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sie setzt lieber auf das Image des harten Mannes. Um die ›richtigen‹ Jungs unter den jungen Männern zu finden, ist der Film unterlegt mit harter Rockmusik und jaulenden Gitarren im Wechsel mit der deutschen Nationalhymne. Dazu Bilder aus der Heimat, die es in der Fremde zu verteidigen gilt, explodierende Granaten, Staub und Rauchfontänen, dazwischen Soldaten, die Spalier stehen, Bomben abwerfen, kraftvoll Hände schütteln und schwer bewaffnet durchs Gelände rennen. Düsenjäger und Panzer, Adrenalin und Testosteron, Kriegsschiffe und Raketen – der Clip macht klar: Soldat sein bedeutet kämpfen, und Kämpfen macht Spaß. Männer lieben eben, was hart macht, und Frauen ergänzen das prima, sind sie doch einfühlsam und kümmern sich um andere, sie helfen eben gerne.

      Sei es der EU-Spot, der Mädchen in naturwissenschaftlich-technische Gefilde locken möchte, die Imagekampagne der Bundeswehr oder viele weitere Beispiele aus Werbung, Film und Marketing, hier wie dort werden Frauen und Männer auf Klischees reduziert. Die Begründung lautet in allen Fällen: Wir wollen die Menschen in ihren jeweiligen Lebenswelten ansprechen, sie dort abholen. Wofür und wohin? Etwa um dann gemeinsam in eine geschlechtergerechte Welt voranzuschreiten? Wohl eher, um uns ungeniert zur Kasse zu begleiten. Denn dafür ist das Insistieren auf den Unterschieden zwischen Männern und Frauen ein probates Mittel. Am Ende wundern wir uns dann, warum unsere erwachsen gewordenen Kinder weiterhin getrennte Wege gehen, sowohl in der Rollenaufteilung in den Familien, im Beruf als auch in der Persönlichkeitsentwicklung, zum Nachteil für alle.

      Mädchen und Mathematik, Jungen und Einfühlungsvermögen, beide Beispiele zeigen nicht nur, dass wir die Wahlfreiheit unserer Kinder einschränken, dass wir die Möglichkeiten dieser Welt, aus denen sie frei auswählen könnten, vorsortieren in rosa und hellblau, dass wir Erwachsenen es sind, die vorgeben, welche Interessen wir den Mädchen zugestehen und welche unserer Ansicht nach männlich genug sind. Dabei ist die heutige Elterngeneration doch der Beweis, dass Rollenzuschreibungen flexibel sind, dass sie sich im Lauf der Zeit wandeln können. Immerhin war noch Mitte der 1970er-Jahre die Hälfte der Eltern der Ansicht, eine Frau sei nur dazu da, sich um ihren Mann, ihre Kinder und den Haushalt zu kümmern, wie es das österreichische Kanzleramt in seinem »Bericht über die Situation der Frau«26 1975 zusammenfasste.

      Beide Beispiele zeigen, dass Geschlechterstereotype kein Luxusproblem überambitionierter Helikoptereltern sind, sondern dass Mädchen und Jungen ein Recht darauf haben, dass wir uns einmischen. Denn obwohl wir wissen, dass Menschen unterschiedlich sind und dass sich ihre Eigenschaften, ihre Wünsche und Abneigungen ziemlich gleichmäßig auf die Geschlechter verteilen, und obwohl uns Individualität doch so wichtig scheint, legen wir als Gesellschaft trotzdem Wert auf eine Zweigeschlechtlichkeit, die ein gleichberechtigtes Aufwachsen, eine freie Entfaltung der Persönlichkeit unnötig erschweren.

       2VON BEGINN AN ZWEI WELTEN

      Warum wir schon vor der Geburt Unterschiede machen

      Annette habe ich kennengelernt, als wir beide noch studierten. Wir waren Mitte zwanzig, hatten erste Arbeitserfahrungen gesammelt und bereiteten uns auf unsere Prüfungen vor. Auf der Geburtstagsfeier einer Freundin, die nach der Geburt ihres Sohnes wieder zu ihren Eltern gezogen war, diskutierten wir über unsere Vorstellungen von Familie und Karriere. Wir waren uns einig, dass sich Beruf und Kinder nicht ausschließen, denn Hausarbeit und Kindererziehung wollten wir natürlich mit unseren zukünftigen Partnern teilen. Wir waren überzeugt, dass die Männer unserer Generation, mit denen wir uns eine Beziehung vorstellen konnten, diese Haltung längst teilten, sodass wir kein Hindernis sahen, das unseren Plänen im Weg stehen könnte. Zehn Jahre später zog Annette mit ihrem Partner nach New York um. Sie war fertig ausgebildete HNO-Ärztin und hatte in Deutschland eine eigene Praxis, aber sein Arbeitgeber hatte ihm dort eine auf drei Jahre befristete Stelle angeboten, die er nicht ablehnen konnte. Sagt sie. Außerdem, wer sage schon Nein zu einem dreijährigen Auslandsaufenthalt mit bezahltem Umzug, Sprachkurs und allem Drum und Dran? Es sei sowieso ein Fehler gewesen, sich mit einer eigenen Praxis schon so früh auf Beruf und Wohnort festzulegen. In New York kam dann ihr erstes Kind zur Welt. Annettes Mann ist immer noch beim selben Arbeitgeber, die nächste Stufe der Karriereleiter führte ihn nach Hamburg, die Familie zog mit. Heute lebt Annette in München, mit ihrem dritten Kind ist sie gerade in Elternzeit. Ab und zu helfe sie in der Praxis eines Bekannten aus, was leider nur schwer zu organisieren sei, da ihr Mann selten vor 21 Uhr nach Hause komme.

      Annettes Geschichte habe ich in den letzten Jahren so und in Variationen immer wieder gehört. Nicht eine der Frauen wurde gezwungen, ihre eigene berufliche Entwicklung der ihres Mannes unterzuordnen, natürlich nicht. Immer haben die Paare einvernehmlich entschieden, dass es so am besten sei für alle Beteiligten, vor allem für die Kinder. Die Gründe dafür sind jeweils andere, aber jede dieser Geschichten endet mit einer längeren Stille, in der die Erzählerin neben mir auf einer Spielplatzbank sitzt, vor einem Schultor steht oder in einer Küche eine Tasse festhält und nachdenklich ins Leere blickt.

       »Familienarbeit«

      Mit guter Ausbildung und fester Arbeitsstelle, ohne Kinder, aber mit einem engen Freund*innenkreis und Wohnung in der (Groß-)Stadt hat Frau oder Mann relativ gute Chancen, vom Thema Gleichberechtigung lange Zeit unberührt zu bleiben. Da stellt sich leicht der Eindruck ein, dass so langsam wirklich genug gesagt und geschrieben worden ist dazu. Weil Frauen ja nun gleichgestellt seien, wird an manchen Stellen gar das Ende der Geschlechterdebatte ausgerufen, die viel beschworene Gläserne Decke sei in Wirklichkeit ein Scherbenhaufen1. Viele Frauen unter dreißig, die Abitur haben, gehen ganz selbstverständlich davon aus, »dass sie mit einer guten Ausbildung beruflich erfolgreich sein werden, Karriere machen und, wenn ein Kind kommt, sich Haushalt, Erziehung und Beruf mit ihrem Partner gerecht teilen«2. Zu diesem Schluss kommt eine im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durchgeführte Untersuchung über »20-jährige Frauen und Männer heute«: Für die Mehrheit der in den 1980ern Geborenen sind Fragen der Gleichstellung abstrakt, denn die wenigsten haben Situationen erlebt, in denen sie eine Gleichbehandlung durchsetzen mussten; unfaire Entscheidungen hatten andere Ursachen, am Geschlecht lag es sicher nicht. Doch sobald zwei zusammenziehen und entscheiden, Kinder zu bekommen, ziehen täglich die neuen-alten Fragen mit ein, die längst geklärt schienen, die Polarität ist ungebrochen.

      Zwar stimmen Frauen und Männer laut der »Vorwerk-Familienstudie 2012« mehrheitlich der Idealforderung zu, dass beide sich die Familienarbeit gleichberechtigt teilen, doch die Theorie kommt im Alltag nicht wirklich an. Der Anteil der Väter, die sich voll oder zur Hälfte in Haushaltsarbeit und Kindererziehung einbringen, sei in den vergangenen Jahren nicht gestiegen, auch wenn der Studie zufolge in der Bevölkerung der Eindruck überwiegt, Väter würden sich heute stärker an der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder beteiligen als noch vor fünf oder zehn Jahren: »76 Prozent der Mütter machen nach eigener Aussage ›alles‹ oder ›das meiste‹ selbst, und 68 Prozent der Väter bestätigen dies, indem sie ihren eigenen Beitrag zur Familienarbeit mit dem ›kleineren Teil‹ (61 Prozent) oder ›kaum etwas, gar nichts‹ (7 Prozent) umschreiben«3, so das Ergebnis. Und auch die Untersuchungen der Bamberger Soziologen Florian Schulz und Hans-Peter Blossfeld bestätigen, dass es im Laufe der meisten Paarbeziehungen oder Ehen zu einer Verschiebung der Arbeitsteilung in Richtung traditioneller Strukturen komme4.

      Doch wenn beide gleichermaßen arbeiten und verdienen, so sollte man meinen, sorgen Paare für eine faire Verteilung der Aufgaben rund um Waschen, Kochen, Putzen, je nachdem, wie viel Zeit der*m Einzelnen bleibt. Und tatsächlich nimmt der Frauenanteil an der Hausarbeit mit steigendem Gehalt ab, allerdings nur, solange sie weniger verdient als er.5 Sobald sich das Verhältnis nämlich umkehrt und sie mehr verdient als er, gleichen Paare diese seltene Rollenverteilung durch besonders traditionelle Zuständigkeiten im Haushalt wieder aus: Je mehr sie verdient, desto größer wird dann auch ihr Anteil an der Hausarbeit, schreiben Michael Bittman und Kolleg*innen im »American Journal of Sociology«6. Diese eigenartige Entwicklung gehe so weit, dass Frauen sogar dann den Hauptanteil übernehmen, wenn er gar nicht arbeitet.

      Die große Mehrheit der Männer ist der Meinung, einen guten Vater

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