹ bezeichnet, um den sportlichen Aspekt zu betonen. Diese Begriffe klingen moderner und entsprechen dem Zeitgeist. Im Grunde ist natürlich dasselbe wie eh und je gemeint: eine aktive Form der Freizeitgestaltung an der frischen Luft. Im Prinzip ist Wandern eigentlich alles, bei dem die eigenen Füße zur Fortbewegung dienen. Mittlerweile werden aber viele Varianten unterschieden wie etwa Fernwandern, Trekkingtouren mit anspruchsvollen Routen, Bergwandern, Nordic Walking mit Skistöcken und Geocaching. Letzteres ist eine eher junge Freizeitbeschäftigung, bei der zu Fuß eine Schnitzeljagd oder Schatzsuche unternommen wird. Mittels GPS-Empfänger und Koordinaten suchen die Geocacher nach verborgenen Kästchen. Die Routen bestehen oft aus mehreren Aufgaben, aus denen sich wiederum neue Koordinaten ergeben. Sie finden sich im Internet bei entsprechenden Anbietern.

      Natürlich gibt es weitere, hippe Ausprägungen des Wanderns wie Gehmeditationen, das Barfußwandern, Speed Hiking und das Nacktwandern – das seit einigen Jahren ebenfalls ein Trend geworden ist. Aber Obacht, das ist nicht überall erlaubt. Die Nudisten schätzen am Wandern ohne Kleidung, dass sie dabei viele Naturphänomene wie Wind, Sonnenstrahlen oder Regen intensiver erleben können. Manche kombinieren auch Nackt- und Barfußwandern.

      Deutlich sportlichere Varianten sind das Bergwandern und das Speedwandern bzw. Speed Hiking, sehr schnelles Wandern mit Stöcken, das meistens in etwas anspruchsvollerem Gelände stattfindet. Viele sehen es als Sommeralternative zu Langlauf oder Skitouren, aber es eignet sich auch als konditionelles Aufbautraining sehr gut. Die Stöcke sind ein Hilfsmittel, um den Körper zu stabilisieren und die Oberkörpermuskulatur zu trainieren. Inzwischen gilt Speed Hiking als eigenständige Sportart, in der es auch Wettkämpfe gibt.

      Die verschiedenen Arten des Gehens: Nomadentum – Pilgern – Spazierengehen – Flanieren

      Nomadentum

      Beim Nomadismus handelt es sich um die älteste Wirtschaftsform weltweit. Nomaden sind umherziehende Völker, die vor allem von der Viehzucht leben. Die Anzahl der Tiere, die eine Sippe oder Familie besitzt, spiegelt den Wohlstand, weshalb das Vieh traditionell nicht zum eigenen Verzehr gedacht war, sondern lediglich als Milch- und später Felllieferant diente.

      Nomaden sind Menschen, die nicht an einem festen Ort leben, sondern zu Fuß durch die Gegend ziehen – primärer Antrieb war einst das Jagen und Sammeln, heute ist es meist die Weidewirtschaft. Oft ziehen die Nomadenvölker entsprechend den Jahreszeiten von einem Ort zum nächsten, meistens geschlossen als Familie oder Sippengemeinschaft. In der Regel nehmen sie ihr ganzes Hab und Gut sowie den eigenen Viehbestand mit. Selten haben sie irgendwo dauerhafte oder feste Siedlungen. Nomaden passen sich in ihren Wanderbewegungen an die ökologisch nutzbaren Gebiete an – sie ziehen immer dorthin, wo das Gras gerade frischer und üppiger ist.

      Das Nomadentum ist gewissermaßen die Urform menschlichen Lebens. Nomaden gibt es seit der Entstehung der Menschheit – vornehmlich bis zur neolithischen Revolution war es die vorherrschende Lebensweise. Die Sesshaftigkeit begann sich erst nach der Einführung des Ackerbaus zu verbreiten. Traditionell waren Nomaden Jäger und Sammler. Allerdings leben heute nicht mehr alle Völker vollnomadisch, manche ziehen nur teilweise umher und haben zusätzlich feste Standorte, die ihre Heimat sind.

      Nomaden leben in der Regel in Wüsten, Steppen, Tundren sowie in der Prärie – also an Orten, an denen dauerhafte, ganzjährige Landwirtschaft keine Perspektive hätte. Deshalb ist für nomadische Gruppen Mobilität ein entscheidendes Element ihres Lebens – und in der Regel sind sie zu Fuß unterwegs. Durch Weidewanderungen erschließen sie sich fruchtbare Gebiete oder andere natürliche Ressourcen, die sie zum Überleben benötigen. Häufig beschränken sie sich aber in ihren Wanderungen auf ein bestimmtes Gebiet – in der Regel sind sie nicht in einem ganzen Land oder weltweit unterwegs.

      Kennzeichen einer nomadischen Lebensweise ist eine flexible Anpassung an ökologische und soziale Rahmenbedingungen. Der Alltag der Nomaden ist geprägt von der Nutzung und der Suche nach Weideland. Man könnte sie als ökologische Vorbilder betrachten, da sie sich stets an die Natur und ihre Gegebenheiten anpassen – sie erhalten gewissermaßen durch ihre Lebensweise die natürliche Biodiversität und stemmen sich gegen den Aufbau von Monokulturen. Ihre Lebensräume werden aber durch die seit Jahrzehnten zunehmende Urbanisierung sowie die industrialisierte Landwirtschaft von Global Playern immer mehr eingeschränkt. Abgesehen von Nomaden und Bauern haben große Wirtschaftsunternehmen ebenso wie Banken und Investoren ein Auge auf das globale Weideland geworfen und längst weite Gebiete in Privateigentum überführt.

      Durch die globale Wirtschaft werden Nomaden also zurückgedrängt auf kleine, engere Gebiete – was ihrem Lebenswandel eigentlich nicht entspricht. Auch ihre wirtschaftliche Grundlage wird ihnen allmählich entzogen, da ihre Produkte angesichts immer weitreichenderer Regulierungen und Zugangsbarrieren auf den internationalen Märkten kaum mehr zu vertreiben sind. Darunter leidet ihre ökologische Lebensweise, die oft schlicht unterschätzt und kurzfristigen ökonomischen Interessen geopfert wird. Damit geht auch ihr Wissensschatz über eine Lebensweise im Einklang mit der Natur verloren.

      Trotz allem gibt es heute in vielen Gebieten der Welt weiterhin Völker, die keine festen Standorte haben, sondern wandernd von Ort zu Ort ziehen – vornehmlich in Entwicklungsländern und in eher dünn besiedelten Gegenden. Heute leben nomadische Völker vor allem noch in Steppengebieten, den Wüsten und Savannen Nordafrikas sowie in Teilen Asiens.

      Nomaden aus der Ethnie der Nenzen in der russischen Tundra, aufgenommen im August 2000.

      Aber auch die Inuit in Kanada und Grönland sind teils noch Nomaden, ebenso wie die Aborigines in Australien. In Europa kennen wir vor allem die Gruppe der Sinti und Roma – allerdings gehört diese ethnische Gruppe zu den unfreiwilligen Nomaden. Die Vorfahren der heute in Europa lebenden Roma und Sinti kamen ursprünglich aus der Gegend des heutigen Pakistans. Quellen zu ihrer Geschichte sind rar, aber vermutlich wanderten sie seit dem 8. bis 10. Jahrhundert über Persien, Kleinasien und den Kaukasus in Richtung Europa, etwa im 13. und 14. Jahrhundert dann über Griechenland und den Balkan auch in Richtung Mittel- und Westeuropa.

      Vieles, was über ihre Geschichte bekannt ist, wurde eher von Nicht-Sinti und -Roma zusammengetragen. Lange Zeit wurde ihnen ein Wandertrieb unterstellt, in Wahrheit sahen sie sich aufgrund von Kriegen, Verfolgung und Vertreibung und damit einhergehender wirtschaftlicher Not dazu gezwungen. Hierzulande sind sie nach wie vor extremer Diskriminierung ausgesetzt. Tatsächlich haben die gängigen Stereotype recht wenig mit dem wirklichen Leben von Sinti und Roma zu tun. Den Begriff ›Zigeuner‹ gibt es laut der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB), seit diese ethnische Gruppe vor rund 600 Jahren in deutschsprachige Gebiete einwanderte. Er leite sich möglicherweise aus dem Griechischen ab (»die Unberührbaren«) und werde mehrheitlich von den Angehörigen dieser Minderheit abgelehnt und als abwertend

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