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etwas dagegen tun, aber lass mich aus dem Spiel.«

      »Ich versuche schon die ganze Zeit, meine Libido zu ersäufen, aber es geht nicht, wenn man so etwas live mit ansehen muss.«

      »Musst du nicht.«

      »Du hast gut reden.« Patrick deutete mit zwei gespreizten Fingern auf seine Augen. »Die machen das automatisch, ob ich will oder nicht. Die Augen sind schuld. Die müssen jedem Weiberarsch nachgucken – siehst du?«

      Sein Kopf drehte sich in die Richtung eines Tisches, an dem sich vier noch viel zu junge Mädchen aufgeregt schnatternd niederließen.

      »Tragisch«, gab Jonas zu.

      Patricks Argumentation und Artikulation deuteten darauf hin, dass er allmählich genug Bier im Blut hatte, und Jonas sagte es ihm.

      »Ganz richtig«, pflichtete der entschieden bei. »Ich brauch was Stärkeres.«

      Wenige Augenblicke später standen zwei Klare neben den Biergläsern. Oder genauer: ein Williams und ein leeres Schnapsglas. Es sollte nicht der einzige hochprozentige Drink bleiben, den Patrick an diesem lauen Sommerabend in sich hineinschüttete, um seine Libido zu betäuben. Obwohl Jonas es besser wusste, wehrte er sich nicht sonderlich gegen die melancholisch lockere Stimmung, die ihn sanft dazu verführte, eins oder zwei über den Durst zu trinken. Es war Wochenende, und zu Hause wartete ohnehin niemand auf ihn. Patricks eigenmächtige Augen verfolgten Isabella und ihre Freundin noch lange, nachdem sie nicht mehr zu sehen waren.

      »Kannst du noch fahren?«, fragte er unvermittelt, ohne die Augen zurückzuholen.

      »Hab’s mal gelernt, warum?«

      »Ich bin zu besoffen.«

      »Das ist kaum zu übersehen.«

      Patrick stand auf, blätterte ein paar Geldscheine auf den Tisch, die reichten, um die Getränke zu bezahlen und die nächste Miete der Bedienung.

      »Los komm, wir müssen was unternehmen. Bist eingeladen, aber du fährst.«

      »Wohin?«, fragte Jonas verblüfft.

      »Wirst schon sehen.«

      Irgendwo im Südschwarzwald

      Jonas trat abrupt auf die Bremse. Das Dorf, das Patrick erwähnt hatte, lag hinter ihnen. Weiter auf der Straße, die in den Wald führt, lautete die Instruktion. Doppelt unbrauchbar. Erstens sah das, was er im Licht des blassen Mondes vor der Frontscheibe erblickte, nicht wie eine Straße aus. Bestenfalls ein Feldweg war es, der sich weiter vorn gabelte. Beide Wege führten in den Wald.

      »Welchen nehmen wir?«, fragte er, als er nichts von Patrick hörte.

      Der schlief tief.

      Jonas rüttelte ihn wach und fragte lauter: »Welchen?«

      Patrick fuhr hoch. »Die Rote«, krächzte er.

      »Ich meine: Wohin fahren wir?«

      »Zum ›Forstschlösschen‹.«

      »Hört sich nach Wald an.«

      »Steht auch im Wald. Wo sind wir?«

      »Am Waldrand.«

      »Dann fahr hinein, Mensch.«

      Sie hätten das Spiel noch lange weitertreiben können, doch Jonas wollte endlich wissen, was sich im geheimnisvollen ›Forstschlösschen‹ abspielte. Sie hatten einen ziemlich weiten Weg zurückgelegt für eine illegale Pokerrunde oder Schnapsbrennerei.

      »Wie du siehst, führen beide Wege in diesen verfluchten Wald«, klärte er Patrick auf. »Also, nehmen wir den linken oder den rechten Weg?«

      Fehlte nur noch, dass er jetzt mit einem logisch korrekten Ja antwortete, dachte Jonas gereizt. Scheinwerfer blendeten im Rückspiegel. Ein weißer Sportwagen brauste an ihnen vorbei mit einer Geschwindigkeit, für die dieses Sträßchen bei Gott nicht gemacht war. Staub und Dreck wirbelten auf, als zwei Räder durch den Straßengraben pflügten. Im nächsten Augenblick verschluckte der schwarze Wald den späten Gast und die quälende Ruhe kehrte zurück.

      »Ihm nach!«, befahl Patrick im Brustton der Überzeugung.

      »War das einer deiner ›Forstschlösschen‹-Verschwörer?«

      »Sonst gibt’s ja nichts in diesem Wald.«

      »Das fürchte ich auch«, brummte Jonas und drehte den Zündschlüssel.

      Fünf lange Minuten fuhren sie vorsichtig an finster blickenden Tannen vorbei. Die eine oder andere Eiche oder Buche mochte auch dabei sein, so genau wollte er es nicht wissen.

      »Halt, wir sind da«, rief Patrick plötzlich mitten im Wald.

      Weit und breit war kein Haus zu sehen. Nur ein unscheinbarer Pfad führte rechts ins Gebüsch hinein. Kein Wegweiser, nichts deutete auf das geheimnisvolle Schlösschen hin.

      »Ein wenig spät, um Pilze zu sammeln, findest du nicht?«, knurrte Jonas.

      »Mach schon.«

      Patrick saß jetzt hellwach und kerzengerade in seinem Sitz. Ruckartig schoss sein Kopf in die Höhe wie beim Erpel nach der Balz. Der versteckte Pfad erwies sich als komfortabel geteerte Zufahrt zu einer Lichtung, die von der Waldstraße her nicht zu sehen war. Ein behäbiges Schwarzwälder Forsthaus mit ausladendem Walmdach und üppig bepflanzten Holzbalkonen stand mitten in einer Blumenwiese, wo mannshohe Königskerzen sogar im fahlen Mondlicht wie gelbe Fackeln leuchteten. Auf dem großzügigen Parkplatz neben dem Haus bemerkte Jonas als Erstes den weißen Sportwagen.

      »Das soll dein Schloss sein? «, fragte er etwas enttäuscht.

      »Schwer was los heute«, freute sich Patrick beim Anblick der mindestens zehn geparkten Autos.

      An der Tür stand Arnold Schwarzeneggers kleiner Bruder. Jonas fragte sich, wie der Mann in seinen Smoking geschlüpft war. Der Anzug schmiegte sich so eng an seine prallen Muskeln, dass er zu platzen drohte. Patrick klaubte ein rosa Kärtchen aus der Tasche und hielt es dem Zerberus hin. Der nickte freundlich, ohne den Ausweis genau anzusehen. Man kannte sich.

      »Der Herr ist mein Gast, Milan«, antwortete Patrick auf den fragenden Blick, mit dem der Türsteher Jonas einschätzte.

      Milan nickte. »Ich wünsche den Herrschaften gute Unterhaltung.«

      »Werden wir haben«, grinste Patrick in der Eingangshalle, einer befremdlichen Mischung aus Jägerstube und Pariser Plüschsalon des Fin de Siècle.

      Jonas überraschte bloß, dass nicht Oscar Wilde auf dem Sofa unter dem goldenen Hirschgeweih saß, sondern eine füllige ältere Dame in knappem Dirndl, die in einem Magazin las. Bevor sie sich erhob, um die neuen Gäste zu begrüßen, wollte er wissen, was der Name ›Peter Pan‹ auf Patricks rosa Ausweis bedeutete.

      »Mein Pseudonym – passt doch, oder? Milan ist der einzige richtige Name im ›Forstschlösschen‹, außer den Namen der Betreiber natürlich.«

      Die Dame war schon bedrohlich nahe.

      »Du solltest dir auch einen Spitznamen zulegen«, drängte Patrick.

      »Klar doch – Captain Hook, wo wir schon dabei sind.«

      »Captain Hook?«, säuselte die Dame mit einem Lächeln so süß wie ihr Parfüm. »Sie sind neu hier. Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen bei uns im ›Forstschlösschen‹.«

      »Captain Hook ist mein Gast, Juliane«, bemerkte Patrick, während er sie mit drei Bussis begrüßte, wie das in Pariser Salons noch heute üblich sein soll. Dabei verschwanden zwei große Geldscheine diskret in den Abgründen von Julianes Mieder.

      »Drinks und Snacks findet ihr im Foyer, wie gewohnt.«

      Die Hausherrin, oder was immer Juliane darstellte, warf einen Blick auf die Uhr.

      »Die nächste Show beginnt in zehn Minuten – nicht vergessen«, schmunzelte sie geheimnisvoll, während sie die Tür aufhielt.

      Jonas

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