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      Bei PatientInnen mit instabilem emotionalen Erleben (diagnostiziert als Persönlichkeitsstörung) können Stimmungsstabilisierer als »innere Bestärkung« oder als ein »Rahmen« dienen, der es ermöglicht, das Erleben zu strukturieren und zu ertragen, ohne dass die unerträgliche Spannung durch impulsive Handlungen abgebaut werden muss. In diesem Fall hat die Psychotherapie eine ähnliche Aufgabe und kann schließlich theoretisch das Medikament ersetzen.

      4.1.2.3 Antipsychotika (Neuroleptika)

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      Abb. 7: Antipsychotika – Psychiatrische Anwendung

      Antipsychotika kann man als Medikamente betrachten, die helfen, die Grenze zwischen Körper und Umwelt zu klären und zu stärken. Ein Mensch in einer akuten psychotischen Phase erlebt sich selbst nicht als klar von der Umwelt abgegrenzt, im psychologischen Sinn hat er »keine Haut« (Spagnuolo Lobb 2003a, 264). Er kann sich durch Ereignisse, die mit ihm nicht in Verbindung stehen, bedroht fühlen, oder denken, dass sein eigenes Erleben die Macht hat, seine Umwelt direkt zu beeinflussen. Er lebt in einem Zustand, in dem er sich permanent bedroht fühlt, und die psychotischen Symptome stellen eine kreative Anpassung dar, die ihm helfen, diese schwierige Feldkonstellation zu überleben (für Details siehe Kapitel 20 über Psychosen).

      Antipsychotika reduzieren die hinderlichen Inputs und helfen dabei, eine funktionale Abgrenzung zwischen Erfahrungen zu schaffen, die von der externen und der inneren Umwelt kommen, und tragen zur Integration bei. Wir können uns vorstellen, dass die Antipsychotika eine »Nilpferdhaut« machen (Rahn / Mahnkopf 2000, 204–214). Diese Funktion ist nützlich, wenn die PatientIn in einem akuten psychotischen Zustand ist. Wenn dieser jedoch abklingt, nimmt die PatientIn die allgemeinen Einschränkungen und die Starre und Steifheit, die mit der Einnahme von Antipsychotika einhergehen können, als unangenehm wahr. Eine langfristige Anwendung der Medikation ist eine wichtige Vorbeugung bei PatientInnen mit chronischen schizophrenen Erkrankungen, da diese die Häufigkeit und Intensität weiterer psychotischer Anfälle reduziert. Eine Psychotherapie kann die Wirkung des Medikaments wirkungsvoll ergänzen und hilft, das Gefühl einer dauerhaften, sicheren und zugewandten Basis und die Erfahrung einer stabilen Beziehung zu schaffen (Spagnuolo Lobb 2003a), was eine sichere Abgrenzung des eigenen Selbst und seiner Bedürfnisse ermöglicht.

      Bei PatientInnen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung spielen die Antipsychotika eine stabilisierende Rolle, sie reduzieren die Impulsivität und stärken die Fähigkeit zur Selbstregulation. Sie ermöglichen PatientInnen, intensives und chaotisches Erleben zu strukturieren und zu integrieren. Es ist dann in der Therapie einfacher, daran zu arbeiten, sich die Impulse bewusst zu machen und sie zu kontrollieren. Es könnte dann leichter sein, die Mobilisierung von Energie bewusst zu verlangsamen und die Handlung wirkungsvoll zu steuern. Eine solche Handlung muss nicht in der zwanghaften Wiederholung einer fixierten Gestalt resultieren, die die unerträgliche Spannung vorübergehend dämpft, sondern es könnte stattdessen zu einer volleren Kontakterfahrung kommen. Dieser Effekt von Antipsychotika ist normalerweise hauptsächlich während einer Dekompensation nützlich, die sogar bis hin zu einem psychotischen Erleben reichen kann. Abgesehen von diesen Zeiten ist eine Psychotherapie unerlässlich, die darauf abzielt, eigene Fertigkeiten und Kompetenzen auszubilden, um mit sehr intensiven Erfahrungen und impulsiven Handlungen umzugehen.

      4.2 Die PatientIn-Medikament-Beziehung

      Die medikamentöse Behandlung ist in der Psychotherapie präsent, obwohl sie die meiste Zeit eher im Hintergrund steht. In Krisenzeiten oder bei »Durchbrüchen« in der Therapie können die Medikamente in den Vordergrund rücken. So kann eine PatientIn in einer Krise mehr Medikamente benötigen und dies in der Therapie ansprechen, oder sie fühlt sich besser und denkt darüber nach, wie es wäre, keine Medikamente mehr zu brauchen. Zu diesen Zeiten wird die Einnahme von Medikamenten eine Figur. Die Beziehung, die eine PatientIn zu ihren Medikamenten hat, beeinflusst das gesamte Feld. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass die TherapeutIn auf eine nicht wertende, phänomenologische Weise dabei hilft, nicht nur ins Bewusstsein zu holen, wie die Medikamente die PatientIn beeinflussen, sondern auch, welche Beziehung die PatientIn zur medikamentösen Behandlung hat.

      Die PatientIn kann zwei extreme Haltungen zur medikamentösen Behandlung einnehmen oder zwischen ihnen schwanken. Einerseits kann sie davon überzeugt sein, dass sie keine Medikamente will und dass eine Psychotherapie ausreichen sollte. Möglicherweise hat sie Angst, »wenn ich Medikamente nehme, dann ist es wirklich ernst, dann bin verrückt.« Sie kann unter dem Einfluss von Introjekten stehen, z. B. »Ich muss das alleine schaffen, Medikamente können mir das nicht abnehmen« oder »Ich kann es mir doch nicht einfach leichter machen.« Solche Introjekte können darauf hindeuten, dass es für die PatientIn schwierig ist, Unterstützung von der Umwelt anzunehmen. Das Ansprechen einer medikamentösen Behandlung im Zuge therapeutischer Arbeit und auch nur die Erwähnung einer solchen Möglichkeit kann die PatientIn unsicher und beschämt machen.9 Es könnte für manche PatientInnen eine wesentliche und neue Erfahrung sein, sich bewusst auf Hilfe von außen in Form eines Medikaments zu verlassen, die eigene Schwäche zuzugeben und sich selbst zu erlauben, diese Form der Unterstützung von außen zu akzeptieren.

      Eine weitere extreme Haltung könnte man bei einer PatientIn antreffen, die die medikamentöse Behandlung wünscht und durch die Medikamente unangenehme Erfahrungen in der Psychotherapie reduziert oder vermeidet. Sie kann die Verantwortung für ihren Zustand und für Veränderungen ablehnen. Solche PatientInnen können sich selbst als hilfloses Objekt wahrnehmen, »die Depression verursacht die Probleme, es ist der Serotoninmangel.« Wenn sich ihr Erleben verändert und sie sich leichter fühlt, kann sie sagen: »Dieses Prozac (Fluoxetin), das ich jetzt nehme, ist hervorragend, es hat mich komplett verändert und ich schaffe jetzt wieder dasselbe wie früher.« Sie projizieren ihre eigenen Fähigkeiten und ihre eigene Verantwortung für die Veränderung auf das Medikament. Sie können sich daran gewöhnen, auf unangenehme Erfahrungen und bei jedem Anlass für Unmut mit der Einnahme von Medikamenten zu reagieren, besonders durch sofort wirkende Benzodiazepine. Das führt dazu, dass sie das Potenzial von Situationen nicht nutzen, in denen sie mögliche Quellen ihrer eigenen Selbstunterstützung entdecken könnten.

      Psychotherapie kann als Prozess verstanden werden, in dem man in jedem Moment die Fähigkeit ausbildet, Selbstunterstützung und die Akzeptanz von äußerer Unterstützung in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.

      Im Laufe einer Psychotherapie erarbeiten sich PatientIn und TherapeutIn eine realistische Haltung (möglichst wenig von Introjekten belastet) bezüglich der Art und Weise, wie die medikamentöse Behandlung ihre Zusammenarbeit beeinflusst. So können beide lernen, die Medikamente als eine der äußeren Unterstützungs-Quellen hier und jetzt zu akzeptieren. In Zeiten, in denen der Druck steigt, wenn die Psychotherapie nicht verfügbar ist oder wenn die PatientIn erhebliche Schwierigkeiten erlebt, hat sie die Möglichkeit, sich Unterstützung durch das Medikament zu holen. Sie kann diese Option frei und bewusst in Betracht ziehen und eine kompetente Entscheidung treffen.

      4.3 Die Therapeutln-Medikament-Beziehung

      Während einer Psychotherapie, in der auch Psychopharmaka einen Platz haben, können bei der TherapeutIn folgende Fragen auftauchen: Welchen Effekt haben die Psychopharmaka genau jetzt auf den psychotherapeutischen Prozess – verlangsamen oder beschleunigen sie ihn? Welche Funktion haben die Medikamente in einer therapeutischen Beziehung und im gesamten Feld der therapeutischen Situation? Was bedeutet es für die PatientIn, die TherapeutIn und ihre Beziehung, wenn die Medikamentendosis im Lauf der Psychotherapie reduziert oder verstärkt wird, wenn Medikamente abgesetzt oder empfohlen werden?

      Damit die PsychotherapeutIn und die PatientIn frei sind, Antworten auf diese Fragen zu finden, muss sich die TherapeutIn ihrer eigenen Beziehung gegenüber Psychopharmaka bewusst sein, die ins Feld der therapeutischen Situation gebracht werden. Eine PsychotherapeutIn, die nicht reflektiert und ihre Skepsis und ihre Aversion den Medikamenten gegenüber deutlich macht, schadet ihrer PatientIn genauso wie eine ÄrztIn, die sich ausschließlich auf die psychopathologischen Symptome in komplexen Erfahrungszuständen

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