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ging wieder runter in die Kneipe. Man hatte mir versichert, ich hätte frei saufen. Das wollte ich ausnutzen. Ich war schon leicht schicker, als endlich eine Meute reinkam, mit der ich gar nicht gerechnet hatte. Mit Wilfried Glöck an der Spitze erschien ein Trupp von der Wilhelmshöhe, die ich nicht eingeladen hatte. Umso größer war meine Freude. Es waren so sechs, sieben Mann. Ich erklärte ihnen, dass ich noch nicht dran war und dass es noch ein bisschen dauern würde. Wilhelmshöher bei einer Dichterlesung – das war ein Dingen. Aber es würde ja keine dieser üblichen Veranstaltungen werden, dafür würde ich schon sorgen. Erst mal soff ich weiter und ging hoch. Monika war fertig und nun würde diskutiert. Ich mochte nicht zuhören und ging weiter mit den Kumpels saufen, die sich im Sputnik getroffen hatten. Der Kneipe, die ja in meinem Text eine besondere Rolle spielte. Bodo war da, der auch zeitweise mit meinem Bruder und den Jungs gekloppt hatte. Monika gab mir ein Zeichen. Sie war fertig. Ich sagte den Jungs Bescheid. »Kommt rauf.« Karl-Heinz legte eine Scheibe der Penguins auf, das war ja tatsächlich schöne Kaffeehausmusik. Als ich vermutete, dass alle da waren, sagte ich Karl-Heinz Bescheid. Er legte eine Kassette ein und schon ertönte die Stimme von Tim Rice. »And now from Germany«, und dann, mit viel Hall, »Wolfgang Welt«. Diese Einleitung war Karl-Heinz gelungen und kam auch beim Publikum gut an, das applaudierte. Dann las ich, wie ich es nannte, zwei Grußadressen vor. Von Müller-Schwefe und von Lodemann, die bedauerten, nicht kommen zu können. Bevor ich richtig loslegen konnte, kam einer von dem Veranstalter BO-LIT. Ich sollte bekannt geben, wann die nächste Lesung stattfinden würde. Dann konnte ich endlich anfangen. Ich war keinesfalls besonders aufgeregt, sondern in einer wunderbaren Stimmung, vielleicht hervorgerufen durchs Bier. Ich war gut drauf. Zuerst las ich den Kulturkalender der »WAZ« vor. Aller mögliche Scheiß war da angekündigt, nur unsere Lesung nicht. Auch war der Kulturredakteur nicht erschienen, obwohl er das der Monika versprochen hatte. Als ich fertig war, knüllte ich die Zeitung zusammen und das Publikum klatschte. Ich dachte an eine längere Sitzung. So las ich dann auch nicht sofort den Text vor, sondern ging auf die Widmungen ein. Ich redete frei. Über jeden der Genannten improvisierte ich ein bisschen und ließ Karl-Heinz zu manchem eine Platte vorspielen. Zum Beispiel zu Sheila vom Rotthaus den gleichnamigen Song von Tommy Roe. Es machte mir richtig Laune und dem Publikum schien es auch einigermaßen zu gefallen. Jedenfalls beschwerte sich keiner. Andreas und eine mir unbekannte Fotografin schossen Bilder. Endlich, ich machte keine Pause, kam ich zu »Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe«. Hier war ich nicht so in meinem Element. Vorlesen lag mir nicht. Aber ich zog die Sache durch, bis ich nach insgesamt zwei Stunden die Schnauze voll hatte. Petra Schmitz kam angelaufen. »Wieso hast du so lange gemacht? Da war noch ’ne Lehrerin, die auch lesen wollte.« »Warum hat sie sich nicht gemeldet? Ich hätte sofort aufgehört.« Ich trank mit Karl-Heinz und ein paar anderen noch ein Bier. Dem Glöck hat’s gefallen. Er würde beim nächsten Mal wiederkommen. Hiby brachte Karl-Heinz und mich nach Hause. Ich stellte mir den Wecker auf acht, weil ich ja um zehn in Köln sein musste. Ich hatte einen Kater, aber er war erträglich. Ich war mit dem Abend zufrieden. Endlich schickte ich den Text auch an Müller-Schwefe.

      Bei dem hier erstmals abgedruckten Text handelt es sich um die Transkription einer Lesung, die am 10. Dezember 1987 im Rahmen der SWF-Sendung »Literatur und Musik«stattfand. – Transkription: Martin Willems.

      Zur Entstehungsgeschichte: »Wenig später rief ein Redakteur vom Südwestfunk an. Sie machten im Hörfunk eine Reihe ›Literatur und Musik‹, eine Stunde. Autoren stellten einen unveröffentlichten Text vor und spielten zwischendurch Musik ihrer Wahl. Ob ich das auch machen könnte? Was kommt dabei rum? Pro Textminute hundert Mark, das war ein guter Kurs. Mach ich. Ich ruf Sie dann noch mal an, wegen des Studios. Ich schrieb schon mal den Text. Ich hatte ja nichts in der Schublade liegen. Ich erzählte die Geschichte, wie ich in Amsterdam an einem Quiz teilgenommen hatte und dabei besoffen war. Dann wählte ich die Platten aus. Rock ’n’ Roll.« Wolfgang Welt: »Doris hilft«, Frankfurt/M. 2009, S. 131.

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       Sascha Seiler

       »Die grüne Welle reiten« Gespräch mit Phillip Goodhand-Tait

      Sascha Seiler: Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Treffen mit Wolfgang Welt?

      Phillip Goodhand-Tait: Wolfgang hielt sich in London auf, es muss 1976 gewesen sein. Er hatte sich gerade eine Vinylschallplatte gekauft, die auf dem Label Dick James Music – kurz DJM – erschienen war, es war mein Album »Songfall«. Als er auf dem Cover sah, dass das Büro von DJM in der New Oxford Street nur ein paar Schritte vom Plattenladen entfernt war, wo er das Album erstanden hatte, dachte er sich, er könnte ja mal spontan vorbeischauen und vielleicht ein Interview mit mir klarmachen. Ich glaube, er schrieb damals schon als freier Autor für Musikmagazine. Als er vor der Rezeptionistin stand, sagte er nur, er wollte sofort Phillip Goodhand-Tait treffen! Zufällig war ich gerade für eine Fotosession und ein paar Presseinterviews im Gebäude. Wolfgang war erstaunt, dass ich tatsächlich sofort greifbar war, und ich signierte ihm das Album. Wir kamen ins Gespräch und entdeckten unsere gemeinsame Liebe zu Buddy Holly. Als er mir erzählte, dass sein Freundeskreis ihm einfach nicht glauben wollte, dass Buddy Holly tot sei, weil Coral Records ständig neue Alben von ihm auf den Markt brachte, sah ich das als großartige deutsche ›Version‹ des berühmten ›Day the music died‹-Zitats aus Don McLeans Song »American Pie« an …

       Wie war Ihr erster Eindruck von ihm?

      Wir sind beide vom Sternzeichen Widder, ich bin jedoch sieben Jahre älter als Wolfgang. Mein erster Eindruck war, dass er ein sehr redegewandter junger Mann war, der ein gutes Englisch sprach und, was sehr selten ist, einen äußerst trockenen Humor sein Eigen nannte. Ich glaube, er war der einzige Deutsche, der mich jemals zum Lachen gebracht hat. Dabei erzählte er niemals einen Witz! Es waren eher seine leisen Reflexionen, die mich amüsierten. Er war auch sehr smart gekleidet, das fiel mir bei unserem ersten Treffen auf, ein gutaussehender junger Mann in einem Trenchcoat und einem Poloshirt. Wir wurden zusammen auf dem Soho Square fotografiert, der war in der Nähe des DJM-Gebäudes und wurde oft als Hintergrund für PR-Fotos verwendet. Das Bild, in Schwarz-Weiß, erinnerte uns immer an die Aufnahme zweier Spione während des Kalten Krieges!

       Er war ja schon lange vorher Fan Ihrer Musik. Erinnern Sie sich daran, was er an Ihren Songs so inspirierend fand?

      Auf besagtem »Songfall«-Album etwa begeisterte ihn die Knappheit und Einfachheit der Kompositionen. Er mochte den Song »Leon« ganz besonders, weil es die Geschichte eines Musikers auf Tour erzählt. Aber natürlich waren meine Neuarrangements von Buddy Hollys »Everyday« und dem Everly-Brothers-Song »When Will I Be Loved« seine anderen Favoriten. Mein eigenes Stück »New Moon Tonight« interessierte ihn wiederum, weil da die Zeile »I fell under a spell of an early rock and roller« enthalten war. Wie ich bereits erwähnte, war sein Englisch ja sehr gut und er hat bei Songs sehr auf die Texte geachtet. Ein Songtext wie »Processed« hat ihn politisch sehr angesprochen. Er war ja Sozialdemokrat.

       Wie hat sich Ihre Freundschaft weiter entwickelt?

      Das erste Treffen danach, an das ich mich erinnere, war bei einem Konzert, Backstage. Es muss auch noch 1976 gewesen sein, als ich als Vorgruppe von 10cc auf Deutschland-Tournee war, ich bin mir aber nicht mehr sicher. Wolfgang hat mir auf jeden Fall immer seine veröffentlichten Artikel und später auch seine Romane geschickt. Da ich aber nicht des Deutschen mächtig bin, hat er hin und wieder Randnotizen auf Englisch hinzugefügt. Natürlich war ich auch sehr daran interessiert, einen Musikjournalisten in Deutschland zu kennen, und er hat mich ja auch wirklich oft erwähnt. Ich habe ihm im Austausch auch immer meine Aufnahmen geschickt, aber insgesamt haben wir doch verschiedene Leben

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