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und integriert werden können.

      Die paradoxe Theorie der Veränderung ist, wie wir gesehen haben, weniger eine Theorie als eine Richtschnur für beraterisches Handeln. Sie lässt sich ohne weiteres auf die Eins-zu-eins-Situation des Coachings übertragen, und ein Coach, der sich darauf bezieht, wird auch in kritischen Situationen darauf vertrauen, dass der nächste Schritt des Coachee entstehen wird und es weder nötig noch angezeigt ist, steuernd einzugreifen. Dieses Veränderungskonzept unterstützt die Haltung des Beraters, dass die Verantwortung für die Lösung des Problems beim Coachee liegt und seine Rolle die des Experten für den Prozess der Lösungsfindung ist.

      Gerichtete und ungerichtete Aufmerksamkeit

      Ähnlich wie die Pole Intention und Akzeptanz durch ein Sowohl-Als-Auch ihren jeweiligen Platz finden, verhält es sich auch mit dem Modus der Aufmerksamkeit.

      Das Veränderungsanliegen des Coachee bezieht sich im Coaching häufig auf komplexe Situationen in oder mit der Organisation, die als problematisch erlebt werden. Die (Selbst-)Erfahrung von Moment zu Moment ist nur ein Teil davon oder kommt erst später in den Fokus. Für den Coach heißt das, zunächst die gesamte als problematisch erlebte Situation gemeinsam mit dem Coachee zu betrachten. Gegebenenfalls nutzt er dafür unterstützende Techniken wie z. B. Visualisierung oder Positionierungen im Raum etc., die den Hintergrund gewissermaßen ausleuchten.84 Gleichzeitig wird der Coach auch aufgrund seines Expertenwissens über soziale und organisationale Zusammenhänge zielgerichtet nachfragen. Edwin Nevis differenziert diese zwei Modi von Achtsamkeit, die ungerichtete und die gerichtete, in seinem »Sherlock-Holmes-Modell«:85 Sherlock Holmes steht für die analytische und strukturierte Herangehensweise mit gerichteter Aufmerksamkeit, die sich an einem normativen Referenzrahmen orientiert und Schlussfolgerungen zieht. Columbo, der vermeintlich naive und desorientierte Detektiv, repräsentiert in dem Modell die ungerichtete Aufmerksamkeit, die sich überraschen lässt von dem, was sich freiwillig zeigt oder erscheint und damit Hintergrund für Hypothesenbildung schafft. Beide Modi sind für das Problem-Verständnis notwenig, der Coach braucht, wie es ein Teilnehmer einer Ausbildungsgruppe formuliert hat, »Sherumbo«-Kompetenz um die verschiedenen Perspektiven, aus denen das Problem betrachtet werden kann, zugänglich zu machen.

      »Zu sein was man ist« (bezogen auf die problematische Situation) heißt, sich Zeit zu nehmen, das Problemfeld zu erkunden, das Problem zu benennen86 und es in den Bezugsrahmen der Erfahrung des Coachee zu stellen und somit seine Bedeutung für den Coachee herauszuarbeiten: Handelt es sich um ein bekanntes Thema, eine kleine Irritation, eine Rollenkonfusion etc.? Der Coach unterstützt an dieser Stelle den Coachee, sich so umfassend wie möglich auf das Erleben der Situation einzulassen, »zu sein, wie er ist.« Von diesem Punkt aus ergeben sich Lösungsansätze und zeigen sich mögliche Handlungsperspektiven, die wiederum im Dialog von Coach und Coachee erörtert und abgewogen werden. Das kann auch die Entscheidung sein, (jetzt) nichts zu tun oder zu entscheiden. Zu würdigen oder einfach zu konstatieren, dass hier offenbar kein Schritt in eine Lösungs-Richtung möglich ist, kann eine tief greifende Erfahrung für den Coachee sein und manchmal der Moment, in dem dann doch, siehe oben, ein Schritt entsteht.

      Reinhard Fuhr nennt diese Art von Beratungsprozess, der viel Zeit in die Phasen von Erkundung, Bedeutungsgebung und Perspektiven-Entwicklung investiert, »bewusstseinsorientiert«87 in Abgrenzung zum aktionsorientierten »Problemlösungsprozess«, wie er in den meisten Managementhandbüchern zu finden ist. Beim Modell des Plan – Do – Check – Act – Zirkel geht es darum, die zu verändernde Ist-Situation zu analysieren, einen Soll-Zustand zu definieren und sich dann für den Weg zu entscheiden, der von Ist nach Soll führt. Diesen gilt es zu planen und entsprechend umzusetzen. Ähnlich wie es nötig ist, bei der Problemerkundung sowohl gerichtete wie auch ungerichtete Achtsamkeit einzusetzen, bietet es sich an, beide Prozesse miteinander zu verbinden: Die Umsetzung der durch den bewusstseinsorientierten Prozess gefundenen Lösungen wird anschließend geplant und ihre Durchführung kontrolliert, das heißt in der folgenden Coaching-Sitzung reflektiert und ausgewertet.

      Diagnose im Coaching

      »(…) wenn wir dann von Angesicht zu Angesicht einem konkreten, lebendigen Menschen gegenübersitzen, der uns von seinen Leiden und Schwierigkeiten erzählt (…)«88

      Im Grunde handelt es sich beim eben beschriebenen gemeinsamen Erkundungsgang durch die Problemlandschaft auch schon um einen diagnostischen Prozess im Sinne des gestalttherapeutischen Vorgehens.89 Neben der Frage »Was ist das Problem im Feld?« stellt sich in einem beziehungsorientierten Setting zu zweit früher oder später auch die Frage, wie der Klient/Coachee auf der persönlichen Ebene mit seinem So-Sein zur Produktion oder Aufrechterhaltung dieses oder anderer Probleme beiträgt. Neben Modellen und Theorien über Organisationen, die ihm helfen, sich in diesem Feld zu orientieren (und seinem Bewusstsein darüber, welche das sind), braucht der Coach auch Kriterien dafür, wie Probleme auf der persönlichen Ebene »gemacht« werden.

      Die Begriffe ›Diagnose‹ und ›Diagnostik‹ werden für gewöhnlich mit dem Feststellen oder Bestimmen von Krankheit in Verbindung gebracht und deshalb im nicht-therapeutischen Kontext mit Vorsicht oder Zurückhaltung verwendet.90 Und auch im Verlauf der Entwicklung der Gestalttherapie gab es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie sinnvoll oder einschränkend eine gestalttherapeutische Diagnostik sei.91

      Gleichzeitig basiert jede beraterische oder therapeutische Intervention auf den Annahmen des Beraters/Therapeuten über den Klienten als Person, darüber, was in der gegenwärtigen Situation für den Klienten förderlich/nicht förderlich ist, welche Beziehung zwischen ihm und dem Klienten besteht, in welchem Feld mit welchen Einflussgrößen sie sich befinden.

      »Wir können nicht vermeiden zu diagnostizieren: Wir stehen vor der Wahl, ob wir es schludrig und nachlässig oder auf gut durchdachte, bewusste Weise tun. Die Gefahr, dem Klienten ein Glaubens- oder Wertesystem überzustülpen, verschärft sich, wenn man ohne Bewusstheit diagnostiziert.«92

      Diagnostizieren heißt, Konzepte und Annahmen darüber anzuwenden, was auf die gegenwärtige Situation bezogen, »funktional« und »dysfunktional« ist, »gesund« oder »krank«. Die gestalttherapeutische Diagnostik hat beides im Auge, die »gesunde« kreative Anpassung eines Menschen in seinem Umweltfeld, seine Ressourcen und Potenziale und wie er sie aktiviert, sowie die Art und Weise, wie er seine Anpassung einschränkt oder sein Erleben blockiert. Dabei betrachtet sie die Person als Ganzheit, in der Körper, Seele und Geist verbunden sind. Der Dynamik der dialogischen Beziehung entsprechend, geht es beim ›Feststellen und Erkennen‹ nicht in erster Linie darum, dass der Berater etwas über den Klienten erfährt, sondern dass der Klient etwas über sich erfährt.

      Der gestalttherapeutisch diagnostizierende Coach richtet seine Aufmerksamkeit auf drei Bereiche: Das, was er unmittelbar an seinem Gegenüber beobachten kann, wie dieser auf seine Beziehungsangebote eingeht und an welchen Stellen er unter Umständen seinen Prozess der Erfahrung unterbricht.

      Der Kontaktzyklus als Diagnose-Leitfaden

      Der idealtypisch beschriebene Zyklus des Erlebens ist, wie bereits erwähnt, ein Modell und nicht die Wirklichkeit, ein Mittel zur Beschreibung des Wahrnehmungskontinuums und keine Norm. Im gelebten Leben bleiben viele Kontaktzyklen unvollendet oder werden ›unterbrochen‹ ohne dass man von einer Störung sprechen würde. Dennoch eignet sich das Modell als Referenz dafür, wie lebendig, kreativ und stimmig die Interaktion zwischen Organismus und Umwelt ist. Folgende Fragen können z. B. die Aufmerksamkeit des Coaches lenken:

      • Nimmt der Coachee seine körperlichen Empfindungen wahr? (Oder sitzt er stundenlang in verkrampfter Haltung ohne sie zu verändern?)

      • Erkennt er, was er empfindet? (Oder wird Angst vor Beschämung mit Prüfungsangst »verwechselt«?)

      • Mobilisiert er Energie? (Oder denkt er lieber noch mal gründlich nach?)

      • Setzt er in die Tat um, was er sich vorgenommen hat? (Oder bleibt es beim guten Vorsatz?)

      • Lässt er sich

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