Аннотация

Einer, dem alles zu viel geworden ist. So viel, dass am Ende gar nichts mehr übrig bleibt. Keine Wörter, keine Erinnerungen, sich selbst abhandengekommen. Die Arbeitssuche wird zur Warteschleife, der Termin um 8:15 Uhr zum Lebensinhalt. Die Realitäten verschieben sich, sobald die Tür des Amts zuschlägt. Die Welt wird klein in einer Zelle, zehn Quadratmeter, ein Bett, ein Tisch, ein Fenster. Die Zeit wird zum Leben davor und zum Leben danach. Die Ewigkeit ist die Zeit dazwischen.
Von der Psychiatrie zum Jobcenter ins Gefängnis: Drei Un-Orte durchläuft das erzählende Ich in einem schillernden Bewusstseinsstrom. Zwischen Aufenthalts- und Warteräumen, Wochenplänen und Vermittlungsquoten ringt es um Teilhabe an einer Welt, die durch Reglements und Disziplinierungen geprägt ist – diffus, bürokratisch, repressiv. Dabei sucht dieses Ich nach einem Weg, sein Unverbundensein als Qualität umzuwerten, sich die Welt in der Sprache anzueignen und «als einsamer Sputnik im All» doch noch ins Leben zurückzukehren.

Аннотация

"Wie einfach wäre das / einfach auf die Vergangenheit zu verzichten."
Ohne Erinnerung gibt es keine sichtbargemachte Geschichte, keine Zusammenhänge zwischen dem Damals und dem Jetzt, zwischen den Fragmenten einer Republik.
Johanna Kaptein setzt Geschichte und Geschichtsbilder, BRD-Fragmente, zusammen. Stimmen der Geschichte sprechen Sätze, die wir alle schon einmal gehört oder selbst gesagt haben, entwerfen Szenarien, die wir kennen, von Fotos, aus dem Fernsehen und dem Geschichtsunterricht und unserem Leben. Erzeugt wird ein Röntgenbild, Spuren werden sichtbar, Schichten eines historischen Fundamentes einer Republik, die 2009 runde Jubiläen der Gründung und Wiedervereinigung feiert. Eine Fotografie aus den 40er Jahren scheint die Betrachter von ganz weit weg anzuschauen. Diskussionen des politischen Umbruchs der 70er und 80er Jahre lassen die Stimmen aktiv werden, Gegenbilder zum Faschismus aufbauen, aber auch scheitern. Und aus den wirtschaftsverwunderten 50er Jahren blickt wieder die Vergangenheit. Die Vergangenheit, die ständig aufgearbeitet werden will, aber nicht kann. Das Stück beschreibt in seinem zweiten Teil die Bemühungen der Enkelkinder, die Shoa nicht zu vergessen, die Opfer nicht zu vergessen. Hinter all dem die Fragen: «Was machen wir nur mit der Zeit / und der Erinnerung? / Jetzt?»
Johanna Kapteins Text entfaltet sich als Ideentableau und als Erinnerungsbild. Mal beschreibt er, mal stellt er dar. In szenisch meist ungebundenen Repliken, macht er sich auf die Suche nach Erinnerung und entfaltet dabei mit knapper, präziser und kreativer Sprache einen gegenwärtigen, theatralisch begehbaren Erinnerungsraum der Geschichte. BRD-Fragmente wurde mit dem Leonhard-Frank-Preis des Mainfranken Theaters Würzburg 2009 und dem Publikumspreis ausgezeichnet.