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fortgeführt hat.

      Wiederum ist der Unterschied zum Verhalten eines Tieres deutlich zu sehen. Der an der Türe des Katzenkekse-Schrankes kratzenden Katze können wir sicherlich so etwas wie ein ‚Begehren‘ im Sinne eines ‚Triebes‘ nach dem Bezug von solchen Leckereien zuschreiben. Wir würden aber kaum sagen, dass sie einen Begriff von Handlungen einer bestimmten Art hat (wie Katzenkekse-Essen) und dass sie eine Einstellung zu einer solchen Art von Handlungen hat, wofür man offenbar jenen Begriff voraussetzen müsste. Menschen dagegen können von einzelnen Handlungen absehen und zu Vorstellungen von Arten von Handlungen gelangen, weil sie verschiedenes Verhalten unter einen gemeinsamen Begriff bringen können. Die Einstellung dazu beschränkt [<<57] sich dann nicht auf das individuelle Verhalten, sondern bezieht sich zumindest rudimentär auf etwas Allgemeines, zu dem Stellung genommen wird.

      Auch nach Davidson kann der Zusammenhang von Begehren und Meinung demnach als der ‚primäre Grund‘ für die Ausführung einer Handlung bezeichnet werden, welcher von einer Ursache in der physikalischen Welt vor allem durch die Einstellungen des Handelnden zum Begehren und durch seine Haltung zu seiner Meinung unterschieden ist. Davidson geht von der Frage nach der Erklärbarkeit einer Handlung aus. Wir erklären eine Handlung, indem wir die Gründe auffinden und nennen, die für den Handelnden ausschlaggebend waren. Auch hier finden wir wieder den Bezug des Handelnden auf sich selbst, den eine Handlungserklärung berücksichtigen muss. Würde sie nur die Ursachen des Ereignisses erklären, das der Akteur in der Welt hervorgerufen hat, so wäre sie eine Kausalerklärung mithilfe von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen, d. h., sie könnte auf einen Bezug auf den Selbstbezug des Akteurs verzichten.

      In diesem Falle allerdings würde sie ihn nicht als Akteur in dem Sinne auffassen, wie er seit dem Beginn des Denkens über Handlungen bei Aristoteles entwickelt wurde. Es würde sich um eine Erklärung in dem Sinne handeln, wie wir das Phänomen der Gezeiten durch die Gravitationswirkung des Mondes erklären, wo wir nicht auf die Idee kommen, dem Meer Gründe zu unterstellen, die es motivieren, so zu ‚handeln‘, ebenso wenig wie wir den Mond in diesem Zusammenhang als Akteur auffassen würden.

      Ein Erklären durch Gründe können wir auch auffassen als ein ‚rationalisieren‘, d. h., wir erklären, indem wir angeben, dass und inwiefern ein bestimmtes Handeln aus der Perspektive des Handelnden rational war. Es geht also nicht darum, dass es aus unserer Perspektive oder aus der Sicht einer übergeordneten Instanz, die ein überlegenes Wissen über Rationalität besitzt, rational war, sondern es geht um die Rationalität einer Handlung aus der Perspektive des Akteurs. Wir dürfen an diese Rationalität allerdings keine sehr hohen Ansprüche stellen, d. h., wir werden nicht fordern, dass der Handelnde seine Gründe vor der letzten Instanz der reinen Vernunft rechtfertigen könne. Im Grunde heißt ‚rational‘ hier nur, dass jemand mit Gründen gehandelt hat, die aus einer anderen Perspektive gut oder schlecht genannt werden können. Gründe in diesem Sinne können auch Wünsche, Leidenschaften, Befehle oder das Bewusstsein von einer moralischen Verpflichtung sein.

      Davidson kommt in seiner Theorie des Handelns schließlich zu dem Versuch, Gründe als Ursachen aufzufassen, was durchaus an Aristoteles angeschlossen werden kann. In der Handlungstheorie vor Davidson war dies jedoch anders gesehen worden, weil man der Auffassung war, dass zwischen Grund und Handlung auf logisch-begrifflicher Grundlage eine so enge Beziehung besteht, dass man Gründe und Handlungen [<<58] nicht als zwei unterschiedene Ereignisse auffassen könne, weshalb man auch keine Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen beiden annehmen dürfe. Allerdings geht Davidson nicht so weit, Handlungen auf der Grundlage allgemeiner Gesetze – wie in der Form deterministischer Naturgesetze – erklären zu wollen, was seine Theorie in die Schwierigkeit bringt, von Kausalität ohne Gesetzesform sprechen und schließlich eine Theorie vom ‚anomalen‘ Charakter des Mentalen heranziehen zu müssen (a-nomal bedeutet hier nicht-gesetzesförmig). Wir müssen an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen.

      Wichtig ist jedoch, dass bis in unsere Gegenwart – Donald Davidson einschließend – Handlungen nicht als etwas angesehen wurden, das ohne Bezugnahme auf die Gründe des Handelnden selbst erklärt werden könne. Auch wenn Davidson die Gründe schließlich als Ursachen zu verstehen sucht, so nimmt er doch nicht an, dass eine entsprechende Handlungserklärung ‚von außen‘ gelingen könne, also nur aus der Perspektive des Erklärenden. Die Perspektive des Handelnden ist offenbar stets dann unverzichtbar, wenn es darum geht, Handlungen als solche zu erklären und sie nicht als ein Verhalten aufzufassen, das in der Welt so geschieht, wie ein Massenpunkt sich auf einen anderen Massenpunkt zubewegt, wie wir dies durch die Gravitationstheorie erklären können.

      Aus der Struktur von belief und desire ergibt sich, dass von einer Handlung nur dann zu sprechen ist, wenn der Handelnde über ein gewisses Maß von Wissen verfügt. Dieses Wissen kann für uns, die sein Handeln beobachten und erklären, als falsch gelten und insofern kein Wissen darstellen, aber für den Handelnden selbst gilt doch, dass er es als ‚wahr‘ auffassen muss, zumindest in dem schwachen Sinne, dass es ‚belastbar‘ ist, um seine Handlung, mit der er sein desire verwirklichen bzw. erfüllen will, gerade so und nicht anders auszuführen. Ein solches Wissen kann u. U. Naturgesetze umfassen, die für die Erfüllung des aktuellen Strebens (desire) wichtig sind, es kann aber auch ein Erfahrungswissen darstellen auf der Basis der in der Vergangenheit erlebten Erfolge oder Misserfolge mit Handlungsversuchen. In der Regel ist das Handeln mit einem prognostischen Wissen verbunden, d. h., der Handelnde muss die Folgen abschätzen können und darüber hinaus auch die nicht beabsichtigten Nebenwirkungen, um zu einer ‚rationalen‘ Entscheidung über die Wahl seines Handelns gelangen zu können. In vielen Fällen kann es darüber hinaus notwendig sein, ein soziales Wissen einzuschließen, um die Erfolgswahrscheinlichkeit von Handlungen einschätzen zu können, deren Erfolg von anderen Menschen oder von der Orientierung an sozialen Regeln und/oder Gesetzen abhängig ist.

      Die Theorie des Handelns und seiner Auszeichnungen begann bei Aristoteles damit, dass Handeln von Verhalten und von Ereignissen in der Welt dadurch unterschieden wurde, dass bei Ersterem das ‚bewegende Prinzip‘ (arche) – der Grund – im [<<59] Akteur selbst gesucht werden muss, weil eine Handlung nur dadurch zu verstehen ist, dass der Akteur selbst sich der besonderen Umstände seiner Handlung bewusst sein kann – nicht aber der äußere Beobachter des Ereignisses, in dem sich die Handlung in der Welt aus der Perspektive der anderen Menschen zeigt. Das Begehren und die Glaubensüberzeugungen des zum Handeln fähigen Wesens führen zu seiner Wahl bzw. Entscheidung, und diese Wahl/Entscheidung ist die Wirkursache der Handlung.

      Von dieser Auffassung führte ein langer Weg bis zu der Auszeichnung des Handelns gemäß der Max Weber’schen Bestimmung von Handeln durch das Erleben von subjektivem Sinn, die einen aristotelischen Kern bewahrte, obwohl sie doch in soziologischer Absicht entstand und beide Auffassungen keineswegs identifiziert werden sollten.

      2.2.3 Handlungsverstehen und Gründeverstehen

      Für die Sozialwissenschaften als Wissenschaften von Handlungen bzw. vom sozialen Handeln gilt nach Habermas, dass sie Handlungen nur dann als solche beschreiben können, wenn sie sich mit den Gründen beschäftigen, die der Handelnde mit seinen Handlungen verbindet. Eine Handlung wird aber dann nicht als mit Gründen versehen und aufgrund von Gründen vollbracht bezeichnet, wenn nur die Äußerungen des Handelnden beschrieben werden. Damit ist er in diesem Denkzusammenhang nicht als Handelnder aufgefasst. Vielmehr besteht nach Habermas

      

„ein fundamentaler Zusammenhang zwischen dem Verständnis kommunikativer Handlungen und im Ansatz rationalen Deutungen. Fundamental ist dieser Zusammenhang, weil sich kommunikative Handlungen nicht zweistufig deuten, zunächst in ihrem faktischen Ablauf verstehen und dann erst mit einem idealtypischen Ablaufmodell vergleichen lassen.“ (TkH1 170)

      Einer solchen Auffassung setzt Habermas entgegen, dass der Sozialwissenschaftler Handlungen nur angemessen verstehen kann, wenn er einen Hintergrundkonsens, eine gemeinsame Verstehensbasis und damit eine gemeinsame rationale Basis mit den Handelnden besitzt.

      Auch ein „virtuell, ohne eigene Handlungsabsichten teilnehmender Interpret kann … den Sinn eines faktisch ablaufenden

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