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als ich den Geschmack von Hühnerfleisch gewohnt bin. Vielleicht liegt es doch am Schächten. Das wäre auch noch ein Punkt auf meiner Liste gewesen, in einer koscheren Schlachterei vorbeizuschauen. Aber um ehrlich zu sein und keine Ausreden zu erfinden, davor habe ich mich dann doch gedrückt.

      Acht italienische Juden betreten nun das Lokal, das auch für viele jüdische Feste in Wien gemietet wird. Sie sprechen eine Mischung aus Italienisch und Hebräisch. Die meisten von ihnen tragen, wie die restlichen Gäste und das Personal im Bahur Tov, eine Kippa. Wir haben das Gefühl, auf Urlaub zu sein. Urlaub und Erholung führt mich zum nächsten Punkt. Das Judentum hat bereits vor Jahrtausenden das Rezept gegen Burnout erfunden: den Sabbat. Vier davon habe ich mitgemacht, einen davon in einer strengen Version, drei Mal war ich eher ein »Wellness-Jude«. Auch am letzten Sabbat, den ich aufgrund eines Auftritts am Samstagabend (aber bitte nach Sonnenuntergang, also schon nach dem Ende des Sabbats) in Tirol verbracht habe. Wie immer ohne Handy, ohne Fernsehen, ohne Internet, aber ich war im Hallenbad schwimmen und mit meiner Tochter am Rodelhang. Elektrisches Licht habe ich auch verwendet, wobei die Glühbirnen des Gasthofes, in dem wir übernachtet haben, schwächer waren als Kerzenlicht. Es war aber in Summe näher am Sabbat 4.0 als an der orthodoxen Version. Das wäre nach diesen Erfahrungen auch mein persönlicher Zugang zum Sabbat.

      Die Idee, einen Tag der Woche nur Zeit mit der Familie und Freunden zu verbringen, ohne Ablenkung, ist wunderbar. Dabei aber keinen Liftknopf drücken zu dürfen, halte ich für überholt. Einen Tag Ruhe geben, dafür muss man kein Jude sein. Das Geniale am Sabbat ist jedoch, dass er zwar nur 24 Stunden dauert, aber zwei Tage betrifft. So gibt’s am Freitag den Höhepunkt mit dem Beginn des Sabbats, auf den ich fast schon hin fieberte, und am Samstag ist es dann das Ende, auf das man wartet, um zum Beispiel endlich wieder alle Nachrichten am Handy checken zu können. Kein Handy zu verwenden hat mir nichts ausgemacht, der größte Verzicht waren Sportresultate im Live-Ticker. An einem Freitagabend nicht zu wissen, wie es gerade beim VSV, dem Eishockeyverein aus Villach, steht, war in manchen Momenten sehr hart. Hier hätte ich wirklich dringend einen Schabbes-Goi gebraucht.

      Spätestens nach dem dritten Sabbat hat sich auch mein familiäres Umfeld daran gewöhnt. Ihnen ist es ähnlich gegangen wie mir zu Beginn mit dem Oberrabbiner. Bei ihm habe ich sofort gewusst, dass er ab Freitag Sonnenuntergang nicht erreichbar ist. So hat etwa letzten Freitag mein Schwager zu meiner Schwester in Bayern gesagt: »Du, in einer Stunde ist in Wien Sonnenuntergang, wenn du deinen Bruder anrufen willst, dann musst du dich beeilen.«

      Es wäre also nicht so schwer, 24 Stunden nicht erreichbar zu sein. Und einmal in der Woche nicht auf Facebook sein, dafür hätte wohl sogar Marc Zuckerberg Verständnis. Der Gründer des sozialen Netzwerkes ist immerhin selbst Jude.

      Allerdings ist für mich als Kabarettist der Sabbat an den falschen Wochentagen. Freitag und Samstag sind die zwei besten Spieltage. Ich hatte Glück, dass ich im Jänner die Freitage über spielfrei hatte und am Samstagabend der Sabbat schon vorbei war. In der Kabaretthauptsaison von Februar bis Mai bzw. von Mitte September bis Dezember ist aber quasi fast jeder Freitag besetzt. Und in den Sommermonaten fällt der Sonnenuntergang so, dass man weder an einem Freitag noch am Samstag spielen könnte. An keinem Sabbat aufzutreten wäre für meine Erholung gut, aber schlecht für meine Brieftasche. Und das wäre dann längerfristig auch wieder nicht gut für die Erholung. Dann würde ich nicht nur am Sabbat bei Kerzenlicht in der Wohnung sitzen.

      Das koschere Lokal, in dem ich gerade das letzte Stück Hühnerfleisch vom Spieß runterkratze, hat natürlich am Freitag und Samstag geschlossen. Der Chef des Lokals, ebenso mit Kippa am Kopf, weiß nicht wirklich, woran er bei uns ist. Haben wir uns nur verirrt? Er merkt aber auch, dass wir doch etwas vertraut sind mit dem Judentum, uns mit dem koscheren Essen etwas auskennen. Juden, die rund um uns mit der Kippa sitzen, geben ein fast schon vertrautes Bild ab. Immer wieder fragt er: »Sind Sie zum ersten Mal bei uns?« Und er ist jedes Mal aufs Neue erfreut, wenn wir ihm sagen, wie gut es uns schmeckt.

      Den Eindruck, den der Chef vom Bahur Tov von mir hat, ist wohl genau das richtige Bild und fasst meine Zeit im Judentum gut zusammen. Ich habe noch immer keinen Durchblick, aber einen ziemlichen Einblick bekommen. Meine kleine Tochter schaut fasziniert zum Fenster raus, es hat wild zu schneien begonnen. Ich bestelle als Nachspeise einen Espresso und dazu einen Apfelstrudel, weil ich wissen möchte, wie ein Apfelstrudel in einem koscheren Lokal schmeckt. Ich kann verraten: Er schmeckt, wie ein selbstgemachter Apfelstrudel immer schmeckt: einfach fantastisch. Nachspeise ist ein gutes Stichwort. Jetzt, wo ich mich etwas zurechtgefunden habe in dieser Kultur und dieser Religion, hätte ich noch gerne einen Nachschlag. Nicht jede Torastelle habe ich gelesen, den Talmud nur in Ansätzen. Darüber hinaus habe ich jetzt richtig Lust, nach Israel zu reisen, vor allem nach Jerusalem, um noch tiefer in das Judentum einzutauchen. Aber meine Abmachung mit mir selbst war ein Monat pro Religion. Und in diesem Monat gilt es herauszufinden, wie weit ich komme, wie viel ich in meinen Alltag erleben und erfahren kann. Mein Fazit: Ich werde immer ein Goi bleiben, denn mir fehlt die Vertrautheit mit der jüdischen Kultur. Obwohl es möglich wäre zu konvertieren, werde ich das also nicht tun.

      Auch wenn das Lesen und das Studieren der Tora etwas wirklich Mystisches hatte, tritt mir Gott darin zu brutal auf. Zu oft kommen Wörter wie erschlagen oder ausrotten vor.

      Wäre jetzt der Oberrabbiner Eisenberg neben mir, dann weiß ich, dass er mich nach allen Regeln seiner Kunst zerpflücken würde. Er würde mir zeigen, dass Gott nicht so brutal ist, wie er oft dargestellt wird. Deutungen der Tora durch Rabbis für die heutige Zeit und die Auseinandersetzung komplexer Fragestellungen sind etwas Spezielles im Judentum.

      Nicht nur Paul Eisenberg bin ich dankbar, dass ich einen Monat lang Teil der jüdischen Welt sein durfte, auch wenn es nicht einfach für mich war. Ohne ihn sowie Olivia Pixner und Raphael Kanfer, die beide Mitglieder der jüdischen Gemeinde sind und mir die Türen geöffnet haben, wäre ich wohl gar nicht so weit gekommen. Die Juden, die ich kennengelernt habe, hatten eines gemeinsam: Sie waren alle freundlich, höflich, aber auch vorsichtig, nahezu misstrauisch. Beim Versuch, zumindest einen halben Tag mit einer orthodoxen Familie zu verbringen, habe ich auf Granit gebissen. Oder, in diesem Falle, auf eine der zwei Steinplatten Moses.

      Aber bei ihrer Geschichte ist diese Vorsicht bei den Juden wohl auch fast schon genetisch verankert, und das kann ich nur gut verstehen. Dazu passt die Geschichte, die mir ein junger Jude erzählt hat. Sein Opa, der ein Konzentrationslager überlebt hat, pflegte seiner Familie zu sagen, es muss immer ein fertig gepackter Koffer griffbereit sein, mit allem, was man zum Überleben braucht. Damit man jederzeit flüchten kann.

      Der vielzitierte Neid auf Juden kommt vermutlich daher, und da mag ich nach diesem Monat vielleicht etwas befangen sein, dass sie schon immer schlauer waren als der Rest der Welt. Das liegt in ihrer Kultur, denn Juden wird beispielsweise von klein auf beigebracht, alles zu hinterfragen. So ist auch ihr Bildungssystem aufgebaut, und so geht es nicht nur in der Schule, sondern bei aller Treue zur Tora auch in der Synagoge zu.

      Wenn Sie also einen Juden treffen und ihn fragen, warum ein Jude immer mit einer Gegenfrage antwortet, wundern Sie sich nicht, wenn er antwortet: »Warum nicht?«

      In diesem Sinne erhebe ich jetzt meinen koscheren Weißen Spritzer und trinke auf das Judentum! Mazel Tov!

BUDDHISMUS

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