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wesentlich kapitalistisch geprägten Mechanismen bestimmt sein. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass es das auch gar nicht ist. Nachdem Anfang der 1990er-Jahre die real existierende Planwirtschaft aufgegeben wurde und seit 2008 der Finanzkapitalismus vorerst zu Ende war, könnte sich der Aufmerksamkeitsfokus eigentlich neu orientieren und sich eine neue Wirtschaftsform etablieren.

      Alternative Bezugsrahmen wie die solidarische Ökonomie, die Gemeinwohlökonomie (Felber 2010), die feministische Ökonomie (Biesecker et al. 2000) oder auch die Überflusskritik (Paesch 2011) und die Gemeingütertheorie (Ostrom 2011) zeigen neue Töne. Der österreichische Attac-Mitbegründer Christian Felber zeigt mit seinem gemeinwohlökonomischen Konzept die Breite der Wirtschaftsziele auf und wird im Folgenden an verschiedenen Stellen eine Rolle spielen. Die Bremer Wirtschaftsprofessorin Adelheid Biesecker betont den Fürsorgeaspekt, der für Menschen und Natur am Anfang der ökonomischen Überlegungen stehen sollte. Fürsorge wird traditionell als eher weibliches Prinzip gesehen, ist aber gerade als Ergänzung zum Herkömmlichen – den oft noch aus militärisch-männlichen Kulturen hervorgegangen Ideen des Wirtschaftens – sehr wertvoll. Es geht darum, aus der Ökonomie nicht alles das auszugrenzen, was in der Vorsorge und im Sozialen liegt, aber für die Gesellschaft so entscheidend ist. Biesecker kritisiert die ökonomisch einseitige Orientierung auf unendliche, eigentlich nicht zu befriedigende Bedarfe. Sie spricht – das als kleine Kritik an ihrem interessanten und sympathischen Ansatz – von Bedürfnissen, was allerdings nicht ganz korrekt ist. Bedürfnisse sind als psychologische Größe mit dem Menschen eng verbunden, aber oft nicht wirklich bewusst. Bedarf ist die wirtschaftliche Größe, das was nach außen gezeigt und geäußert wird: was man meint, was das Bedürfnis sei.

      Der Volkswirtschaftler Niko Paesch zeigt deutlich auf, wie endlich die momentane Ressourcenlage auf der Welt ist. Mit dem Soziologen Harald Welzer zusammen stellt er die Fraktion derjenigen dar, die Konzepte für die Realität der Naturressourcen und den Umgang damit präsentieren. Die Konzentration auf Wesentliches und Notwendiges wird eine zentrale Aufgabe der Zukunft sein. Die Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom beschreibt den Weg aus der »Tragödie der Gemeingüter«. Sie stellte fest, dass Gemeingüter verkommen, weil niemand die Verantwortung dafür übernimmt. Es gilt die Möglichkeiten zu nutzen, damit keine Ressourcenfriedhöfe entstehen. Dabei kann es um Autos, technische Geräte, Land und vieles mehr gehen. Dinge, die nur herumstehen und nur selten und wenn, dann ausschließlich von ihrem Eigentümer genutzt werden, obwohl sie der Allgemeinheit viel besser nutzen könnten. Die angesprochenen Alternativen versuchen die Wirtschaftsakteure anders zu orientieren. Es wäre gut, die Grundlagen des Wirtschaftens zu betrachten, um darin die spezifisch kapitalistische Variante zu erkennen und abzugrenzen. Zunächst ist es sinnvoll, die systemische Herausforderung zu beschreiben, um danach zu der Frage zu kommen: Welche Aufmerksamkeit ist angebracht, um die Welt voranzubringen?

      Der mongolische Kriegsfürst Altay Kahn stellte im sechzehnten Jahrhundert für die Chinesen eine so gewaltige Bedrohung dar, dass sie seinetwegen die große Mingmauer bauten. Als Kahn nach der Eroberung Pekings vor den Toren der verbotenen Stadt stand und alle mit einem Sturm des Kaiserpalastes rechneten, überreichte er stattdessen eine Anfrage, ob die Chinesen sein Volk als Handelspartner akzeptieren würden.

      Die kleine Geschichte zeigt: Handel und Wirtschaftskontakte sind erstrebenswerter weil nachhaltiger als der bloße Sieg. Und Überraschungen gehören zum Wirtschaftssystem dazu. Seit Altay Kahn ist eine Menge Zeit verstrichen, und im Laufe der Jahrtausende sind immer wieder Kriege aus verletztem Stolz geführt worden oder um eine vermeintliche Überlegenheit einer Nation zu verteidigen. Selten wurden Kriege aus der Not heraus geführt, es sei denn es waren Aufstände innerhalb von Staaten. Gerade das zwanzigste Jahrhundert hat hier Lehren erteilt. Regionen, die lange selbst keine Kriege innerhalb ihres Landes erlebt haben (USA, Schweiz) scheinen eher langfristig gedeihliche Bedingungen zu bieten. Die Wirtschaft als Treiber für Wohlstand hat mehr und mehr die Oberhand gewonnen. Doch auch Wirtschaftskrisen können die Welt an den Abgrund führen. Das zeigte uns die Weltwirtschaftskrise in den 20er-Jahren oder die Finanzkrise von 2008.

      Das System von Wirtschaft und Politik ist als Ganzes zu sehen, und es lohnt sich, es aus einer systemischen Perspektive zu betrachten. Die systemische Perspektive wurde ursprünglich für die Therapie von Familiensystemen entwickelt. Mittlerweile wird sie auch auf viele andere Systeme, Organisationen, Gesellschaften, Wirtschaft, angewandt. Systemisch die Welt zu betrachten, bedeutet drei Fakten zu berücksichtigen. Erstens sind die Handelnden in der Welt immer in einer Beziehung miteinander verbunden. Individuelle Unabhängigkeit ist eine Illusion.

      Kein Mensch und kein System ist wirklich unabhängig.

      Wir sind verbunden und vernetzt miteinander. Wenn wir darüber nachdenken, wieso wir so leben können, wie wir leben, wer unsere Nahrung produziert, für unser Dach über dem Kopf oder unsere Sicherheit sorgt, wird das unmittelbar klar. Manchmal ist es auch erst durch genaue Analyse erkennbar, wie vielfältig unsere Existenz von anderen Lebewesen in der Natur und deren Zuarbeit abhängig ist. Gerade die ständige Betonung der angeblich erstrebenswerten Individualität, beispielsweise durch die Werbung, ist ein deutlicher Hinweis auf die eigentlich vorhandene wechselseitige Abhängigkeit. Bei genauerer Betrachtung hat gerade die Wirtschaft durch ihre Institutionen Handel und Arbeitsteilung friedliche Alternativen entwickelt, die – auf faire Weise gelebt – der systemischen Verbundenheit der Menschen Rechnung tragen. Die Form des Zusammenwirkens, die sogenannte Interaktion zwischen den Elementen eines Systems, ist wichtiger als ihre vermeintlichen Eigenschaften oder Fähigkeiten. Der zweite Aspekt heißt:

      Alle Phänomene sind auf dem Hintergrund eines Kontextes zu sehen.

      Themen sind nicht in sich zeitlos und übergreifend zu betrachten, sondern immer auf dem Hintergrund eines bestimmten Kontextes. Der macht auch überraschende Entscheidungen möglich. Die Gunst der Stunde ist für manche wirtschaftspolitische Wendungen notwendig. So schlimm das Ereignis auch war: Ohne den Atomunfall im japanischen Fukushima im Jahr 2011 wäre die deutsche Entscheidung zum Atomausstieg nicht zustande gekommen. Es braucht einen Kontext, ein bestimmtes wahrgenommenes – man könnte auch sagen konstruiertes – Zusammentreffen von Variablen, um etwas möglich zu machen.

      Zwei Beispiele zeigen die Relevanz der Kontextgestaltung. Der indischamerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Amartya Sen, der sich mit dem brennenden Thema der Armut in der Welt beschäftigt hat, betont dazu die Wichtigkeit der Demokratie. Er stellt fest, dass es in demokratischen Gesellschaften, so arm sie auch sein mögen, nie eine Hungersnot gegeben habe. Demokratie konstruiere auf Lösungen orientierte Wirklichkeiten (Sen 2010). Gerade bei wirtschaftlichen Prozessen ist eine Neigung vorhanden, demokratische Errungenschaften zugunsten von vermeintlich ökonomisch notwendigen Aspekten infrage zu stellen.

      In den 1990ern wurden manche Entscheidungen durch die föderale Struktur in Deutschland verlangsamt. Manche Ökonomen bezeichneten Deutschland damals als »German Patient«. Plötzlich, nach der Wirtschaftskrise 2008 ist diese Kritik völlig verstummt. Es wurde deutlich, dass gerade die durch die föderale Struktur begünstigte, auf vielen Füßen stehende, mittelständische Wirtschaft ein wichtiger Anti-Krisen-Faktor ist. Der gesellschaftliche Kontext ist, wie beide Beispiele zeigen, nicht von der Wirtschaft zu trennen.

      Besonders gravierend ist der dritte Aspekt des Systemischen:

      Jedes einzelne Teilsystem strebt danach, seine bisherige Struktur und Weltsicht zu erhalten und immer weiter zu erschaffen.

      Lebewesen entwickeln eigene Steuerungsformen, die für sie selbst systemerhaltend sind. Auch wir Menschen konstruieren uns die Welt so, dass sie für uns passt. Schon unser Körper, unsere Hirnphysiologie und insbesondere unsere Sinnesorgane, die auch die Informationsgrundlage für Denken, Einstellungen und Gefühle bilden, sind auf den Selbsterhalt ausgelegt. Echte Veränderung bedeutet

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