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Wohnstraße mit dem üblichen vorstädtischen Mix aus Reihenhäusern und Mehrspännern. In den Vorgärten war niemand zu sehen. Da es ein warmer Sommerabend war, hing Grillgeruch in der Luft. Eine ältere Frau führte einen hässlichen und erbärmlich schnaufenden Hund spazieren. Sie beachtete die beiden Jungs nicht weiter. Die Straße erwies sich als Sackgasse. Doch Tayfun ging unbeirrt weiter, ein schmaler Weg führte durch Büsche zu einem Feldweg. Nach einigen hundert Metern standen Arslan und Tayfun vor der Rückseite eines kleinen Einfamilienhauses inmitten eines großen Gartens. Der Garten war eingezäunt, die Gartentür, die zu den Feldern führte, verschlossen. Irgendwo, weit weg, bellte ein Hund. Das Haus was dunkel. Ebenso das Nachbarhaus rechts daneben. Sonst sah man keine weiteren Anwesen. Links begannen die Felder.

      »Er ist übers Wochenende weg«, sagte Tayfun leise. Arslan erschrak leicht, denn seit sie die S-Bahn verlassen hatten, hatten sie geschwiegen. »Die Nachbarn sind heute Abend im Theater.«

      »Du willst da einbrechen?«, fragte Arslan. In seinem Inneren tobte ein Kampf zwischen sofortigem Wegrennen und adrenalingepuschter Neugier. Tayfuns Entschlossenheit faszinierte ihn.

      »Nicht so ganz.« Tayfun lachte leise. »Wir machen hier nix kaputt, Alter. Hab ich dir doch versprochen. Wir gehen einfach rein, holen unseren Schatz und gehen wieder raus und hinterlassen so gut wie keine Spuren. Allah sei mein Zeuge.«

      »So gut wie? Und lass Allah aus dem Spiel.«

      Statt zu antworten, zückte Tayfun dünne Einmalhandschuhe und reichte zwei davon Arslan. »Anziehen.« Er selbst zog sich welche an und holte einen Schlüsselbund hervor. Er suchte kurz und steckte dann den Schlüssel seiner Wahl in das Gartentorschloss. Es ließ sich aufschließen. Die beiden Jungs schlichen vorsichtig durch den Garten zum Kellerabgang und die Treppen hinunter. Arslans Herz schlug bis zum Hals. Nun war er also endgültig kriminell. Aber irgendwie fühlte sich das hier auch verdammt aufregend an. Wieder wählte Tayfun nach kurzem Überlegen einen Schlüssel, mit dem er die Kellertür öffnete. Die Tür quietschte ein wenig, was die beiden Einbrecher erstarren ließ. Dann lachte Tayfun: »Ist doch eh keiner da, Alter.«

      Sie betraten den dunklen Keller. Tayfun ließ seine kleine Taschenlampe aufleuchten. Arslan zuckte zusammen, als der Lichtkegel durch den Raum geisterte. Ausgestopfte Vögel verschiedener Größen hingen fein säuberlich nebeneinander an den Wänden. Mitten im Raum thronte ein gewaltiger Sessel mit furchterregenden Fangzähnen an der Nackenlehne, der sich bei näherem Hinsehen als riesiger Bär entpuppte, der in Form eines Sessels präpariert war. Das abgewetzte Fell auf der Sitzfläche zeugte davon, dass der Bärensessel tatsächlich mal benutzt worden war.

      »Das ist …« Arslan fand keine Worte.

      »Wird noch besser«, sagte Tayfun. »Du magst doch Tiere, oder? Willst du nicht sogar Tierarzt werden, Alter?«

      »Wenn ich mein Abi nachmachen kann, werde ich Jura studieren. Danke, dass du mir immer so gut zuhörst.«

      »Mann, reg dich ab.«

      »Ich verstehe aber immer noch nicht ganz.« Arslan merkte, dass er immer noch flüsterte. Mit normal lauter Stimme fuhr er fort: »Tierpräparate klauen? Dafür bekommst du doch nix. Selbst wenn es Exoten sind … Und so einen Monstersessel können wir weder unbemerkt hier rausschleppen, geschweige denn verchecken!«

      »Cool bleiben, Alter.«

      »Woher hast du überhaupt die Schlüssel? Und woher weißt du überhaupt von dem Haus und dem allen?« Arslan packte Tayfun an der linken Schulter, damit der stehen blieb. »Oh, Moment mal … Ist das ein Freier von Janko?«

      »Und wenn?«

      »Das ist also ein Freier von Janko. Na toll!«

      »Ich hab nicht gesagt, dass es so ist«, sagte Tayfun lässig. »Und selbst wenn, was geht es dich an, Alter?«

      »Müssen wir mit Janko teilen, was immer auch so wertvoll hier sein mag?« Arslan war entnervt.

      »Das muss dich nicht kümmern. Du bekommst deine zwölf- bis fünfzehntausend. Mindestens. Das hab ich dir versprochen. Alles andere muss dich nicht kümmern.«

      »Wer soll uns denn auch nur einen Cent für irgendwas von hier zahlen?« Arslan merkte selbst, dass seine Stimme einen Stich ins Hysterische bekam. Worauf hatte er sich da nur eingelassen?

      »Auch nicht dein Bier.« Tayfun blieb weiter ganz relaxed. »Aber wenn du es genau wissen willst, Alter: der Chinese.«

      »Der Chinese?« Arslan bekam Gänsehaut. »Du meinst den Chinesen? In was für eine Scheiße reitest du uns hier eigentlich rein?«

      »Bitte, dann geh!« Tayfuns Augen funkelten gefährlich. »Hau ab. Aber jammer nicht mehr rum, dass du fett Kohle brauchst für was auch immer! Das hier ist eine Chance. Kapiert? Eine ganz einfache, gute Chance an viel Geld zu kommen. Niemand wird verletzt, niemand hat einen wirklichen Schaden. Und vor dem Chinesen brauchst du auch keine Angst zu haben, das habe ich alles im Griff. Kapiert? Also: Hau ab oder bleib.«

      »Du machst den ganzen Scheiß hier doch nur, um genug Kohle zusammenzubringen, damit du vor deiner Püppi einen auf dicke Hose machen kannst!«, schrie Arslan.

      »Und wenn?« Tayfuns Augen funkelten weiter gefährlich.

      In Arslan tobte es, doch er rührte sich nicht. Die Entscheidung war längst gefallen.

      »Na also«, sagte Tayfun selbstzufrieden und ging weiter durch den Keller.

      »Mann, der Typ wird ja wohl nicht ganz blöd sein, oder?«, meldete sich Arslan schließlich wieder zu Wort. »Der wird doch irgendwann merken, dass ihm was fehlt, und dann zählt er eins und eins zusammen, und dann ist Janko dran.«

      »Auch das muss dich nicht kümmern.«

      »Es kümmert mich aber, verdammt noch mal!«

      »Hör zu, Arslan.« Tayfun drehte sich ganz zu seinem Kumpel um, seine Augen zu teuflischen Schlitzen verengt. »Du hast dich eben entschieden, oder? Wie ein Mann es tut. Männer müssen sich entscheiden können. Um Janko brauchst du dir keine Sorgen machen, wenn ich es dir sage, okay?«

      Er meinte ein schnelles Klackern zu hören. Wie von einer Klapperschlange. Dann ein Zischen. Wieder Klackern, dann Zischen. Panik kam in ihm auf. Und dann brach plötzlich ein Elefant durch das Gebüsch und raste auf ihn zu. Er versuchte auszuweichen und hechtete hinter den einzigen Baum weit und breit. Auf dem Baum saßen zwei Tukane mit großen bunten Schnäbeln. Doch in den Ästen verbarg sich auch eine Raubkatze, ein Leopard vermutlich. So genau konnte er das Tier nicht bestimmen. Sandfarben mit dunklen Flecken jedenfalls. Er schreckte zurück, der Leopard schreckte ebenfalls zurück. Das Toben des Elefanten kam näher. Das riesige Tier walzte alles nieder, was ihm in den Weg kam. In fieberhafter Panik suchte er einen neuen, sichereren Platz. Nun sprang der Leopard vom Baum, schlich mit langsamen, rollenden Bewegungen näher und beschnupperte seine Beine. Die Panik wich nackter Angst. Von einem Leopard gefressen oder von einem Elefanten zertrampelt zu werden, schienen seine Alternativen zu sein. Der Leopard leckte nun seine rechte Hand. Kalter Schweiß rann Arslans Rückgrat entlang. Wohin fliehen? Rauf auf den Baum? Da würde der Leopard hinterherkommen. Wegrennen? Da waren beide Tiere schneller. Vielleicht könnte er dem Leoparden an die Gurgel gehen und ganz fest zudrücken … Die Tukane über ihm drehten gelangweilt die Köpfe. Dann packte ihn der Leopard am rechten Bein und zog vehement daran. Er fiel auf den Rücken und schlug um sich. Jetzt wurde auch sein linkes Bein gepackt, und Arslan wurde über den Boden geschleift. Plötzlich traf ihn ein Strahl warmer Flüssigkeit mitten ins Gesicht und füllte seinen schreienden Mund. Er verschluckte sich hustend und wachte endgültig auf. Es schmeckte bitter und der Strahl versiegte langsam.

      Als Arslan die Augen aufschlug, schüttelte Voitl gerade ab und verstaute seinen Schwanz in der Hose.

      »So, wach wäre er«, gackerte Voitl. »Und geduscht hat er auch schon.« Er lachte sein blödes »Hihihi«.

      Arslan stellte entsetzt fest, dass Voitl und Boromir ihn an den Füßen aus dem Zelt gezerrt hatten und er ihnen völlig schutzlos ausgeliefert war. Er richtete sich auf, um den Urin, den er nicht verschluckt hatte, auszuspucken.

      Wie

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